Einsilbigkeiten (Dankorchester, diffus gediehen)

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sufnus

Mitglied
Einsilbigkeiten (Dankorchester, diffus gediehen)

Oh, Einsilbigkeit, die Frucht des reifen Gedankens!
Denk nur, Ego, dann bekeif, sistiere, sei Hilfgedicht,
höre bis in die Furcht: Kein Gedanken-LSD ist feige!
Die Liebste sucht die Gnadenkerne? Oh sinke riffig,
Siri-Kid, in fahle, geistöd-gefurchte Sinnbedenke.
Siegfragen: Kein bildtiefes Ehr-Suchen, Denkidiot,
denn Ehre ist Fluch: "Kind, bade keine Rose, sei giftig!",
Ach Kunde, greif es: Freisein, Iltis-behend, endkotig,
da in Senkbleirichtung der Ethik offne Essigidee
sich grindiger Leidkünste bedient. Seh Kino, Affe.
Du infinites Feierbiest, danksegne, Gekicher hold!
Kehlen frei! Ins Duettige bis dreifach singende K.O.
Fehlt dabei nicht eisig-riesig: Fokus, Denken, Reden?
Oh, Einsilbigkeit, die Frucht des reifen Gedankens!
 

mondnein

Mitglied
Ich suche, lieber sufnus,
die eine Silbe des Einsilbigen.

Siri-Kid, in fahle, geistöd-gefurchte Sinnbedenke.
Siegfragen: Kein bildtiefes Ehr-Suchen, Denkidiot,
sieben wortkarge Angebote. aber vielleicht geht das als loses Nacheinander der Einsilber, oder durcheinander, eine wilde Folge von einsilbigen Wörtern.
Fokus, Denken, Reden?
die sind zweisilbig. "Fock den Red."? wie abgerissene Hosenbeine, unter Umständen sexistisch oder Seemannssprache. Sollten nicht fehlen, die drei Sinn-Kern-Silben, und sind drei unernst versehrte Helden. Oder
Fehlt dabei nicht eisig-riesig: Fokus, Denken, Reden?
Das Eis wird gebrochen mit fünf Zweisilbern. Sind auch 10 Silben, wie die oben.
Der Fokus, das Denken, das Reden.

frei improvisiert, grusz,
hansz
 

sufnus

Mitglied
Hey Hansz!
Eine wirklich schöne Improvisation!
"Fock den Red" ist ein äußerst vielversprechender Kristallisationskeim für ein ganz eigenes (in jeder positiven Bedeutung) Gedicht. Da wäre ich sehr gespannt, wie sich das "im Ganzen" ausnehmen könnte. :)
Soll ich ansonsten noch was Interpretatorisches zum Ausgangssprachgebilde beisteueren oder lassen wir es in sibyllinischer Silbigkeit dabei bewenden? ;)
LG!
S.
 

kakadu

Mitglied
Soll ich ansonsten noch was Interpretatorisches zum Ausgangssprachgebilde beisteueren oder lassen wir es in sibyllinischer Silbigkeit dabei bewenden? ;)
Hi Sufnus,

Hansz braucht vielleicht keine zusätzlichen Informationen, aber ich stehe hier wirklich auf dem Schlauch und wäre dir dankbar!

LG Claudi
 

sufnus

Mitglied
Hey Claudi!

Hi Sufnus,

Hansz braucht vielleicht keine zusätzlichen Informationen, aber ich stehe hier wirklich auf dem Schlauch und wäre dir dankbar!

LG Claudi
Ich versuchs mal.... ;)

... offensichtlich ist der Text - entgegen der Anmoderation im Titel nicht besonders einsilbig. Das Dankorchester (was ist das?) im erweiterten Titel passt immerhin zu der - etwas unübersichtlich wirkenden - Polyphonie, welche den Text durchwabert. Man könnte sich hier vielleicht die Phase vor Beginn eines sinfonischen Stücks vorstellen, in der die Musiker ihre Instrumente stimmen und ein entsprechend wirres Klingklangdurcheinander anhebt.
Aber warum nur dieses eigenartigen Neologismen und schrägen Formulierungen? Nun... sie sind der puren Not des Autors entsprungen und Schuld ist das formale Programm des Textes.

