Ekel

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DocSchneider

Foren-Redakteur
Teammitglied
Ekel


Sie wickelte die Rinderzunge vorsichtig aus dem Papier. Obwohl sie es wusste, war das Anfassen wie immer widerlich. Die raue Haut ließ sich nur schwer greifen und fast wäre ihr die Zunge aus der Hand geglitten. Es gelang ihr, sie sanft in das bereitstehende Wasser zu legen.

Auf der Anrichte standen die vergessenen Kartoffeln von vorgestern, es hatten sich bereits Schimmelpilze gebildet und zwei Fliegen taten sich gütlich daran. Wo kamen die immer sofort her? Mit entschlossenem Griff warf sie die Kartoffeln in den Mülleimer unter der Spüle. Sie traute sich nicht, zur draußen stehenden Restmülltonne zu gehen. Diese war immer umschwärmt von Fliegen, angezogen vom daneben befindlichen Katzenklo, das von den Tieren des Nachbarn eingerichtet worden war.

Sie ging ins Badezimmer und suchte Wäsche zusammen, die von Blutflecken durchsetzt war. Ihre Periode kam immer unregelmäßiger und sie konnte sich nicht wappnen. Der Mülleimer quoll über von blutdurchtränkten Binden, die auf Entsorgung warteten. Ekel breitete sich in ihrem Inneren aus. Ihr ganzes Leben schien nur aus ekligen Situationen zu bestehen.

Sie brachte den Müll nach draußen, ignorierte die Fliegen, aber mit der Nachbarin klappte das nicht. Auch nicht mit dem Haar, welches dieser schwarz und lang aus dem Kinn wuchs. Sie bemühte sich, woanders hinzusehen, aber es gelang ihr nicht. Sie flüchtete ins Haus zur Rinderzunge.

Sie dachte an das, was ihr noch bevorstand. Zwei Zentner weißes, haariges Fett, verteilt auf ein Meter neunzig, den Mund verschlossen durch eine Schnarchmaske. So lag er neben ihr. Jeden Abend, jede Nacht.

Sie ekelte sich inzwischen am meisten vor sich selbst. Denn sie schaffte es nicht, ihn zur Rede zu stellen, zu veranlassen, dass er wenigstens alleine schlief. Wenn sie ehrlich war: Sie schaffte es nicht, ihn zu verlassen. Denn das wollte sie doch. Seine Gegenwart ekelte sie an. Dass sie ihm Rinderzunge kochen musste auch.

Ihr ganzes Leben ekelte sie an ....
 

Charmaine

Mitglied
Hallo DocSchneider,

das ist ja ein trauriges und trostloses Bild, dass du da angerichtet hast. Du zeichnest das Bild einer verheirateten, doch einsamen Frau in den Wechseljahren, die sich durch ihren Haushalt und das triste Leben mit ihrem Gatten kämpft und dabei vor Ekel keinen Zentimeter aus dem Haus kommt. Dabei bleibst du erzählerisch in einem gedimten Modus. Im ganzen Text habe ich sechs Adjektive gezählt.

An dieser Stelle tritt die Geschichte aus dem Sparmodus:

Zwei Zentner weißes, haariges Fett, verteilt auf ein Meter neunzig, den Mund verschlossen durch eine Schnarchmaske. So lag er neben ihr. Jeden Abend, jede Nacht
Das sind nackte Tatsachen, die mich schaudern machen.

Am Anfang habe ich sprachlich etwas zu mäkeln:
Obwohl sie es wusste, war das Anfassen wie immer widerlich.
„Obwohl sie es wusste“ und „wie immer“ beinhalten in diesem Zusammenhang das Gleiche. Meiner Meinung kannst du sogar beides weglassen. Ich finde „Das Anfassen war widerlich“, an sich schon eine starke Formulierung. Aber wenn du auf das wiederholte Auftreten hinweisen willst, ist es natürlich wichtig.

Danke fürs Lesen lassen.

LG
Charmaine
 

DocSchneider

Foren-Redakteur
Teammitglied
Ekel


Sie wickelte die Rinderzunge vorsichtig aus dem Papier. Das Anfassen war wie immer widerlich. Die raue Haut ließ sich nur schwer greifen und fast wäre ihr die Zunge aus der Hand geglitten. Es gelang ihr, sie sanft in das bereitstehende Wasser zu legen.

Auf der Anrichte standen die vergessenen Kartoffeln von vorgestern, es hatten sich bereits Schimmelpilze gebildet und zwei Fliegen taten sich gütlich daran. Wo kamen die immer sofort her? Mit entschlossenem Griff warf sie die Kartoffeln in den Mülleimer unter der Spüle. Sie traute sich nicht, zur draußen stehenden Restmülltonne zu gehen. Diese war immer umschwärmt von Fliegen, angezogen vom daneben befindlichen Katzenklo, das von den Tieren des Nachbarn eingerichtet worden war.

Sie ging ins Badezimmer und suchte Wäsche zusammen, die von Blutflecken durchsetzt war. Ihre Periode kam immer unregelmäßiger und sie konnte sich nicht wappnen. Der Mülleimer quoll über von blutdurchtränkten Binden, die auf Entsorgung warteten. Ekel breitete sich in ihrem Inneren aus. Ihr ganzes Leben schien nur aus ekligen Situationen zu bestehen.

Sie brachte den Müll nach draußen, ignorierte die Fliegen, aber mit der Nachbarin klappte das nicht. Auch nicht mit dem Haar, welches dieser schwarz und lang aus dem Kinn wuchs. Sie bemühte sich, woanders hinzusehen, aber es gelang ihr nicht. Sie flüchtete ins Haus zur Rinderzunge.

Sie dachte an das, was ihr noch bevorstand. Zwei Zentner weißes, haariges Fett, verteilt auf ein Meter neunzig, den Mund verschlossen durch eine Schnarchmaske. So lag er neben ihr. Jeden Abend, jede Nacht.

Sie ekelte sich inzwischen am meisten vor sich selbst. Denn sie schaffte es nicht, ihn zur Rede zu stellen, zu veranlassen, dass er wenigstens alleine schlief. Wenn sie ehrlich war: Sie schaffte es nicht, ihn zu verlassen. Denn das wollte sie doch. Seine Gegenwart ekelte sie an. Dass sie ihm Rinderzunge kochen musste auch.

Ihr ganzes Leben ekelte sie an ....
 

DocSchneider

Foren-Redakteur
Teammitglied
Liebe Charmaine, danke für deine (positive) Meinung und den Änderungsvorschlag, den ich übernommen habe!
LG Doc
 



 
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