Lieber Sidgrani,
für mich ist das eher eine Frage der Balance.
Beim Sportfechten treten in der Regel (fast) ebenbürtige Kontrahenten aufeinander. Im übertragenen Sinne ist das auch an Hochschulen der Fall - vorzugsweise in den sog. Orchideenfächern, die hinreichend Zeit dafür lassen.
Ich möchte im Rückblick keine einzige dieser Streitereien missen, nicht die boshafte Kollegenhäme oder die deutlichen Hinweise auf "unverzeihliche" Patzer in den Veröffentlichungen anderer. Die waren und sind die Würze des Hochschulalltags und haben mir oft die Lachtränen ins Gesicht getrieben.
Nicht anders verhält es sich in guten (!) Literaturforen. Hier kann um ein Wort, eine Form, ja, einen Buchstaben bis auf's Messer gestritten werden. Und diese Kommentare sind für mich ebenfalls das Salz in der Suppe trüber Langeweile. Auch hier kommt es darauf an, dass sich halbwegs Ebenbürtige messen, Höflichkeit und ordentliche Sprache gewährleistet bleiben.
Ich meine, dass es nicht von ungefähr kommt, dass dem streitbarsten LL-User aller Zeiten von manchen (!) eben
auch Respekt gezollt wird. Weil er nämlich streiten
kann, wenn er nicht gerade maßlos über's Ziel hinausschießt.
- Für mich persönlich macht es zudem einen Unterschied, ob offen, Mann gegen Mann (ersatzweise Frau) gekämpft wird oder ob widerwärtige E-Mailkampagnen gestartet und der Korruption (im Kleinen) Tür und Tor geöffnet werden. - Und es gibt in der Tat ekelhafte, ungemein ordinäre Auseinandersetzungen in den Foren, wie ich sie, en passant, auf (d)einer Lyrikinsel verfolgen konnte. Die benötigt wirklich niemand!
Im Großen und Ganzen finde ich die Streitkultur in der Lupe halbwegs erträglich. Noch schöner wäre es, gäbe die sich sachbezogener und fände ausschließlich im
offenen Bereich statt.
Lyrischen Newcomern wird eine solche Ansicht nicht behagen und nicht den überzeugten Pazifisten unter uns. Es gibt aber Foren, die durch ein Ankreuzverfahren gewährleisten, dass Kritik, Interpretation etc. nur auf Wunsch erfolgen. Und das finde ich für all diejenigen super (!), denen Auseinandersetzungen grundsätzlich nicht behagen. Egal welcher Natur. - Vor 20 Jahren wäre die LL für mich nicht das Richtige gewesen.
Ich möchte mit meinen Ansichten natürlich niemanden missionieren, aber vielleicht ein wenig kitzeln. In einem guten Streitgespräch (Florett als bevorzugte Waffe) kann Genuss liegen. - Ich muss allerdings bekennen, dass mir ein Mephisto schon immer lieber war als als 10 brave Gretchen ...
Allein der Vortrag macht des Redners (und Lesers) Glück.
(aus Faust)
(K)ein bisschen pervers?
Trainee