Es handelt sich um ein Anagrammgedicht, will heißen, dass in jeder Zeile immer nur die selben Buchstaben Verwendung finden (wohingegen Satzzeichen wie Kommata, Fragezeichen, Doppelpunkte etc. beliebgig gesetzt werden dürfen). Für die Umlautbuchstaben ä, ö und ü gilt, dass diese sich aus einem ae, oe bzw. ue zusammengesetzt denken lassen, d. h. in der Zeile, die mit "höre bis in die Furcht" beginnt, findet sich ein "e" und ein "o" weniger als in Zeilen ohne Umlaut, weil die beiden zu einem "ö" verschmolzen wurden.

Unter den deutschsprachigen Anagrammdichter*innen düfte Unica Zürn wohl als die wichtigste Stimme anzusehen sein. Ihre Anagramme sind nicht immer völlig fehlerfrei, aber von großer poetischer Kraft. Sehr schöne Anagramme wurden auch von Jan Wagner in seinem Band "Die Eulenhasser in den Hallenhäusern" vorgestellt; in diesem Büchlein fungiert Jan Wagner als Herausgeber der Gedichte dreier seltsamer Kollegen, von denen eigenartigerweise noch nie zuvor jemand etwas gehört hat ;) - einer dieser drei "Vergessenen", ein ausgepichter Anagrammdichter, hört auf den schönen Namen Theodor Vischhaupt. Schließlich wäre in diesem Dichtungsfeld noch Titus Meyer zu nennen, vielleicht der eleganteste unter allen Autor*innen, die sich in diesem Bereich tummeln. Von letztgenannten gibt es nebenbefundlich übrigens auch einen Palindromroman - was beweist, dass dieser Autor eindeutig total verrückt ist. Im besten aller Sinne. Aber das nur nebenbei.

Mein eigener Anagrammversuch darf sich mit den vorgenannten Stimmen selbstredend nicht messen - aber Spaß gemacht hat es schon. Besonders Einsilbig gings dabei nicht zu - das können gutwillige Leser vielleicht als augenzwinkernde Auto(r)verhohnepipelung einer gewissen Neigung zu wortreichen Ausführungen lesen. ;)

LG!
S.
 

sufnus

Mitglied
Hey Claudi!
Von begrenzter Auffassungsgabe kann ja nun wirklich nicht die Rede sein! :) Anagrammgedichte sind auch nicht so leicht auf den ersten Blick zu erkennen. Eine gewisse Tendenz von Texten zu etwas eigenartigen Neologismen und insbesondere auch zu eigenartigen Schreibweisen bekannter Wörter kann ein gewisser Hinweis sein. Auch werden bestimmte Silben, aus denen sich viele unterschiedliche Wörter bauen lassen ganz gerne wiederholt eingesetzt. Aber am Ende muss man Buchstaben zählen, um das formale Programm zu enttarnen. Übrigens bin ich gespannt, ob obig mal jemand einen Fehler findet - denn es ist gar nicht so einfach, da den Überblick zu behalten (außer natürlich man behilft sich mit der Nutzung moderner Technik - die Zeit, in der Anagrammdichter mit analogen Buchstabentäfelchen (Scrabble-Steine eignen sich hier gut!) beholfen haben, ist eher passé.
LG!
S.
 

kakadu

Mitglied
Super! Jetzt habe ich auch erkannt, warum schon der Titel so geheimnisvoll klingt. Jetzt liest sich der Text auch gleich viel witziger! Ich habe selbst mal ein bisschen mit dem Fundus rumprobiert und staune, wie viele Verse du daraus machen konntest. Alle Achtung! Ich mag solche Spielereien sehr gerne und du hast mich damit voll angefixt. Danke für diesen tollen Spaß!

