enchantress

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Tula

Mitglied
enchantress

Noch eben warst du Brise, warmer Regen,
der zu mir heimwärts zieht, von Süden her.
Du senkst den Blick. Mit einem Wimpernschlag
nimmt die Unsterbliche von dir Besitz,

bezwingt und fesselt mich mit bloßen Augen,
flüstert dir Zeichen auf die weiße Stirn.
Gebannt von der Tiara hinter ihr
werde ich Tier: zum Ritual bereit.

Ich folge der geheimnisvollen Formel,
die dumpf aus jeder deiner Poren steigt.
Ein süßer Odem saugt mit Vehemenz
aus mir den letzten Rest an Contenance.

Sie hält mich hilflos zitternd in der Schwebe
und treibt mich mit Visionen in den Wahn.
Mein Fleisch zerreißt in diesen, wenn du mir
die Lippen schleifst am rosa Futteral.

Und dann entschwindet sie mit deinem Lächeln:
„Kann ich noch irgendetwas für Sie tun?“
Und alles in mir bricht und fällt und fleht:
Gewiss! Ich will nicht mehr als tausend Tode.
 
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G

Gelöschtes Mitglied 21900

Gast
Hi Tula,
ich kenne die Atmosphäre nicht, die du hinter deiner Geschichte aufgezogen hast. Google sagt mir zum Stichwort «enchantress» etwas von einer Zauberinnenfigur, etwas zu einem Film – von der Figur habe ich noch nie gehört, den Film nicht gesehen. Dennoch hat es mich hineingezogen in dein Gedicht (ohne dass ich weiß, wer oder was mich da gezogen hat). Da sind Frauenfiguren in deiner Geschichte, da ist das erzählende Ich, da ist jemand im Selbstgespräch … um es kurz zu machen: Ich finde mich in den Strophen nicht zurecht, aber sie haben etwas unverblümt Verzauberndes. Auf Verdacht bedanke ich mich für die Verzauberung mit fünf Sternen.
Gruß Klaus
 
G

Gelöschtes Mitglied 22298

Gast
todesahnung? todeswollen?

die künderin/macherin des todes auf geheiß/im voraus höherer macht ("tiara")? willkommen sogar?

allein die erste strophe sammelt drei (unbekannte) personen (du, mir, die unsterbliche)
wer also wohin und warum

das schleifen der lippen am rosa futteral - sowas gefällt mir nicht

kaum/gar nicht zu verstehen das alles - pardon


gun.
 
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Franke

Foren-Redakteur
Teammitglied
Hallo Tula,

auch wenn ich ein Gedicht nicht verstehe, suche ich doch immer nach "meiner" Stelle, die mich verzaubert oder mitten ins Herz trifft.

So auch hier:

Noch eben warst du Brise, warmer Regen,
der zu mir heimwärts zieht, von Süden her.
Du senkst den Blick. Mit einem Wimpernschlag
nimmt die Unsterbliche von dir Besitz,

bezwingt und fesselt mich mit bloßen Augen,
flüstert dir Zeichen auf die weiße Stirn.
Danke für meinen Teil des Gedichtes!

Liebe Grüße
Manfred
 

Mimi

Mitglied
Hallo Tula ,
mir gefällt Dein Gedicht, aber ich bin, wie Du vielleicht bereits erahnen konntest, ein großer Fan solcher Geschichten und Erzählungen, seit ich das erste Mal als Kind die zauberhaften Geschichten aus Tausendundeine Nacht gelesen habe (nicht die weichgespülten Versionen, sondern die sehr nah am ursprünglichen Original angesetzte Fassung – und eigentlich nix für kleine Mädchen)...

Hier also die Enchantress, die Besitz ergreift von ihrem "Opfer" und die Macht übernimmt .
Die Tiara steht für den Diademreif der Zauberin, eine assyrische, königliche Kopfbedeckung.

Mein Fleisch zerreißt in diesen, wenn du mir
die Lippen schleifst am rosa Futteral.
Diese Stelle hier... ist doch ziemlich mehrdeutig, möchte ich meinen ;)... aber es gefällt mir genau deshalb so gut.

Und alles in mir bricht und fällt und fleht:
Gewiss! Ich will nicht mehr als tausend Tode.
Ein sehr zauberhafter Abschluss...

Sehr gerne gelesen, Tula!

