elementar (gelöscht)

Rhea_Gift

Mitglied
Hat was... interessante Bilder und Wortspiele... mich bilderbannt fände ich auch passend... als Kontrast noch stärker zum augenbliche... nur ne Idee...
Auch so gefallenbindend :)

LG, Rhea

PS: vielleicht würd dir auch mein Sprachspiel-Thread gefallen, da pässe es gut hin... ;)
 

lapismont

Foren-Redakteur
Teammitglied
Ich muss zugeben, ich bin am verfliegesicht hängengeblieben. Einfach zu schön, dieses Wort.

Eine Sicht, die sich ätherisch verflüchtigt, deren Einblicke verfliegen?

Die Blindheit, deren trübe Flecken zum Verfliegen führen?

Die kreatürliche Transmutation des Sehens in das multiokuluare Sichtfenster einer Fliege?

Die leicht vergängliche Erinnerung an des Gesicht des Liebsten?

Das sich zur Flucht wendende Antlitz in der Feuersbrunst lodernder Leidenschaft?

Grammatikalisch scheint die Auswahl eingeengt, aber ach, der Autorin Intention ist hier kein Auf- nur Angebot.
:)

raspelnderweise,
lap
 
Hallo presque rien,
dein Gedicht ist für mich sehr schwer zu verstehen.
Ich grübele schon einige Zeit über das von dir kreierte Wort ''verfliegesicht'' nach.
Müsste es nicht wenigstens ''verflie[blue]g[/blue]gesicht oder verflie[blue]h[/blue]gesicht oder verflie[blue]ß[/blue]gesicht'' heißen?
Es ist für mich ein großes Rätsel.

Viele Grüße
Marie-Luise
 
H

Heidrun D.

Gast
Liebe Julia,

mir mundet das "verfliegesicht" nicht so besonders, scheint mir eine reine Kopfgeburt. Du könntest der Gedicht ein wenig verschlichten, wenn du denn magst. Vielleicht:

elementar

wie dieser flammenherd, der kupferstiche
[blue]um dich zu schnell verflogenen korallt[/blue]
mich bilderband! wenn er nicht augenbliche,
ich würd nicht holz in erde, niemals alt.

Auch so gäbe es noch genügend Exzentrisches zu bestaunen ...

Herzliche Grüße
Heidrun
 
Liebe presque,

ich habe auch ein Problem mit dem Verfliegesicht, bin am Rätseln, was genau du damit sagen willst.

Lieben Gruß,
Estrella
 
H

Heidrun D.

Gast
Na, ich denke, sie meint "verfliege Sicht", aber zu viele Substantivierungen schaden einem Text, finde ich. ;)

Heidrun
 

presque_rien

Mitglied
Hallo,

vielen Dank für eure Gedanken zu diesem kleinen Gedicht! Ich finde die Kommentare unheimlich interessant! Z.B. schreibt Marie-Luise, sie fände das Gedicht "sehr schwer zu verstehen" - liefert dann aber gleich drei legitime Interpretationen für verfliegesicht! Lapi kommt sogar auf fünf! Finde ich total klasse! Leider wird in unserer High-Tech-Welt der Begriff "verstehen" auf "eindeutiges, präzises verstehen" reduziert - aber das ist nicht die einzige Art und Weise, zu verstehen. Ebenso ist der Begriff "Rätsel" im Kontext des verstehens negativ belegt - aber warum? Ist es nicht etwas kreatives, schöpferisches - zu rätseln? Lapi kennt mich ja schon etwas länger, und versteht ganz genau, was ich hier will - ein Angebot machen - Open Source Lyrik, sozusagen, Steinbruchlyrik. Das Konzept ist, den Leser nicht einfach nur freundlich zu ermutigen, den Text zu interpretieren - sondern den Leser zu zwingen, den Text zuendezudenken. Ohne den Beitrag des Lesers macht dieser Text zugegebenermaßen keinen Sinn - mit dem Beitrag des Lesers kann er aber verschiedene Sinne machen. Ich will nichts "genaues" mit diesem Text sagen. Was ich will ist, zu zeigen: "Hier, das habe ich gesehen. Schaut es euch an, und sagt mir, was ihr darin seht."

@Rhea: "bilderbannt" steckt da wegen Auslautverhärtung natürlich ganz bewusst drin. Ich habe mich für das "d" entschieden, weil ich glaube, dass sich "bilderbannt" leichter von "bilderband" ausgehend assoziieren lässt, als umgekehrt. Ich schau mal bei dir vorbei! :)

@Lapi: Freu mich sehr über raspeln - vollmilch, zartbitter oder weiß? :D Schön, dass dir verfliegesicht gefällt - mir gefällt augenbliche am besten - damit fing das Gedicht an.

@Marie-Luise: Wenn du dich einfach nur trauen würdest, deine Assoziationen zu nehmen und in mein Gedicht einzubauen! So ist es gewollt! Ich freue mich, dass du mich immer wieder liest :).

@Heidrun: Eigentlich gefällt mir dein Vorschlag sehr gut - wobei ich allerdings an eine Frau dachte - männliche Schönheit in Gedichten anzupreisen widerstrebt mir :D! Aber jetzt hat das verfliegesicht schon so die Meinungen gespalten, dass es aus dem Text nicht wegzudenken ist. Ich möchte es an möglichst vielen Stellen möglichst offen lassen.