Dankee! I like this Ding!
(So gebe ich dir fuenf Sterne). :D

LG Claudi
 
Zuletzt bearbeitet:

sufnus

Mitglied
Hey Claudi!
Das freut mich aber! Vielen Dank!
Die "Eulenhasser in den Hallenhäusern" von Jan Wagner wäre dann womöglich wirklich eine Empfehlung! :) Die in diesem Band enthaltenen Anagrammgedichte von "Vischhaupt" sind wirklich zum Schießen (und ergeben *teilweise* sogar ein bisschen "Sinn"... und dann gibts von einem gleichfalls gänzlich apokryphen Poeten namens Miller auch sehr schöne Elegien in diesem Band. :)
LG!
S.
 

kakadu

Mitglied
Die "Eulenhasser in den Hallenhäusern" von Jan Wagner wäre dann womöglich wirklich eine Empfehlung! :)
Ja, ich habe das Buch schon sehr lange auf meiner Wunschliste und hatte immer auf eine E-Ausgabe gehofft. Aber ich fürchte, das wird nichts mehr.

Irgendwie habe ich das Gefühl, man sollte sich beim Anagrammgedicht gar nicht zu sehr um "normale" Sprache bemühen und erst recht nicht versuchen, etwas Bestimmtes auszudrücken. Meinen mühevoll zusammengeschusterten Satz in Klammern, mit dem ich angefangen hatte, finde ich stinklangweilig, während das Ergebnis aus dem verbleibenden Rest schon lustiger ist.
 

sufnus

Mitglied
Ouuh... da war ich jetzt aber wirklich schwer von Begriff - zu meiner Verteidigung: Beim Unterwegssein ist ein Handydisplay (zumindest bei mir) nicht wirklich förderlich für ein genaueres Lesen...
... jetzt hab aber sogar ich Dein schönes Anagramm rekognosziert (und natürlich ausgiebig überprüft und ohne Fehl und Tadel gefunden) :)
Da freu ich mich gleich mindestens doppelt, wenn ich Dich angesteckt haben sollte. :)
Wie ebenfalls schon angedeutet: Die Queen of Anagram (jedenfalls in deutscher Sprache) ist wunderbare Unica Zürn, die man leider nur noch auf Père Lachaise besuchen kann und deren Werke nicht mehr ganz so leicht aufzutreiben sind - es lohnt sich aber, ggf. antiquarisch. Es gibt eine Gesamtausgabe ihrer Werke (einschließlich Prosa und glaube ich auch ihrer darstellenden Kunst), da kostet der Band mit den Anagrammen neu so um die 26-30 EUR, wenn ich das richtig sehe. Antiquarische Ausgaben in sehr akzeptabler Qualität gibts sicher deutlich billiger.
LG!
S.
 

mondnein

Mitglied
Anagrammgedichte sind auch nicht so leicht auf den ersten Blick zu erkennen.
Ich habs auch nicht auf den ersten Blick erkannt, lieber Sufnus.

Ich hätte es daran bemerken müssen, daß die Zeilen so "gleichlang" sind.
Ich kannte es aus Jan Wagners (Theodor Vischhaupts) "Eulenhasser(n) in den Hallenhäusern". Mein Lieblingsgedichtband.

Dann ist es natürlich eine "Strenge Form" in der Lyrik, die mit Abstand strengste überhaupt. Nun ja: man legt sich die Buchstaben zurecht und braucht die gleiche Sammlung mehrfach auf, spielerisch.

