Einmal beim Einkauf

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Inu

Mitglied
*




Einmal beim Einkauf


Im Supermarkt treffe ich Vera: polyerblondet, braungebrannt, Lippen frisch aufgespritzt, stramme Strumpfhosenschenkel, Minirock.
Vera.
Ihre drei Kinderchen hat sie bei sich. Man stelle sich vor: Drillingssöhnchen, gerade einmal zirka zweieinhalb Jahre alt. Nie habe ich in größere, blauere Unschuldsaugen gesehen. Den dazugehörigen Ehemann gibt es auch. Er ist Co-Pilot oder sowas.

Sie ruft: „Gerti ... du hast dich aber gar nicht verändert!“
„Seit ewigen Zeiten haben wir uns nicht gesehen“, sprudele ich heraus, „du bist immer noch ... sehr sexy."
„Ich bin Witwe geworden!“, stammelt Vera.
„O nein ... o nein, das tut mir ... unsagbar leid!“
Schon liegen wir einander in den Armen. Ich tätschele ratlos ihren Rücken.
„Wolfgang ist an Ohrkrebs gestorben“, sagt sie.
„Wie furchtbar, wie furchtbar. Das ist ja ..."
„Es ist alles noch viel, viel schlimmer ... wenn du wüsstest...", murmelt sie, während wir mit unseren Einkaufswagen, Kinder im Schlepptau, durch die Ladengänge schweifen.
„Wolfgang ist auch noch ... schwul gewesen ... ich erfuhr es nach seinem ... ich meine ... am Ende. Das hat mir einen Wahnsinns-Schock versetzt."
„O NEIN! “
„Sein Geliebter widmete ihm in der FAZ einen viel beachteten Nachruf ..."
"O my God!"
Die Beerdigung und alles war sehr ... würdig. Er ist ja so plötzlich ...“
„Und dabei hat er so gesund ausgesehen“, stottere ich.
„Ja, er ist bis zuletzt gesund gewesen!"

„Wie hast Du das alles nur aushalten können?“
Ich sag dir, wenn ich die Hormone nicht bekommen ... ich meine, wenn ich die Kleinen nicht hätte.“
„Sie müssen ein großer Trost sein, drei so süße, wundervolle ... “
„O ja, sie sind mir ein großer Trost. Weißt du, ich bin hier, um ihnen ein paar Kinderüberraschungen zu kaufen, sie lechzen geradezu danach!“
„Ah, ja.“

Wir schlendern nun miteinander durch den Supermarkt, vorbei an den mit Köstlichkeiten beladenen Regalen.
Da sehe ich: Veras Gang wird auf einmal sonderbar schleppend. Sie ist kreidebleich. Schwankt.
"Mir ist so komisch", sagt sie und hält sich an einem Regal fest, das leider prompt mit seiner wunderbaren Schokoriegel-Fracht in sich zusammenstürzt.

„O je, mir wird schwarz vor Augen!", flüstert Vera
All die Symptome scheint sie zu entwickeln, die ich nur zu gut von meiner eigenen Person her kenne: Schwindel, Kreislaufkollaps, plötzlich ausbrechender Herzinfarkt. Oder Schlimmeres?
Vera taumelt: „Ach Gerti, kann ich mit in deine Wohnung kommen und mich eine Weile bei dir hinlegen?"
„Aber sicher.“
Ich weiß ... so kann sie nicht nach Hause fahren, sie wohnt fünfzehn Kilometer entfernt.
„Gell, du nimmst uns mit zu Dir“, bittet sie.
"Natürlich. Ist doch klar!"
Ich kann mir vorstellen, wie sie sich fühlt. Sie braucht dringend Hilfe!
"Nur muss ich vorher noch Käse kaufen", sage ich, "deswegen bin ich ja hergekommen!"

Eilig haste ich zur Theke.
„Bedienen Sie mich schnell“, rufe ich schon beim Hinrennen den Verkäuferinnen zu. Dies ist ein Notfall!“
Doch es klappt nicht. Immer geraten mir andere Kunden in die Quere. Die drängen sich brutal vor, kicken mich mit ihren Ellenbogen zur Seite.
„Hinten anstellen!“, brüllen sie im Chor.

Da nehme ich mir den Käse halt selbst aus dem Regal. Doch kaum fasse ich die runden Laiber oder eingeschweißten Scheiben, da zerbröseln sie mir in ihren Verpackungen. Das ist ja noch nie dagewesen. Was ist das für eine merkwürdige Ware?
„Dauert’s noch lang? jammert Vera.
„Nein, nein!“
Nach mehreren nutzlosen Versuchen, einen intakten, brauchbaren Käse zu finden, gebe ich auf.
„Es ist nicht weit bis zu mir, wir schaffen das schon!“, sage ich halbwegs heiter.

