Entre deux mers

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Als wenn der letzte Tag, der Allerletzte,
beendet hätte seine Reise.
Entschlummerte zu leiser Weise.
Ihn nichts mehr triebe,
nichts mehr hetzte
aus diesem Jahr,
das ging.

Als wenn er stillte,
was in ihm verletzte.
Als wenn nichts mehr in
seinen einstmals übervollen
Netzen hing ,-

(Vielleicht noch so ein kleines
Glitzerding.
Ein Freundschaftsring.
Ein Kindergesing)

So wandeln sie; die Wellen, hin und her.
Zeitenlos, sorgenlos;
von einer Ebbe hin zu einer Flut.
Und wissen nichts von diesem andren, übervollen Meer,
in dem doch immer noch
ihr Anfang ruht.

Text Dve
Musik ki

 
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Frodomir

Mitglied
Lieber Dionysos von Enno,

es ist eine Freude, wieder ein Gedicht von dir zu lesen! Und wie ich es gewohnt war von deinen Gedichten, so ist in meinen Augen auch dieses wunderschön. Bei dir ist es immer so, als würde ein bisschen der Geist Rilkes mitschwingen, aber nicht nachahmerisch, sondern ganz eigen im Dionysos-Stil.

Und der zeigt eine erste Strophe, die mit ihren weiblichen Kadenzen eine sanfte Melodie erzeugt, die dann männlich jäh und nicht ohne Melancholie endet:

aus diesem Jahr,
das ging.


Dieser Wechsel der Kadenzen gibt dem Gedicht eine starke emtionale Kraft, wie als würde man in einer Musik von Dur zu Moll übergehen. Zumal, um im Bild zu bleiben, die letzte Strophe rhythmisch gewissermaßen im Moll endet, inhaltlich aber eigentlich Dur verlangen würde.

Und wissen nichts von diesem andren, übervollen Meer,
in dem doch immer noch
ihr Anfang ruht.


So steht diese Strophe in einem gelungenen Spannungsfeld, welches auf mich ausgesprochen immersiv wirkt und mein Lieblingsgefühl beim Lesen von Gedichten auslöst: staunende Sprachlosigkeit.

Allein am Wort Kindergesing in Strophe drei habe ich mich ein bisschen gestört, weil es im Gegensatz zum Wort Gesang einen leicht pejorativen Charakter hat. Dies dachte ich zumindest zuerst, doch nach mehrmaligem Lesen sehe ich es nun doch anders und ich erkenne da eine kindliche Leichtigkeit in diesem Wort.

Wenn es keine Absicht ist, ist dir überdies in Zeile 4 das Komma um eine Leerzeile verrutscht.

Ansonsten kann ich nur den Hut ziehen vor deinem Gedicht, welches mich so in Staunen versetzt hat.

Liebe Grüße
Frodomir
 
Mein lieber @Frodomir

schön, dass Du wieder zurück bist!! Und gleich wieder mit einem so gewogenen und genussvollen Kommentar. Ich freue mich sehr, dass du es so musikalisch aufgenommen hast. Auch beim "Kindergesing" hatte ich deine letztgenannte Interpretation im Kopf: Da sollte eine Unbekümmertheit und Leichtigkeit rüber kommen, die doch gerade in den "wichtigsten Dingen" steckt - schön, wenn sie auch am Ende des Jahres, quasi als "Quintessenz" bleibt. Das Komma ist zurück auf seinem angestammten Platz.

Lieber Frodomir, ich freue mich schon, wieder mehr von Dir zu lesen und gerne auch einen Link zu Deinem Buch, so es denn mittlerweile käuflich zu erwerben ist.

Ich wünsche Dir und allen Lupianern einen guten Rutsch, viel Gesundheit und schöne Momente und Inspirationen in 2025 und bei allem das notwendige bisschen Glück. Der Dom Perignon ist schon kaltgestellt. Die Gäste können kommen!

Merci !

mes compliments

Dio
 



 
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