@Estrella: Also ich persönlich habe an "verfliegendes Gesicht" gedacht, im Sinne von, z.B.: Man geht über die Straße und sieht jemanden, der wunderschön ist, und schwupps... schon ist der Mensch vorbeigegangen. Ist natürlich nicht sonderlich originell, man bedenke Baudelaire ("Un éclair... puis la nuit ! - Fugitive beauté
Dont le regard m'a fait soudainement renaître...") etc. Wird aber durch die Verdichtung von 6 Elementen in 4 Zeilen vielleicht etwas aufgewertet. Aber wie schon gesagt, es geht nicht darum, was ich denke, und ganz besonders geht es hier nicht um die Vermittlung von Inhalten.

Ganz großen Dank euch für alle Kommentare!!!
Lg presque
 
M

Marlene M.

Gast
tolle neue Wortschöpfungen und ein Gedicht mit ganz individueller Note, liebe presque.
Der Stil ist kreativ und eigenwillig- gefällt!
ich denke, das Schlüsselwort ist "mein Bilderband" und die
vielfältigen verfliegenden Bilder ( Gesichter), die wir Menschen haben.
daraus ergeben sich vielfältige subjektive Interpretationsvarianten, was dieses Gedicht auszeichnen.
ich bin ziemlich begeistert...
Lächelgrüße von Marlene
 
Hallo presque rien,
ich schäme mich fast, dass ich zu deinem Gedicht überhaupt keinen Zugang finde.
Nicht nur das Wort verfliegesicht, sondern auch korallt und augenbliche sind mir völlig fremd.
Da ich aber so viele begeisterte Kommentare lese und die hohe Benotung sehe, merke ich, dass mir wohl nur diese Art von Lyrik nicht liegt.
Viele Grüße
Marie-Luise
 

Vera-Lena

Mitglied
Liebe Julia,

als ich 44 Jahre alt war, ist mir jemand begegnet, der mich anschaute und ich habe mich zum ersten Mal in meinem Leben angeschaut gefühlt. Da wusste ich plötzlich, dass es Menschen gibt, welche den Anderen erkennen können in seinem tiefsten Sein mit einem Blick. Ob er mich in einen Bildband eingefügt hat, das weiß ich natürlich nicht, aber ich habe ihn in einen Bildband eingefügt, denn es war ein unvergessliches Erlebnis für mich.

Später habe ich noch jemanden getroffen, der mir viel mehr Nähe geschenkt hat und den ich auch öfter aufsuchen konnte. Und bei diesem ist es so, dass ich denke, ohne ihn wäre ich vielleicht auch schon nicht mehr am Leben.

Diese Erlebnisse sind mir eingefallen bei Deinem Text. Die Wortspielereien mochte ich mir gar nicht entschlüsseln, sondern es tauchten Bilder auf von Ich-und-Du-Sein, diese Merkwürdigkeiten, die so vielfältig sind und die eben ganz selten im Leben einen so außerordentlich hohen Stellenwert haben können.

Im Augenblick liegt der Text für mich noch jenseits von Bewertungen, dafür ist er dann doch etwas gewöhnungsbedürftig in dieser Fülle von Wortschöpfungen. Aber ich will ihn gerne noch mehrmals lesen.

Liebe Grüße
Vera-Lena
 

presque_rien

Mitglied
Liebe Estrella,

:) - danke für die gute Bewertung.


Liebe Marlene,

vielen Dank für diesen schönen Kommentar! Ich habe mir gewünscht, dass dieser Text so empfunden wird, wie du es beschreibst! :) Und danke, dass du als Germanistin es mir nicht übel nimmst, was ich der deutschen Sprache hier antue :D. Der Bilderband ist auch für mich zentral, ich mag die Ambiguität von "Bilderbuch" und "vom Bild gebunden (gebannt)". Es gibt so viele Augenblicke, Gesichter, die nur in einem Bilderbuch Platz finden können, weil sie zu kostbar sind, um beschrieben zu werden. Hmm, ich hab's aber trotzdem getan. :D


Liebe Vera-Lena,

wow, danke für deine Gedanken zum - und inspiriert durch den - Text. Ich freue mich sehr, dass du das Gedicht mit persönlichen Erlebnissen verbinden konntest und es bei dir Bilder(bände?) ausgelöst hat, weil mir das zeigt, dass der Text "funktioniert". Das ist viel wichtiger, als eine Note. Das ist im Grunde genau das Lese-Erlebnis, das ich erreichen will: Kein zwanghaftes Bemühen um Disambiguierung, sondern eine Bilderflut.

Ja, ich finde es auch faszinierend, wie einzelne, ganz flüchtige Augenblicke eine (in jedem Sinne) unheimliche Kraft und Schönheit und Magie entfalten können - eine Magie, welche für diesen einen Augenblick die Beschränktheit und Endlichkeit des Lebens aufhebt. Das ist wahrscheinlich die (elementare) Essenz dieser vier Zeilen.

Leider ging es für mich bisher immer schief, wenn ich dachte, jemanden gefunden zu haben, der mich wirklich sieht. Also, außerhalb der Lyrik, natürlich. ;)


Liebe Grüße an alle,
presque
 



 
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