Aber, o Gott, da fällt mir ein ... in meiner Wohnung sind ja die Handwerker! Sie reißen Fenster heraus und Decken herunter, klopfen Löcher in die Wände, sind noch mitten drin in der Arbeit. Bei mir sieht es aus wie auf einer Baustelle. Die ganze Einrichtung ist unter Mörtel und Schutt begraben, ausgenommen die wenigen Möbel, die ich zu ihrer Rettung mit Plastikplanen abgedeckt habe ...
Wie konnte ich das bloß vergessen?
„Hunger ... Hunger! Big Mac essen gehen“, quängeln die kleinen Rangen.
Wie soll ich mit ihnen fertig werden, wenn ich nicht einmal einen simplen Käsekauf auf die Reihe bringe.

„Mayday, Mayday“, haucht Vera jetzt und taumelt mir bewusstlos in die Arme.
Hilfe ... dieser Sache bin ich nicht gewachsen.

Gottlob, Vera atmet noch! Verwirrt hieve ich sie oben auf eine der glasbedeckten Tiefkühltruhen. Wo soll ich sie denn sonst hintun?
„Durch den Kälteschock wird sie sich schnell erholen, wenn sie aufwacht“, murmele ich zur eigenen Beruhigung.
„Na, na ... Sie wissen doch, dass das nicht stimmt“, meint ein Mann im weißen Manager-Kittel, der gerade vorbeirauscht.
Ich muss mir eingestehen: er hat Recht!

Die süßen Kleinen plärren jetzt. Ich stecke ihnen Gummibärchen in die brüllenden Mäulchen und in jede Hand ein Überraschungsei. Dann überlasse ich sie zerknirscht ihrem traurigen Schicksal. Halbwaisen mit ohnmächtiger Mutter! Und ich eine Versagerin, die hektisch den unbenutzten, quietschenden Einkaufswagen vor sich herstossend, durch die Supermarktgänge zum Ausgang rast ...

„He, da läuft eine weg, die nicht bezahlt hat“, schreit die Kassiererin. Jetzt erst sehe ich ... die drei quirligen Vera-Söhnchen haben anscheinend Süßigkeiten gerafft, als ich nicht hinsah. Hanuta und Haribo türmen sich schachtelweise in meinem Einkaufswagen.

„Ich bin unschuldig“, versuche ich dem Hausdetektiv klar zu machen, der mich gerade festnimmt, „ich bin nicht zum Stehlen hergekommen ... wollte doch nur Käse kaufen.“
„Sie können mir viel erzählen!", sagt er.


*



Copyright Irmgard Schöndorf Welch 28.06. 2004
 
Q

Quidam

Gast
Hallo Inu,

ziemlich überdreht. Und obwohl ich kein Fan von unglaubwürdigen Darstellungen bin, finde ich gerade das bei diesem Text sehr prickelnd. Ich war gespannt, wie es enden würde und bin froh, dass du es offen läßt, ob das nun real war, oder ein Traum, oder was weiß ich.

Jedenfalls flüssig zu lesen und 'eigenartig' irgendwie.-)

*winke*
Quid
 

Inu

Mitglied
Danke lieber Quidam
fürs Lesen und kommentieren. Ich freu mich, dass es Dir gefallen hat :)

Ich versuchte tatsächlich jetzt mal was Ausgefallenes, Paradoxes zu schreiben. Wo der Leser nicht weiß, wie es ausgeht. Bei ganz kurzer Prosa ist das, glaube ich, erträglich.

Frohe Pfingsten wünscht Dir
Inu
 

San Martin

Mitglied
Hmm... das ist sehr nahe an der Absurdität eines Alptraumes. Ich würde da weiter machen und die Gedanken der Protagonistin weniger schildern (am Ende), ihr dafür aber um so mehr Dinge zustoßen lassen, denen sie hilflos und ratlos gegenüber steht. Zumal sie alles nur widerwillig tut, denn Vera zu helfen dürfte ihr wenig wichtig sein.

Martin

PS: Wie abonniert man eigentlich jemanden?
 
B

bonanza

Gast
na also, klappt doch, das war streckenweise sehr witzig
und skurril.

bon.
 

Inu

Mitglied
Hallo San Martin
Ich habe es jetzt noch ein wenig verändert. Weißt Du, ich wollte nicht noch mehr verrückte Sachen passieren lassen, hatte das Gefühl, das würde zuviel des Skurrilen und dann kriegt der Leser womöglich doch Bauchweh ... Außerdem sollte es bei der 'Kurzprosa' bleiben, ich mag dieses Forum sehr gern. ;)

Danke nochmal für Dein Interesse.

Ich grüß Dich :)
Inu
 
B

bonanza

Gast
ich gehe nicht gerne ins detail. das kostet ziemlich viel
mühe bei einem prosatext.
als ich das las, dachte ich zwischendurch: diese inu
kann wirklich was. sie kann aus scheiße gold machen.
und das ist es doch, was wir als autoren ständig versuchen,
oder nicht?

bon.
 
D

Denschie

Gast
liebe inu,
was für verrückte schrullen!
"bedienen sie mich schnell!"
eine witzige geschichte ohne sinn,
anfang und ende. und trotzdem unterhaltsam.
viele grüße,
denschie
 

Inu

Mitglied
hallo bonanza und Denschie

ich empfehle euch auch meine 'rabenschwarze Geschichte' Ich hab sie noch ein bisschen aufgepeppt. Die ist genauso verrückt und sinnlos.

