Eli

4,00 Stern(e) 2 Bewertungen

Michele.S

Mitglied
Pünktlich um 8:30 Uhr betrat Eli das Büro im dritten Stock des Softwarezentrums in Berkeley. Als er sich an seinen Platz setzte, lachte Patricia laut auf. "Schlampe!", dachte Eli. Er wusste genau, was Patricia so amüsant fand. Es war sein unsicherer Gang, seine umständlichen Bewegungen und natürlich sein Gesicht.
"Du bist doch selbst hässlich", dachte er. "Wenn du ein Mann wärst. dann wärst du auch allein" Aber sie hatte eben das unverschämte Glück, mit einer Vagina geboren zu sein. Frauen kriegen immer irgendeinen verzweifelten Typen ab. Und dank Frauenquote und Feminismus konnte jede Frau, die auch nur einen Funken Ehrgeiz hatte, Karriere machen. "Die blöde Kuh trägt heute wieder ein Black Lives Matter - T-Shirt", dachte er sich. Natürlich ist das so eine. Die steht halt auf große, sportliche Schwarze und glaubt auf diese Weise einen rumzukriegen. Es war sowieso lächerlich was heutzutage für einen Aufstand um die Schwarzen gemacht wurde. Wäre er nicht ein Einser-Schüler gewesen, hätte ihm womöglich noch irgend so ein Schwarzer dank Quotenregelung den College-Platz weggenommen. Es war doch offensichtlich, warum Schwarze in der Gesellschaft nicht vorankamen. Sie waren Sex-bessessen. Sie hatten eine andere Fortpflanzungsstrategie als Weise. Deshalb verließen schwarze Typen ihre Frauen und die Kinder wuchsen ohne Vater auf. Das war wissenschaftlich bewiesen. Eli selbst war Jude. Oft hatte er seine Abstammung verflucht. Juden waren intelligent, ohne Zweifel eine Folge des früheren Selektionsdrucks. Aber sie waren auch hässlich. Klein, unsportlich, schmächtig und mit großer Nase. Das war auch der wahre Grund, warum Juden in der Geschichte immer verfolgt wurden. Die angebliche Geldgier war nur ein Vorwand gewesen. In Wahrheit hasste die Gesellschaft eben hässliche Menschen.

Sein Handy vibrierte, er hatte eine SMS bekommen. Seine Mutter hatte ihm ein Bild geschickt. Es zeigte Eli mit etwa sechs Jahren. "Damals war ich gar nicht so hässlich", dachte er bitter. Die Pubertät hatte alles ruiniert. Er dachte gerne an seine Kindheit zurück. "Kinder sind noch nicht dazu doktriniert, hässliche Menschen zu verabscheuen". Damals war er noch wie ein menschliches Wesen behandelt worden. Aber schon Kinder wurden mit Propaganda überschwemmt. Es war ja kein Zufall, dass die hässlichen Menschen in allen Filmen auch die Bösen waren. Kleine Mädchen lernten in Disney-Filmen, dass es ihr Lebenszweck war, einen hübschen Prinzen zu ergattern. Eli machte sich unkonzentriert an die Arbeit. Er hatte aber keinerlei Probleme damit, sein Pensum mir nur geteilter Aufmerksamkeit zu schaffen. Im Programmieren war er eben ein Naturtalent. "Nur leider stehen schöne Frauen nicht auf Programmierer".

Früher hatte Eli sich für einen durchschnittlich aussehenden Jungen gehalten. Dann war langsam aber sicher die Erkenntnis in sein Bewusstsein gesickert, dass das nicht stimmte. Seine Verwandten hatten ihn angelogen.
Und plötzlich machte alles einen Sinn. Sein Aussehen war der Grund, warum er immer ein Aussenseiter gewesen war, warum seine Klassenkameraden ihn gemieden hatten und warum die Frauen ihn wie einen Aussätzigen behandelten. "Wäre ich zehn Zentimeter größer, wäre mein Leben ganz anders verlaufen", dachte er wehmütig. Er hätte längst eine Partnerin gefunden und wahrscheinlich schon Kinder gehabt. Jetzt war er dreiunddreißig und hatte die Hoffnung auf ein Happyend langsam aufgegeben.

Sein Chef, Ben, trat an seinen Tisch. "Wie geht es meinem besten Mann?", fragte er mit überschwänglicher Fröhlichkeit.
"Du Idiot", dachte sich Eli. Du bist auch nur wegen deines Aussehens in deiner Position". Ben war total minderbemittelt, was jeder, der sich nicht von seinen reizenden Augen ablenken ließ, nach dreißig Sekunden erkennen müsste. Eli lächelte höflich und verzichtete auf eine Antwort.
Die Zeit floss heute zähflüssig wie Leim. Als es endlich Zeit zur Mittagspause war, erhob er sich mit einem Stöhnen. "Ich mache schon Geräusche wie ein alter Mann", dachte er angewidert. Chen-Lu, eine asiatische Arbeitskollegin, trat an seinen Tisch. Chen-Lu war nur etwa 1,55m groß und sehr schlank.
"Hey Eli, wie gehts?" fragte sie freundlich.
"Danke gut, und dir?", antwortete Eli mit schlecht verborgener Ungeduld.
"Hör mal, ich dachte wir könnten heute Abend mal was trinken gehen", sagte Chen-Lu. "Du weißt, um uns über den Miller-Fall zu unterhalten. Aber auch so"
"Machte sie ihn an?", fragte Eli sich. "Was führte sie im Schilde?".
Eli kannte die Antwort darauf. Chen-Lu hatte die dreißig überschritten. Sie hatte in ihrer Jugend Spaß mit großen, sportlichen Typen gehabt und nun wurde es Zeit für sie, sich einen Versorger zu suchen. Aber nicht mit ihm. Außerdem, eine Asiatin. So tief war er noch nicht gesunken.
"Kein Interesse", antwortete er genüsslich und verließ das Büro.
 
Zuletzt bearbeitet:



 
Oben Unten