Eistee

Wie ein eindrucksschindender Eistee zuzubereiten ist, weiß ich inzwischen.
Das große Geheimnis beim Eisteekochen will ich auch gleich zu Beginn rausposaunen und will euch gar nicht erst lang auf die Folter spannen:
Wichtig ist der Krautstängel, den man reinwirft.
So sieht man das ja auch in den überteuerten In-Lokalen, wo die homemade Drinks kaum noch ohne dekoratives Minzblatt daherkommen, eventuell noch zusätzlich aufgepeppt mit ein paar im Saft dümpelnden Him- oder Heidelbeeren.
Ich sage euch, unter uns: Das mit den Beeren muss gar nicht sein. Beeren gehen ins Geld, sind schon mächtig teuer und müssen immer wieder neu nachgekauft werden.
Hingegen die beiden Kräutertöpfchen, die ich auf meinem Fensterbrett halte, haben sich gut rentiert. Haben in der Anschaffung je knapp zwei Euro gekostet und wachsen nun schon seit Monaten beständig nach. Immer grad so viel, wie ich abschneide, wenn ich zwei- dreimal in der Woche Eistee zubereite. Immer nur ein Ästchen braucht es, das geht sich gut aus. Ist nicht so wie mit dem Oregano oder dem Schnittlauch, wo man für die Tomatensoße und für den Kräuterdip abschneiden ernten muss. Da ist dann schnell abgeerntet im Pflanzentopf und wächst auch nicht so geschwind wieder nach. Im wirklichen Leben ist das ja nicht wie bei den Fernsehköchen, wo wie durch Zauberhand jedes Mal wieder ein voller, ungerupfter Topf dasteht.
Jedenfalls, das Kraut ist wichtig.
Für Eistee eigenen sich am besten die folgenden Kräuter: Minze, Melisse, Zitronenverbene. Das sind meine Favoriten. Auch Basilikum soll passen, zumindest zu einem geeisten Erdbeertee, wie ich kürzlich lesen durfte, aber dieses Rezept habe ich noch nicht ausprobiert.
Basilikum habe ich auch gar nicht in Reserve. Auf meinem Fensterbrett habe ich nur begrenzt Platz und so wachsen hier aktuell auch bloß zwei Sorten: Pfefferminze und Zitronenverbene.
Einigermaßen stolz bin ich, dass ich die Kräuter in meiner Küche jetzt schon den ganzen Sommer über nicht umgebracht habe.
Ich kann euch sagen, diese Pflanzen schlucken ordentlich viel Wasser. Zweimal täglich, jeweils beim Hinaufziehen und Herunterlassen des Rollos, möchten sie gegossen werden, das funktioniert bislang gut mit uns.

Eine weitere wichtige Zutat für guten Eistee ist frischgepresster Zitronensaft.
Seit ich Eisteeköchin bin, achte ich darauf, stets Zitronen im Haus zu haben. Die sind zwar auch nicht ganz billig, aber in Summe auch wieder nicht so teuer wie diese winzigen Schälchen mit einer Handvoll Beeren drin.
Den Zitronensaft streiche ich durch ein Sieb in den Tee, damit dieser klar bleibt.
Fein, wie die Zitronensäure die Flüssigkeit aufhellt.

Als Gegengewicht ein bisschen Süße muss sein, dabei bleibe ich.
Die Gesundheitsapostel werden an dieser Stelle gewiss aufmucken, aber mein Gaumen und ich, wir pfeifen drauf. Wir wissen, dass uns was fehlen würde, würden wir auf die Süße gänzlich verzichten.
Neben dem herkömmlichen weißen Kristall- habe ich auch längst den braunen Rohrzucker entdeckt und natürlich auch Honig darf in meinen Eistee hinein.
Die Süße und die Säure auszubalancieren ist in der Eisteeküche die eigentliche Kunst.

Nicht ganz unwesentlich auch: Die Teesorten.
Neben dem klassischen schwarzen Tee bereite ich gerne einen Brennnesseltee zu oder diese übliche, kaufbare Kräutermischung.
Fruchtige Tees bevorzuge ich sortenrein, also Kirsche, Apfel, Erdbeere… die ich nur im Ausnahmefall miteinander kombiniere.
Die meisten Sorten kann man günstig erwerben, es muss kein Marken- oder Feinkostprodukt oder aus dem Bio-Laden sein.
Meinen Liebling, den Marillentee, hat der bekannte Konzern mit dem Teekannen-Logo leider aus dem Sortiment genommen. Marillentee ist seitdem nicht mehr zu kriegen. Das ist schade, der hatte schon was für sich, besonders in Kombination mit einer karamellig braunen Zuckernote.
Pfirsich ist da vielleicht ein mäßiger Ersatz – aber wiederum empfehlenswert, wenn man Pfirsich-Eistee mag. Pfirsich ist ja eine gängige Geschmacksrichtung beim Eistee.
Kann man auch solcherart zubereiten, dass man die Pfirsiche kleingeschnitten zu Tode kocht, Schwarzteebeutel in den Sud hängt, die Flüssigkeit abseiht und die Fruchtpampe wegschmeißt – aber das ist Verschwendung, finde ich und schmeckt auch nicht viel besser als die Teebeutel mit aufgedrucktem Pfirsich, die vielfach angeboten werden.

