Eisberg

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Sir Mef

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Am Ende des Weges



Mir ist nicht mehr geblieben. Nur noch die Erinnerung - nicht einmal mehr das.
Hab versucht ihre Augen in mir zu halten.
Habe versagt.
Versucht ihr Lächeln mit mir durchs Leben zu nehmen und bin gescheitert.
Erinnere mich an die Zeit, in der sie mir das Leben auf eine Art verzaubert hatte, die ich bis heute noch nicht gekannt hatte.
Sehnte mich zurück zu ihren zarten Armen, die mich jedes Mal wieder aufzufangen bereit waren, wenn ich zu stürzen drohte.
Zurück auf ihren Weg, der sie durchs Leben geführt hatte.
Der plötzlich an einer Brücke endete, die nicht über den Abgrund führte und nur noch wie ein endendes Nichts vor mir aufragte.
Das Ende der Straße.
Das Ende eines Weges, den wir lange zu zweit gegangen waren.
An dem ich mich bei jedem Stein an ihre Anwesenheit erinnere.
Und ich folge diesem Weg zurück.
Versuche nicht stehen zu bleiben.
Zurück zu dem Punkt, an dem ich meinen Weg verlassen habe.
An dem Punkt, an dem ich mich ihr angeschlossen habe.
Vergeblich hatte sie versucht mich daran zu hindern.
Vergeblich hatte sie versucht ihre Liebe zu verbergen.
Vergeblich hatte sie versucht mir klar zu machen, daß dieser Weg ein Ende haben sollte.
Doch meine Liebe hatte sie nicht gehört, wollte sie nicht hören.
Hatte sich gegen sie gestellt und ihre Sehnsucht geschürt, bis ihr tiefes Verlangen nicht mehr zurück zu halten war.
Und lachend sind wir weitergezogen.
Haben versucht die Kreuzung unserer Wege zu vergessen, doch nie konnten wir diesen Tag einfach verstreichen lassen.
Und ich habe gelernt sie zu verstehen. Habe erkannt, was hinter der Maske stand, die ihren Weg für andere Menschen unzugänglich machte.




Ich lernte ihre Geheimnisse, ihre Wünsche kennen und liebte sie dafür, wie offen sie zu mir war.
Und wir erreichten den Baum. Den einzigen der ihren Weg zu säumen schien.
Der Baum an dem ich ihr letztes Geheimnis erfuhr.
Lange habe ich an diesem Baum neben ihr gesessen, ihre zittrige Hand gehalten, während sie den Fieberträumen näher war, als mir.
Habe um sie geweint und versucht den Zufall zu verstehen.
Habe versucht zu verstehen, daß ausgerechnet sie, diejenige sein sollte.
Diejenige unter Tausenden, die diese Krankheit heimsuchen sollte.
Und mein Blick fiel gegen Süden.
Langsam erhob ich mich.
Hob sie zärtlich auf meine Arme und ging einfach los, über den Weg, der schon lange nicht mehr mein Weg war.
Auf dem Weg der von ihrer Krankheit und ihren Schmerzen zu erzählen wußte und trug sie immer weiter.
Immer weiter gegen die Sonne.
Ihren Weg entlang.
Als wir die Brücke erreichten und ich mich vor Erschöpfung an den Wegrand fallen ließ, öffnete sie ihre gebrochenen Augen, sah mich an und begann zu weinen.
In ihren Tränen sah ich ihren Schmerz jetzt von mir gehen zu müssen.
Ihren Schmerz mir diese Qual antun zu müssen.
Wie gerne hätte ich ihr in diesem Moment das Leid aus ihrem Gesicht gestreichelt, doch ich wußte, daß ich es nicht mehr konnte.
Und so lange sie ihre Augen auf dem Weg, den ich sie getragen hatte geschlossen hielt, so kurz öffnete sie sie für den kleinen Moment, um mich um Verzeihung zu bitten, bevor sie sie für immer schlissen würde.
Erst als der Wind das kleine Holzkreuz aus dem Boden riß und es weit über den Abgrund hinter der Brücke trug, erhob ich mich.

Mir ist nicht mehr viel geblieben. Nur noch die Erinnerung nicht einmal mehr das.




Hab versucht ihre Augen in mir zu halten.
Habe versagt.
Versucht ihr Lächeln mit mir durchs Leben zu nehmen und bin gescheitert.
Erinnere mich an die Zeit, in der sie mir das Leben auf eine Art verzaubert hatte, die ich bis heute noch nicht gekannt hatte.
Sehnte mich zurück zu ihren zarten Armen, die mich jedes mal wieder aufzufangen bereit waren, wenn ich zu stürzen drohte.
Zurück auf ihren Weg, der sie durchs Leben geführt hatte.
Der plötzlich an einer Brücke endete, die nicht über den Abgrund führte und nur noch wie ein endendes Nichts vor mir aufragte.
Ich habe lange gebraucht, um die Brücke zu reparieren, doch jetzt kann ich den Abgrund überschreiten und ihren Weg fortführen.
Und ich werde erfahren, was ihr das Leben noch gebracht hätte.
 