Danke Fürs Lesen und Kommentieren :)

Ein schönes Wochenende wünscht
Inu
 

Inu

Mitglied
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Einmal beim Einkauf


Im Supermarkt treffe ich Vera: polyerblondet, braungebrannt, Lippen frisch aufgespritzt, stramme Strumpfhosenschenkel und Minirock.
Vera.

Ihre drei Kinderchen hat sie bei sich. Man stelle sich vor: Drillinge, gerade einmal zirka zweieinhalb Jahre alt. Nie habe ich in größere, blauere Unschuldsaugen gesehen. Den dazugehörigen Ehemann gibt es auch. Er ist Co-Pilot oder sowas.

„Gerti ... du hast dich aber gar nicht verändert!“, ruft sie erregt.
„Seit ewigen Zeiten haben wir uns nicht gesehen“, sprudele ich heraus, „du bist immer noch ... sehr sexy."
„Ich bin Witwe geworden!“, stammelt Vera.
„O nein ... o nein, das tut mir ... aber ... unsagbar leid!“
Schon liegen wir einander in den Armen. Ich tätschele ratlos ihren Rücken.
„Wolfgang ist an Ohrkrebs gestorben“, sagt sie.
„Wie furchtbar, wie furchtbar. Das ist ja ..."
„Es ist alles noch viel schlimmer ... wenn du nur wüsstest...", murmelt sie, während wir mit unseren Einkaufswagen, Kinder im Schlepptau, durch die Ladengänge streifen.
„Wolfgang ist ... schwul gewesen ... ich erfuhr es nach seinem ... ich meine ... am Ende. Das hat mir einen Wahnsinns-Schock versetzt."
„O NEIN! “
„Sein Geliebter widmete ihm in der FAZ einen viel beachteten Nachruf ..."
"O my God!"
Die Beerdigung und alles war sehr ... würdig. Er ist ja so plötzlich ...“
„Ja, ja ... und dabei hat er so gesund ausgesehen“, stottere ich.
„Er ist bis zuletzt gesund gewesen!"

„Wie hast Du das alles nur aushalten können?“
"Ich sag dir, wenn ich die Hormone ... ich meine, wenn ich die Kleinen nicht hätte.“
„Sie müssen ein großer Trost sein, drei so süße, wundervolle ... “
„O ja, sie sind mir ein großer Trost. Weißt du, ich bin hier, um ihnen ein paar Kinderüberraschungen zu kaufen, die mögen sie gern!“
„Ah, ja.“

Wir schlendern nun miteinander durch den Supermarkt, vorbei an den mit Köstlichkeiten beladenen Regalen.
Da sehe ich: Veras Gang wird auf einmal sonderbar schleppend. Sie ist kreidebleich. Schwankt.
"Mir ist so komisch", sagt sie und hält sich an einem Regal fest, das leider prompt mit seiner wunderbaren Schokoriegel-Fracht in sich zusammenstürzt.

„O je, mir wird auf einmal schwarz vor Augen!", flüstert Vera.
All die Symptome scheint sie zu entwickeln, die ich nur zu gut von meiner eigenen Person her kenne: Schwindel, Kreislaufkollaps, plötzlich ausbrechender Herzinfarkt. Oder Schlimmeres?
Vera taumelt: „Ach Gerti, könnte ich mit in deine Wohnung kommen und mich eine Weile bei dir hinlegen?"
„Aber sicher.“
Ich weiß ... so kann sie nicht nach Hause fahren, sie wohnt fünfzehn Kilometer entfernt.
„Gell, du nimmst uns mit zu Dir“, bittet sie.
"Natürlich. Ist doch klar!"
Ich stelle mir gerade vor, wie sie sich fühlt. Sie braucht dringend Hilfe!
"Nur muss ich schnell noch Käse kaufen", sage ich, "deswegen bin ich ja hergekommen!"

Eilig haste ich zur Theke.
„Bedienen Sie mich schnell“, rufe ich schon beim Hinrennen den Verkäuferinnen zu. Dies ist ein Notfall!“
Doch es klappt nicht. Immer geraten mir andere Kunden in die Quere. Die drängen sich brutal vor, kicken mich mit ihren Ellenbogen zur Seite.
„Hinten anstellen!“, brüllen sie im Chor.

Da nehme ich mir den Käse halt selbst aus einem Regal. Doch kaum greife ich nach den eingeschweißten Scheiben, da zerbröseln sie in ihren Verpackungen. Das ist ja noch nie dagewesen. Was ist das für eine merkwürdige Ware?
„Ich glaub', ich werd' ohnmächtig'!, flüstert Vera.
„Nein, nein!“
Nach mehreren nutzlosen Versuchen, einen intakten, brauchbaren Käse zu finden, gebe ich auf.
„Es ist nicht weit bis zu mir, wir schaffen das schon!“, sage ich und versprühe Zuversicht.