Meinen Eistee fülle ich in Glasflaschen mit schwarzem Drehverschluss, in denen früher mal Orangensaft drin gewesen ist. Das Etikett von der Orangensaftfirma habe ich abgekratzt, jetzt sehen die Buddeln ganz schmuck aus. Mit Tafelkreide schreibe ich die jeweiligen Sorten obendrauf auf den schwarzen Deckel.
Eine Flasche fasst etwa einen dreiviertel Liter. Meist bereite ich drei Einheiten auf einmal zu, das reicht für mehrere Tage.
Umgerührt wird mit einem Essstäbchen vom Chinesen. Dieses hat die perfekte Länge, um bis an den Flaschenboden zu gelangen und den Zucker aufzulösen.
Brauner Zucker ist grobkörniger und löst sich langsamer auf.
Den Zucker fülle ich vorab in ein Milchkännchen und kann ihn auf diese Weise gut in die Flaschenöffnung einrieseln lassen. Für die fruchtigen Tees braucht es meist weniger Zucker, die bringen oft ihre eigene Süße mit.
Vor der Zuckerung und der Zitronensafttaufe werden natürlich erst noch die Teebeutel nach entsprechender Ziehzeit rausgefummelt.

Das lernt man alles mit der Zeit.
Bevor ich die Eisteeflasche verschließe, kommt schlussendlich noch der sehr wichtige Kräuterzweig hinein.
Nach Belieben kann man lustig variieren: Kirschtee mit weißem Zucker und Zitronenverbene, Brennnessel mit braunem Zucker und einem Minzblatt oder Apfel-Pfirsich kombiniert usw.
Dann wird gewartet, bis die Flasche abgekühlt ist und in den Kühlschrank wandern darf. Erneut warten, bis auch der Kühlapparat seine Aufgabe erfüllt hat und der Eistee seinem Namen endlich Ehre macht.
Beim Eisteekochen braucht es Geduld und eine strategische Vorratshaltung.
Nach dem Öffnen der Flasche fische ich zuerst das matschig gewordene Kraut mit einem Löffel heraus. Seinen Geschmack hat es brav abgegeben und wird nicht länger benötigt.
Nochmal verschließen und gut schütteln, das macht eine schöne Schaumkrone obenauf.
Wer jetzt noch einen frischen Krautstengel ins servierte Glas reinwerfen möchte, möge das tun; geschmacklich macht das aber kaum einen Unterschied und ist doch nur Show.
Über klirrende Eiswürfel gegossen und mit einem Strohhalm getrunken schmeckt mein Eistee immer noch am besten.
 
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Klaus K.

Mitglied
Dichter Erdling,

ganz vorsichtig formuliert wird es in dieser Rubrik der "leselupe" immer ausufernder, dein Text spricht dazu - genau wie eine Reihe ähnlicher Vorgänger - Bände. Wir sprechen aber hier von "Short Stories", und eine "Gebrauchsanleitung" findet sich unten auf der Seite.
Wir sprechen aber nicht von Koch- oder Getränkerezepturen, die bestenfalls noch unter "Humor und Satire" einzuordnen wären (da werden inzwischen sogar lahme Witze abgearbeitet, sic transit gloria mundi).-

Die Erwartungshaltung an eine "Kurzgeschichte" ist daher eine ganz andere. Man kann das Genre auch nicht mit "moderner Breitbandigkeit" oder ähnlichem Nonsens schönreden, denn es ist literarisch sauber definiert und klar abgegrenzt.
Daher sehr enttäuscht, aber

mit bestem Gruß, Klaus
 

DocSchneider

Foren-Redakteur
Teammitglied
Klaus hat leider vollkommen recht, Kochrezepte im weitesten Sinne gehören hier nicht hin.
Ich verschiebe den Text mal zu Humor und Satire, da ich mich leicht auf den Arm genommen fühle. :)

Gruß DS
 
Erst wollte ich das Eistee-Thema in den Handlungsrahmen einer „klassischen“ Kurzgeschichte einbauen, dann schmeckte mir der Eistee „pur“ aber besser.
Ich wollte ihn auch unter „Kurzprosa“ einstellen, nur geriet mir der Text dafür zu lang.

Die Eistee-Geschichte kann schon auch als Zeitdokument gelesen werden. Viele Menschen können sich den Gasthausbesuch heute nicht mehr leisten und sind gut beraten, sich den Eistee selbst zu brühen. Ohne Beeren, die sind oft schon Luxusprodukt.
Mir selbst und vielen Bekannten geht es teilweise schon so, auch davon wollte ich erzählen.
Von etwas, das uns derzeit – trotz allem - Freude bereitet.

Aber natürlich NICHT wollte ich jemanden auf den Arm nehmen!

Ich wollte etwas aufschreiben, das mir jetzt schon länger im Kopf rumgeht. Etwas prinzipiell Leichtes, Sommerliches. Etwas hauptsächlich Unverfängliches.
Etwas, das die unterschiedlichsten Menschen anspricht.
Würde das meiner Mutter/meinem Cousin/meiner Nichte gefallen - frage ich mich oft, wenn es um Literatur geht. Meine nächsten Mitmenschen, die sich für Literatur an sich nur bedingt interessieren: Würden sie das lesen wollen? Betrifft sie das irgendwie? Meist vermute ich ein „Nein“ als Antwort. Für wen eigentlich schreiben?
Nur für einen auserwählten Literaten-Zirkel schreiben möchte ich eigentlich nicht. Dann lieber Eistee.
Oft denke ich auch gar nicht daran, wer mich lesen oder unter welchem Regelwerk ich schreiben soll, sondern schreibe drauflos, was mir einfällt, was ich selbst auch gerne lesen möchte – und sei es für andere auch banal.

Das Banale ist ja oft auch ganz interessant.
Nicht zu vergessen auch, dass beim Bachmann-Preis kürzlich erst ein Text ausgezeichnet wurde, der von der akribischen Reinigung einer Spüle erzählt. Eine Putzanleitung im weitesten Sinn.
Sagt auch etwas über diese Zeit – oder eben gerade nicht.

Mit lieben Grüßen,


Erdling
 



 
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