Liebe Grüße
Mimi
 
G

Gelöschtes Mitglied 13736

Gast
Hi Tula,
es ist ein ungereimtes Gedicht. Aber wie du Worte setzt und Dinge und Geschehnisse beschreibt, hat es die Geschmeidigkeit und Harmonie
von einem sehr guten gereimten Gedicht. Es ist schon wirklich gut gemacht. Inhaltlich....nun...nicht so zwingend meins. Da nehme ich
Kläuschens Meinung ein. Aber durch die Form und Eleganz deiner sprachlich virtuosen Ausgestaltung zieht es mich natürlich auch in den Bann.
Sterncheninflation hin oder her....5 Sterne....was sonst!
LG
Oscarchen
 
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Morphea

Mitglied
Hey
Könnte es sein dass die "Verzaubernde ein Succubus ist? Es liest sich fast so, zumal das männliche Wesen der sexuellen Anmut ebendieser erlegen ist. Alles in deinem Werk-das sich spannend liest- deutet darauf hin. Ist nicht der Begriff "kleine Tode" ein Synonym für den Orgasmus? Ich finde "Ich will nicht mehr als tausend Tode" würde ebenso darauf zuzielen...Aber ist nur meine Inzerpretation...von mir 5 Sterne und noch einen drauf ;)
 
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G

Gelöschtes Mitglied 19299

Gast
Ich lese das Gedicht so ähnlich wie Morphea.
Gern gelesen!

LG
Keram
 

Tula

Mitglied
Liebe Leser
nun endlich mein Dankeschön in die Runde; verzeiht mir dabei bitte die Sammel-mail, sie gilt allen. Es hat mich sehr gefreut, dass die Zaubereien so entzücken, und auch dass die Damen in der Runde den Lyrich hier ohne Probleme durchschaut haben; das eigentliche „Opfer“.

Sicherlich war eine unmittelbare Inspiration die enchantress aus dem Film „suicide squad“, zumindest in einigen der sprachlich gemalten Bilder, die stellvertretend für die magischen Verführungskräfte der hier dargestellten Dame stehen. Die beschriebene Verwandlung der Kollegin (?) in die übermächtige und unwiderstehliche Zauberin bleibt selbstverständlich reine Phantasie des Mannes.

Somit will das Gedicht gewiss mehr als eine Marvel-Verarbeitung. Wie uns auch wikipedia mitteilt, steht enchantress nicht zuletzt als Synonym für die weibliche Verführung schlechthin:
  • Seduction, the enticement of one person by another, called a seductress or enchantress when it is a beautiful and charismatic woman
Ist der Wimpern- und Augenaufschlag in der ersten Strophe bewusste Koketterie? Das überlasse ich dem Leser. Es war jedenfalls beabsichtigt, dass dieser Moment als Auslöser dient; die bereits bestehende zärtliche Zuneigung schlägt unmittelbar ins Erotische um. Lyrich „verfällt“ der Dame bis hin zu wilden sexuellen Phantasien in Strophe 4. Nicht die eines geilen Fauns wohl-bemerkt: die Lippen am roten Futteral deuten an worum es wirklich geht: devote Hingabe und freiwillige Unterwerfung, des Mannes durch die Frau. Was wäre bei einer Zauberin auch anderes zu erwarten?

Immerhin bemerkte schon der alte Casanova: „Eine Frau, so schwach wie ist, ist durch das Gefühl, das sie einflößt, stärker als der stärkste Mann.“ Dem kann ich als solcher nur zustimmen :rolleyes: Wollen wir hoffen, dass sich der Traum von tausend Toden (natürlich Morphea!) eines Tages erfüllen wird …

PS für Gunnar: die Unsterbliche ... Nun ja, das soll Lyrik sein, also bitte nicht alles wörtlich nehmen; bedenkenswert vielleicht der Symbolwert einiger Begriffe. Hier geht es nicht nur um eine dritte Person, sondern um eine uralte KRAFT, noch älter als der Mensch selbst. Tierischen Ursprungs ...

LG und nochmals herzlichen Dank

Tula
 
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G

Gelöschtes Mitglied 21900

Gast
Ich denke, Tula, etwas von deiner Entschlüsselung hatten alle im Hinterkopf. Ich selbst sehe jetzt, dass statt "Verzauberung" das treffendere Wort "Verführung" gewesen wäre.
Klaus
 



 
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