Aber, o Gott, da fällt mir ein ... in meiner Wohnung sind ja die Handwerker! Sie reißen Fenster heraus und Decken herunter, klopfen Löcher in die Wände, sind noch mitten drin in der Arbeit. Bei mir sieht es aus wie auf einer Baustelle. Die ganze Einrichtung ist unter Mörtel und Schutt begraben, ausgenommen die wenigen Möbel, die ich zu ihrer Rettung mit Plastikplanen abgedeckt habe ...
Wie konnte ich das bloß vergessen?
„Hunger ... Hunger! Big Mac essen gehen“, quängeln die kleinen Rangen.
Wie soll ich mit ihnen fertig werden, wenn ich nicht einmal einen simplen Käsekauf zustande bringe.

„Mayday, Mayday“, haucht Vera jetzt und taumelt mir bewusstlos in die Arme.
Hilfe ... dieser Sache bin ich nicht gewachsen.

Gottlob, Vera atmet noch! Verwirrt hieve ich sie oben auf eine der glasbedeckten Tiefkühltruhen. Wo soll ich sie denn sonst hintun?
„Durch den Kälteschock wird sie sich schnell erholen, wenn sie aufwacht“, murmele ich zur eigenen Beruhigung.
„Na, na ... Sie wissen doch, dass das nicht stimmt“, meint ein Mann im weißen Manager-Kittel, der gerade vorbeirauscht.
Ich muss mir eingestehen: er hat Recht!

Die süßen Kleinen plärren jetzt. Ich stecke ihnen Gummibärchen in die brüllenden Mäulchen und in jede Hand ein Überraschungsei. Dann überlasse ich sie zerknirscht ihrem traurigen Schicksal. Halbwaisen mit ohnmächtiger Mutter! Und ich eine Versagerin, die hektisch, wie vom Teufel gejagt, den unbenutzten, quietschenden Einkaufswagen vor sich herstossend, durch die Supermarkt-Gänge zum Ausgang rast ...

„He, da läuft eine weg, die nicht bezahlt hat“, schreit die Kassiererin. Jetzt erst sehe ich ... die drei quirligen Vera-Söhnchen haben anscheinend Süßigkeiten gerafft, als ich nicht hinsah. Hanuta und Haribo türmen sich schachtelweise in meinem Einkaufswagen.

„Ich bin unschuldig“, versuche ich dem Hausdetektiv klar zu machen, der mich gerade festnimmt, „ich wollte doch nur ... Käse kaufen.“
„Sie können mir viel erzählen!", sagt er.


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Copyright Irmgard Schöndorf Welch 28.06. 2004
 

Inu

Mitglied
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Einmal beim Einkauf


Im Supermarkt treffe ich Vera: polyerblondet, braungebrannt, Lippen frisch aufgespritzt, stramme Strumpfhosenschenkel und Minirock.
Vera.

Ihre drei Kinderchen hat sie bei sich. Man stelle sich vor: Drillinge, gerade einmal zirka zweieinhalb Jahre alt. Nie habe ich in größere, blauere Unschuldsaugen gesehen. Den dazugehörigen Ehemann gibt es auch. Er ist Co-Pilot oder sowas.

„Gerti ... du hast dich aber gar nicht verändert!“, ruft sie erregt.
„Seit ewigen Zeiten haben wir uns nicht gesehen“, sprudele ich heraus, „du bist immer noch ... sehr sexy."
„Ich bin Witwe geworden!“, stammelt Vera.
„O nein ... o nein, das tut mir ... aber ... unsagbar leid!“
Schon liegen wir einander in den Armen. Ich tätschele ratlos ihren Rücken.
„Wolfgang ist an Ohrkrebs gestorben“, sagt sie.
„Wie furchtbar, wie furchtbar. Das ist ja ..."
„Es ist alles noch viel schlimmer ... wenn du nur wüsstest...", murmelt sie, während wir mit unseren Einkaufswagen, Kinder im Schlepptau, durch die Ladengänge streifen.
„Wolfgang ist ... schwul gewesen ... ich erfuhr es nach seinem ... ich meine ... am Ende. Das hat mir einen Wahnsinns-Schock versetzt."
„O NEIN! “
„Sein Geliebter widmete ihm in der FAZ einen viel beachteten Nachruf ..."
"O my God!"
Die Beerdigung und alles war sehr ... würdig. Er ist ja so plötzlich ...“
„Ja, ja ... und dabei hat er so gesund ausgesehen“, stottere ich.
„Er ist bis zuletzt gesund gewesen!"

„Wie hast Du das alles nur aushalten können?“
"Ich sag dir, wenn ich die Hormone ... ich meine, wenn ich die Kleinen nicht hätte.“
„Sie müssen ein großer Trost sein, drei so süße, wundervolle ... “
„O ja, sie sind mir ein großer Trost. Weißt du, ich bin hier, um ihnen ein paar Kinderüberraschungen zu kaufen, die mögen sie gern!“
„Ah, ja.“

Wir schlendern nun miteinander durch den Supermarkt, vorbei an den mit Köstlichkeiten beladenen Regalen.
Da sehe ich: Veras Gang wird auf einmal sonderbar schleppend. Sie ist kreidebleich. Schwankt.
"Mir ist so komisch", sagt sie und hält sich an einem Regal fest, das leider prompt mit seiner wunderbaren Schokoriegel-Fracht in sich zusammenstürzt.