Und: der "Palindromroman" -
mit Symmetrieachse in der Mitte, und bis dahin alles sinnvoll rückwärts? Das ist noch strenger, wenn auch nicht Lyrik. Oder vielleicht doch, als Großgedicht.

grusz, hansz
 

sufnus

Mitglied
Und: der "Palindromroman" -
mit Symmetrieachse in der Mitte, und bis dahin alles sinnvoll rückwärts? Das ist noch strenger, wenn auch nicht Lyrik. Oder vielleicht doch, als Großgedicht.
Ja... ich würde das 60-seitige Palindrom von Titus Meyer mit dem - wie es sich gehört palindromatischen Titel "Andere DNA" auch als Langgedicht werten - naturgemäß ergibt sich bei so einer harschen Formvorgabe kein auf üblicher "Verständlichkeit" fußender narrativer Fluss, der Text hat eher etwas hypnotisch-meditatives - wenn man sich darauf einlässt. :)
Nun bin ich ja deshalb so Lyrik-fixiert, weil ich kurze und kürzeste Texte besonders schätze (Lesefaulheit? ;) ) - insofern sind mir die kürzeren Formen von Titus Meyer (bei aller Bewunderung für sein Langpalindrom) noch etwas näher. Sein Palindromgedicht "Wolf" (im Signaturen-Magazin, Link: Signaturen , neben ein paar anderen Sprachakrobatiken zu finden) mag ich z. B. sehr. :)
LG!
S.
 

Franke

Foren-Redakteur
Teammitglied
Hallo sufnus,

das ist spannend, muss ich unbedingt auch mal probieren.

Liebe Grüße
Manfred
 

sufnus

Mitglied
Hey Manfred!
Vielen Dank für Deinen Kommentar! Freut mich sehr, wenn mein Versuch zum Auch-mal-Ausprobieren reizt! :) Solche Formspiele machen mir jedenfalls immer ungeheuer viel Spaß! :) Und was speziell das Anagrammgedicht angeht: Das ist auch eine tolle Übung, um einmal auf neue Formulierungen oder schicke Neologismen zu kommen. Wenn mir grad nix so richtig einfällt, spiele ich gerne ein bisschen auf der Anagrammregistratur und selbst, wenn dabei dann nix Fertiges rauskommt, nehm ich eigentlich immer ein paar brauchbare Lyrikpuzzlebausteinchen zur Wiedervorlage mit. :)
LG!
S.
 

sufnus

Mitglied
Hey!
Noch ein Nachtrag: Ich hab heute mal ChatGPT gebeten aus einem vorgegebenen Satz ein sechszeiliges Anagrammgedicht zu verfassen. Sicherheitshalber habe ich Chattie auch noch erklärt, was ich damit meine und den Arbeitsauftrag sehr genau erläutert.
Leider ist sie an dieser Aufgabe weitgehend gescheitert (was mich in dem Ausmaß etwas überrascht hat). Erst einmal hat sie sich als wenig kreativ beim Anagrammieren erwiesen und keine sehr tiefgreifenden Buchstabenumsortierungen vorgenommen und zweitens waren von den sechs Zeilen fünf fehlerhaft, da einzelne Buchstaben fehlten oder zu oft benutzt wurden. Als ich sie bat, Ihr Werk zu überprüfen fiel interessanterweise auch ihre Überprüfung fehlerhaft aus - der Großteil der Bockschüsse wurde nicht erkannt und drei Zeilen wurde fehlerfreiheit attestiert, obwohl schon ein Anagrammanfänger rasch erkannt hätte, dass das wohl nicht so ganz stimmen kann.
LG!
S.
 

kakadu

Mitglied
Leider ist sie an dieser Aufgabe weitgehend gescheitert (was mich in dem Ausmaß etwas überrascht hat).
Hi Sufnus,

ja, das überrascht mich auch. Andererseits finde ich es auch beruhigend, dass sie nicht stundenlanges Fummeln von Menschenhand in Sekundenschnelle ersetzen kann. Ich sitze gerade an einem Versuch und lach mich kaputt. Fragt sich nur, ob ich es morgen auch noch lustig finde.

LG Claudi
 



 
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