Engel (Elegisches Distichon)

hermannknehr

Mitglied
Wer von uns trüge sie nicht die Sehnsucht euch zu begreifen
die wir im fallenden Wind eures achtlosen Gangs
euch nur ahnend erfühlen und ohne euch wirklich zu kennen
vorsichtig tastend bereit furchtsam und ängstlich zugleich

selbst für den glücklichsten Fall ihr schenktet uns flüchtig Beachtung
hinsterben würde der Mensch unter der Glut eures Blicks
niemand kann euch ertragen es sei denn er deckte die Augen
atmete nur unterdrückt unter der Last des Gewichts

doch was hilft uns das Wissen um euer furchtbares Dasein
anbeten müssen wir euch staunend ohnmächtig und stumm
wenn uns ein Schimmer berührt von euer verzehrenden Strahlkraft
der uns nur zufällig streift ohne erlösenden Trost

sind wir denn heute noch würdig eurer unfassbaren Nähe
fern sind die Tage von Lot da ihr als Richter erschient
uns bleibt doch nur das sehr vage Erinnern an unsere Kindheit
Abendgebete im Bett schattenhaft nur ein Gesicht
schimmernd aus goldner Ikone und doch sind wir voller Erwartung
gnädig gewährten Blicks wenn euer Flugfeld uns streift

eines ist aber gewiss ihr ward allzu willige Boten
neugierig fast zugetan unserer irdischen Welt
wohl schickte euch stets ein Auftrag noch über euch stehender Mächte
doch war es auch euer Wunsch nah uns zu sein ohne Grund
war es der der Reiz der Begrenzung der Endlichkeit unseres Daseins
der euch so lockt und verwirrt fremd für euch ist und neu

aber bringt uns das weiter seid ihr uns dadurch vertrauter
unnahbar seid ihr ein Geist furchtbar und göttlich zugleich
und so warten wir täglich mit ängstlich zitternden Herzen
dass euer Kommen uns weckt aufnimmt trägt und beschützt
 



 
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