„O je, mir wird auf einmal schwarz vor Augen!", flüstert Vera.
All die Symptome scheint sie zu entwickeln, die ich nur zu gut von meiner eigenen Person her kenne: Schwindel, Kreislaufkollaps, plötzlich ausbrechender Herzinfarkt. Oder Schlimmeres?
Vera taumelt: „Ach Gerti, könnte ich mit in deine Wohnung kommen und mich eine Weile bei dir hinlegen?"
„Aber sicher.“
Ich weiß ... so kann sie nicht nach Hause fahren, sie wohnt fünfzehn Kilometer entfernt.
„Gell, du nimmst uns mit zu Dir“, bittet sie.
"Natürlich. Ist doch klar!"
Ich stelle mir gerade vor, wie sie sich fühlt. Sie braucht dringend Hilfe!
"Nur muss ich schnell noch Käse kaufen", sage ich, "deswegen bin ich ja hergekommen!"

Eilig haste ich zur Theke.
„Bedienen Sie mich schnell“, rufe ich schon beim Hinrennen den Verkäuferinnen zu. Dies ist ein Notfall!“
Doch es klappt nicht. Immer geraten mir andere Kunden in die Quere. Die drängen sich brutal vor, kicken mich mit ihren Ellenbogen zur Seite.
„Hinten anstellen!“, brüllen sie im Chor.

Da nehme ich mir den Käse halt selbst aus einem Regal. Doch kaum greife ich nach den eingeschweißten Scheiben, da zerbröseln sie in ihren Verpackungen. Das ist ja noch nie dagewesen. Was ist das für eine merkwürdige Ware?
„Ich glaub', ich werd' ohnmächtig'!, flüstert Vera.
„Nein, nein!“
Nach mehreren nutzlosen Versuchen, einen intakten, brauchbaren Käse zu finden, gebe ich auf.
„Es ist nicht weit bis zu mir, wir schaffen das schon!“, sage ich und versprühe Zuversicht.

Aber, o Gott, da fällt mir ein ... in meiner Wohnung sind ja die Handwerker! Sie reißen Fenster heraus und Decken herunter, klopfen Löcher in die Wände, sind noch mitten drin in der Arbeit. Bei mir sieht es aus wie auf einer Baustelle. Die ganze Einrichtung ist unter Mörtel und Schutt begraben, ausgenommen die wenigen Möbel, die ich zu ihrer Rettung mit Plastikplanen abgedeckt habe ...
Wie konnte ich das bloß vergessen?
„Hunger ... Hunger! Big Mac essen gehen“, quängeln die kleinen Rangen.
Wie soll ich mit ihnen fertig werden, wenn ich nicht einmal einen simplen Käsekauf zustande bringe.

„Mayday, Mayday“, haucht Vera jetzt und taumelt mir bewusstlos in die Arme.
Hilfe ... dieser Sache bin ich nicht gewachsen.

Gottlob, Vera atmet noch! Verwirrt hieve ich sie oben auf eine der glasbedeckten Tiefkühltruhen. Wo soll ich sie denn sonst hintun?
„Durch den Kälteschock wird sie sich schnell erholen, wenn sie aufwacht“, murmele ich zur eigenen Beruhigung.
„Na, na ... Sie wissen doch, dass das nicht stimmt“, meint ein Mann im weißen Manager-Kittel, der gerade vorbeirauscht.
Ich muss mir eingestehen: er hat Recht!

Die süßen Kleinen plärren jetzt. Ich stecke ihnen Gummibärchen in die brüllenden Mäulchen und in jede Hand ein Überraschungsei. Dann überlasse ich sie zerknirscht ihrem traurigen Schicksal. Halbwaisen mit ohnmächtiger Mutter! Und ich eine Versagerin, die hektisch, wie vom Teufel gejagt, den unbenutzten, quietschenden Einkaufswagen vor sich herstossend, durch die Supermarkt-Gänge zum Ausgang rast ...

„He, da läuft eine weg, die nicht bezahlt hat“, schreit die Kassiererin. Jetzt erst sehe ich ... die drei quirligen Vera-Söhnchen haben anscheinend Süßigkeiten gerafft, als ich nicht hinsah. Hanuta und Haribo türmen sich schachtelweise in meinem Einkaufswagen.

„Ich bin unschuldig“, versuche ich dem Hausdetektiv klar zu machen, der mich gerade festnimmt und am Handy mit der Polizei telefoniert, „ich wollte doch nur ... Käse kaufen.“
„Sie können mir viel erzählen!", sagt er.


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Copyright Irmgard Schöndorf Welch 28.06. 2004
 

Inu

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Einmal beim Einkauf


Im Supermarkt treffe ich Vera: polyerblondet, braungebrannt, Lippen frisch aufgespritzt, stramme Strumpfhosenschenkel und Minirock.
Vera.