Sir Mef

Mitglied
Eisberg



Ihre Hände zitterten.
Kalt schnitt der Wind ihr durchs Gesicht, versuchte ihr die Haut in kleinen Streifen herunter zu schneiden.
Ganz alleine auf ihrer winzigen Scholle, versteckt hinter hohen Bergen, die schon bei dem ersten Sonnenstrahl zu schmelzen drohen, sträubt sie sich, ihre schützenden Position zu verlassen.
Kaltes Eis um sie herum genau so wie ihr Herz, das immer kälter zu werden scheint.
Der erste Schnee beginnt sich über der weiten, weißen Fläche zu verteilen, schon nicht mal mehr ein schöner Anblick, nur die Gewohnheit.
Immer mehr Schnee und Eis um sich herum aufzubauen, bis man den eigenen Körper schon nicht mehr sieht.
Weit entfernt, irgendwo am Horizont sehe ich den schwachen Punkt, der sich müde hin und her bewegt, weil ihm die Kälte genau so zu schaffe macht, wie ihren zarten Fingern, blau angelaufen. Die Lippen nur noch ein dünner Strich in einem weißen Gesicht, verzerrt vor Kälte und der ständigen Angst.
Und ich sehe, wie beide ihre Hände wieder beschwörend nach oben richten, die Kälte verdoppeln und noch mehr Schnee zu Eis erstarren lassen.

Immer mit der Angst, vielleicht der Erste zu sein, der aufgibt, seine schützende Burg verläßt und Gefahr droht von der Welt da draußen und dem Gegenüber überrollt zu werden.
Immer mit der Angst, vielleicht der Erste zu sein, der auf den Anderen zu geht und ihm die helfende Hand reicht.
Jeder in seiner Burg gefangen zwischen Eis und Schnee, glaubt jeder in seinem Traum der Größte zu sein.
Glaubt jeder von dem Gegenüber etwas erwarten zu können, ohne zu wissen, daß man selber den Schnee vereist hat und die Berge immer höher türmt.
Angst der verlierende Gewinner zu sein.





Langsam greife ich nach dem Beil, ziehe es aus meinem Mantel hervor und blicke trüb nach Osten, wo die Sonne langsam aufgeht.
Und auch wenn mir der leuchtende Feuerball am Horizont, so warm erscheint, wie er es eigentlich auch sein sollte, sprüht er Eis über die weiße Fläche.
Das Beil schwingt wenige Male über meinem Kopf und verschwindet dann in der meterdicken Eisschicht.
Nicht mal ein Riß entstand, nachdem ich alle meine Kräfte aufbringen mußte, um das Beil wieder heraus zu ziehen.
Doch die Hoffnung ist kein schneller Gast, sie weilt in Ruhe.
Ich kann die Stunden nicht mehr zählen, glaube die Sonne schon ein zweites mal aufgehen zu sehen, doch beschwören könnte ich es nicht.
Der Schweiß auf meiner Stirn erhält nicht mehr die Möglichkeit zu erkalten, die Blasen an meinen Händen, bekommen nicht die Ruhe um zu heilen.
Doch etwas in mir, treibt mich schneller, als ich eigentlich noch könnte.
Meter für Meter.
Stunden um Stunden, die Jahre zu dauern scheinen.
Zeit, die ich eigentlich nicht habe.
Zeit, die ich dennoch gerne aufbringe.
Und so entsteht ein breiter Graben, durch den die ersten grünen Pflanzen sprießen.
Und die wieder neu aufgehende Sonne gibt ihnen Kraft, gibt mir Kraft.
Schon längst ist mein Mantel irgendwo zwischen Eis und aufgebrochenem Grün auf der Strecke geblieben.
Schon längst ist das Blut an meinen Händen nicht mehr frisch.
Doch den Blick nach Norden gerichtet, erkenne ich immer noch nur einen schwarzen Punkt, der zu erreichen unmöglich erscheint.
Und den Blick nach Süden, auch nur ein schwarzer Punkt.
Und ich glaube zu wissen, daß auch jede Hoffnung einmal schwinden muß.
Irgendwann, wenn die Kraft einen verläßt.
Müde lasse ich mich zu Boden sinken, vergrabe mein Beil





irgendwo in dem immer noch fallenden Schnee und schließe die Augen.
Noch bevor ich sie wieder öffne, höre ich sehr weit entfernt das tiefe donnern und spüre den Boden zittern.
Sehen irgendwo im Norden einen schwarzen Punkt, der sich aufgerafft hat und beginnt das Eis vor seinen Füßen zu zerschlagen.
Noch bevor das Eis ganz verschwunden war, und der weiße Berg vor mir immer noch die Sonne verfinstert, sehe ich die schwarzen Punkte aus dem Norden und dem Süden zusammen laufen.
Sehe, wie sie sich in der Mitte treffen, zögerlich in die Arme schließen und eine Träne sacht den Boden berührt ohne zu Eis zu erstarren.
Noch bevor die beiden Arm in Arm gingen, stand die Sonne über den Bergen.
Und sie wärmte meinen erfrorenen Körper, der müde nach dem Beil griff und das letzte Eis zerschlug, um es in Vergessenheit geraten zu lassen.
 



 
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