Ihre drei Kinderchen hat sie bei sich. Man stelle sich vor: Drillinge, gerade einmal zirka zweieinhalb Jahre alt. Nie habe ich in größere, blauere Unschuldsaugen gesehen. Den dazugehörigen Ehemann gibt es auch. Er ist Co-Pilot oder sowas.

„Gerti ... du hast dich aber gar nicht verändert!“, ruft sie erregt.
„Seit ewigen Zeiten haben wir uns nicht gesehen“, sprudele ich heraus, „du bist immer noch ... sehr sexy."
„Ich bin Witwe geworden!“, stammelt Vera.
„O nein ... o nein, das tut mir ... aber ... unsagbar leid!“
Schon liegen wir einander in den Armen. Ich tätschele ratlos ihren Rücken.
„Wolfgang ist an Ohrkrebs gestorben“, sagt sie.
„Wie furchtbar, wie furchtbar. Das ist ja ..."
„Es ist alles noch viel schlimmer ... wenn du nur wüsstest...", murmelt sie, während wir mit unseren Einkaufswagen, Kinder im Schlepptau, durch die Ladengänge streifen.
„Wolfgang ist ... schwul gewesen ... ich erfuhr es nach seinem ... ich meine ... Tod. Das hat mir einen Wahnsinns-Schock versetzt."
„O NEIN! “
„Sein Geliebter widmete ihm in der FAZ einen viel beachteten Nachruf ..."
"O my God!"
Die Beerdigung und alles war sehr ... würdig. Er ist ja so plötzlich ...“
„Ja, ja ... und dabei hat er so gesund ausgesehen“, stottere ich.
„Er ist auch bis zuletzt gesund gewesen!"

„Wie hast Du das alles nur aushalten können?“
"Ich sag dir, wenn ich die Hormone ... ich meine, wenn ich die Kleinen nicht hätte.“
„Sie müssen ein großer Trost sein, drei so süße, wundervolle ... “
„O ja, sie sind mir ein großer Trost. Weißt du, ich bin hier, um ihnen ein paar Kinderüberraschungen zu kaufen, die mögen sie gern!“
„Ah, ja.“

Wir schlendern nun miteinander durch den Supermarkt, vorbei an den mit Köstlichkeiten beladenen Regalen.
Da sehe ich: Veras Gang wird auf einmal sonderbar schleppend. Sie ist kreidebleich. Schwankt.
"Mir ist so komisch", sagt sie und hält sich an einem Regal fest, das leider prompt mit seiner wunderbaren Schokoriegel-Fracht in sich zusammenstürzt.

„O je, mir wird auf einmal schwarz vor Augen!", flüstert Vera.
All die Symptome scheint sie zu entwickeln, die ich nur zu gut von meiner eigenen Person her kenne: Schwindel, Kreislaufkollaps, plötzlich ausbrechender Herzinfarkt. Oder Schlimmeres?
Vera taumelt: „Ach Gerti, könnte ich mit in deine Wohnung kommen und mich eine Weile bei dir hinlegen?"
„Aber sicher.“
Ich weiß ... so kann sie nicht nach Hause fahren, sie wohnt fünfzehn Kilometer entfernt.
„Gell, du nimmst uns mit zu Dir“, bittet sie noch eindringlicher.
"Natürlich. Ist doch klar!"
Ich stelle mir gerade vor, wie sie sich fühlt. Sie braucht dringend Hilfe!
"Nur muss ich schnell noch Käse kaufen", sage ich, "deswegen bin ich ja hergekommen!"

Eilig haste ich zur Theke.
„Bedienen Sie mich schnell“, rufe ich schon beim Hinrennen den Verkäuferinnen zu. Dies ist ein Notfall!“
Doch es klappt nicht. Immer geraten mir andere Kunden in die Quere. Die drängen sich brutal vor, kicken mich mit ihren Ellenbogen zur Seite.
„Hinten anstellen!“, brüllen sie im Chor.

Da nehme ich mir den Käse halt selbst aus einem Regal. Doch kaum greife ich nach den eingeschweißten Scheiben, da zerbröseln sie in ihren Zellophanverpackungen. Das ist ja noch nie dagewesen. Was ist das für eine merkwürdige Ware?
„Ich glaub', ich werd' ohnmächtig'!, flüstert Vera.
„Nein, nein, warte noch!“
Nach mehreren nutzlosen Versuchen, einen intakten, brauchbaren Käse zu finden, gebe ich auf.
„Es ist nicht weit bis zu mir, wir schaffen das schon!“, sage ich und versprühe Zuversicht.

Aber, o Gott, da fällt mir ein ... in meiner Wohnung sind ja die Handwerker! Sie reißen Fenster heraus und Decken herunter, klopfen Löcher in die Wände, sind noch mitten drin in der Arbeit. Bei mir sieht es aus wie auf einer Baustelle. Die ganze Einrichtung ist unter Mörtel und Schutt begraben, ausgenommen die wenigen Möbel, die ich zu ihrer Rettung mit Plastikplanen abgedeckt habe ...
Wie konnte ich das bloß vergessen?
„Hunger ... Hunger! Big Mac essen gehen“, quängeln die kleinen Rangen.
Wie soll ich mit ihnen fertig werden, wenn ich nicht einmal einen simplen Käsekauf zustande bringe.

„Mayday, Mayday“, haucht Vera jetzt und taumelt mir bewusstlos in die Arme.
Hilfe ... dieser Sache bin ich nicht gewachsen.

Gottlob, Vera atmet noch! Verwirrt hieve ich sie oben auf eine der glasbedeckten Tiefkühltruhen. Wo soll ich sie denn sonst hintun?
„Durch den Kälteschock wird sie sich schnell erholen, wenn sie aufwacht“, murmele ich zur eigenen Beruhigung.
„Na, na ... Sie wissen doch, dass das nicht stimmt“, meint ein Mann im weißen Manager-Kittel, der gerade vorbeirauscht.
Ich muss mir eingestehen: er hat Recht!

Die süßen Kleinen plärren jetzt. Ich stecke ihnen Gummibärchen in die brüllenden Mäulchen und in jede Hand ein Überraschungsei. Dann überlasse ich sie zerknirscht ihrem traurigen Schicksal. Halbwaisen mit ohnmächtiger Mutter! Und ich eine Versagerin, die hektisch, wie vom Teufel gejagt, den unbenutzten, quietschenden Einkaufswagen vor sich herstossend, durch die Supermarkt-Gänge zum Ausgang rast ...

„He, da läuft eine weg, die nicht bezahlt hat“, schreit die Kassiererin. Dabei hab ich doch noch gar nichts gekauft! Jetzt erst sehe ich ... die drei quirligen Vera-Söhnchen haben anscheinend Süßigkeiten gerafft, als ich nicht hinsah. Hanuta und Haribo türmen sich schachtelweise in meinem Einkaufswagen.

„Ich bin unschuldig“, versuche ich dem Hausdetektiv klar zu machen, der mich gerade festnimmt und per Handy mit der Polizei telefoniert, „ich wollte doch nur ... Käse ... hab' aber keinen genommen!"
„Sie können mir viel erzählen!", sagt er, "was glauben Sie, was die Leute für Geschichten erfinden, wenn man sie schnappt!"


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Copyright Irmgard Schöndorf Welch 28.06. 2004
 

Inu

Mitglied
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Einmal beim Einkauf


Im Supermarkt treffe ich Vera: polyerblondet, braungebrannt, Lippen frisch aufgespritzt, stramme Strumpfhosenschenkel und Minirock.
Vera.

Ihre drei Kinderchen hat sie bei sich. Man stelle sich vor: Drillinge, gerade einmal zirka zweieinhalb Jahre alt. Nie habe ich in größere, blauere Unschuldsaugen gesehen. Den dazugehörigen Ehemann gibt es auch. Er ist Co-Pilot oder sowas.

„Gerti ... du hast dich aber gar nicht verändert!“, ruft sie erregt.
„Seit ewigen Zeiten haben wir uns nicht gesehen“, sprudele ich heraus, „du bist immer noch ... sehr sexy."
„Ich bin Witwe geworden!“, stammelt Vera.
„O nein ... o nein, das tut mir ... aber ... unsagbar leid!“
Schon liegen wir einander in den Armen. Ich tätschele ratlos ihren Rücken.
„Wolfgang ist an Ohrkrebs gestorben“, sagt sie.
„Wie furchtbar, wie furchtbar. Das ist ja ..."
„Es ist alles noch viel schlimmer ... wenn du nur wüsstest...", murmelt sie, während wir mit unseren Einkaufswagen, Kinder im Schlepptau, durch die Ladengänge streifen.
„Wolfgang ist ... schwul gewesen ... ich erfuhr es nach seinem ... ich meine ... Tod. Das hat mir einen Wahnsinns-Schock versetzt."
„O NEIN! “
„Sein Geliebter widmete ihm in der FAZ einen viel beachteten Nachruf ..."
"O my God!"
Die Beerdigung und alles war sehr ... würdig. Er ist ja so plötzlich ...“
„Ja, ja ... und dabei hat er so gesund ausgesehen“, stottere ich.
„Er ist auch bis zuletzt gesund gewesen!"

„Wie hast Du das alles nur aushalten können?“
"Ich sag dir, wenn ich die Hormone ... ich meine, wenn ich die Kleinen nicht hätte.“
„Sie müssen ein großer Trost sein, drei so süße, wundervolle ... “
„O ja, sie sind mir ein großer Trost. Weißt du, ich bin hier, um ihnen ein paar Kinderüberraschungen zu kaufen, die mögen sie gern!“
„Ah, ja.“

Wir schlendern nun miteinander durch den Supermarkt, vorbei an den mit Köstlichkeiten beladenen Regalen.
Da sehe ich: Veras Gang wird auf einmal sonderbar schleppend. Sie ist kreidebleich. Schwankt.
"Mir ist so komisch", sagt sie und hält sich an einem Regal fest, das leider prompt mit seiner wunderbaren Schokoriegel-Fracht in sich zusammenstürzt.

„O je, mir wird auf einmal schwarz vor Augen!", flüstert Vera.
All die Symptome scheint sie zu entwickeln, die ich nur zu gut von meiner eigenen Person her kenne: Schwindel, Kreislaufkollaps, plötzlich ausbrechender Herzinfarkt. Oder Schlimmeres?
Vera taumelt: „Ach Gerti, könnte ich mit in deine Wohnung kommen und mich eine Weile bei dir hinlegen?"
„Aber sicher.“
Ich weiß ... so kann sie nicht nach Hause fahren, sie wohnt fünfzehn Kilometer entfernt.
„Gell, du nimmst uns mit zu Dir“, bittet sie noch eindringlicher.
"Natürlich. Ist doch klar!"
Ich stelle mir gerade vor, wie sie sich fühlt. Sie braucht dringend Hilfe!
"Nur muss ich rasch noch Käse kaufen", sage ich, "deswegen bin ich ja hergekommen!"

Eilig haste ich zur Theke.
„Bedienen Sie mich schnell“, rufe ich schon beim Hinrennen den Verkäuferinnen zu. Dies ist ein Notfall!“
Doch es klappt nicht. Immer geraten mir andere Kunden in die Quere. Die drängen sich brutal vor, kicken mich mit ihren Ellenbogen zur Seite.
„Hinten anstellen!“, brüllen sie im Chor.

Da nehme ich mir den Käse halt selbst aus einem Regal. Doch kaum greife ich nach den eingeschweißten Scheiben, da zerbröseln sie in ihren Zellophanpackungen. Das ist ja noch nie dagewesen. Was für eine merkwürdige Ware!

„Ich glaub', ich werd' ohnmächtig'!, flüstert Vera.
„Nein, nein, warte noch!“

Nach mehreren nutzlosen Versuchen, einen intakten, brauchbaren Käse zu finden, gebe ich auf.
„Es ist nicht weit bis zu mir, wir schaffen das schon!“, sage ich und versprühe Zuversicht.

Aber, o Gott, da fällt mir ein ... in meiner Wohnung sind ja die Handwerker! Sie reißen Fenster heraus und Decken herunter, klopfen Löcher in die Wände, sind noch mitten drin in der Arbeit. Bei mir sieht es aus wie auf einer Baustelle. Die ganze Einrichtung ist unter Mörtel und Schutt begraben, ausgenommen die wenigen Möbel, die ich zu ihrer Rettung mit Plastikplanen abgedeckt habe ...
Wie konnte ich das bloß vergessen?
„Hunger ... Hunger! Big Mac essen gehen“, quängeln die kleinen Rangen.
Wie soll ich mit ihnen fertig werden, wenn ich nicht einmal einen simplen Käsekauf zustande bringe!

„Mayday, Mayday“, haucht Vera jetzt und taumelt mir bewusstlos in die Arme.
Hilfe ... dieser Sache bin ich nicht gewachsen.

Gottlob, Vera atmet noch! Verwirrt hieve ich sie oben auf eine der glasbedeckten Tiefkühltruhen. Wo soll ich sie denn sonst hin tun?
„Durch den Kälteschock wird sie sich schnell erholen, wenn sie aufwacht“, murmele ich zur eigenen Beruhigung.
„Na, na ... Sie wissen doch, dass das nicht stimmt“, meint ein Mann im weißen Manager-Kittel, der gerade vorbeirauscht.
Ich muss mir eingestehen: er hat Recht!

Die süßen Kleinen plärren jetzt. Ich stecke ihnen Gummibärchen in die brüllenden Mäulchen und in jede Hand ein Überraschungsei. Dann überlasse ich sie zerknirscht ihrem traurigen Schicksal. Halbwaisen mit ohnmächtiger Mutter! Und ich eine Versagerin, die hektisch, wie vom Teufel gejagt, den unbenutzten, quietschenden Einkaufswagen vor sich herstossend, durch die Supermarkt-Gänge zum Ausgang rast ...

„He, da läuft eine weg, die nicht bezahlt hat“, schreit die Kassiererin. Dabei hab ich doch noch gar nichts gekauft! Jetzt erst sehe ich ... die drei quirligen Vera-Söhnchen haben anscheinend Süßigkeiten gerafft, als ich nicht hinsah. Hanuta und Haribo türmen sich schachtelweise in meinem Einkaufswagen.

„Ich bin unschuldig“, versuche ich dem Hausdetektiv klar zu machen, der mich gerade festnimmt und per Handy mit der Polizei telefoniert, „ich wollte doch nur ... Käse ... hab' aber keinen genommen!"
„Sie können mir viel erzählen!", sagt er, "was glauben Sie, was die Leute für Geschichten erfinden, wenn man sie schnappt!"


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Copyright Irmgard Schöndorf Welch 28.06. 2004
 



 
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