Entscheidungen

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Hagen

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Entscheidungen

Glücklicherweise brauche ich nicht zu entscheiden, was ich morgens anziehe, schwarzes Hemd, schwarze Hose und gut ist. Einstein soll genauso vorgegangen sein, er hatte nur drei Anzüge, alle die Gleichen.
Aber nun, beim Zubereiten des Frühstücks die Tage, ging es los: Entscheidungen!
Welchen Sender höre ich zum Zubereiten des Frühstücks?
Oder eine CD?
Wenn CD, welche?
Ich entschied mich für Rockabilly, Brian Setzer, und den schön laut. Wozu haben wir sonst ein Radio mit CD-Spieler in der Küche?
Weiter.
Kaffee oder Tee?
Ich entschied mich den Tag für Kaffee und kochte meiner lieben Lydia, um allen Eventualitäten vorzubeugen, Tee; - aber was für ein Tee?
Nach einigem Grübeln beschloss ich, den von ihr hochgeschätzten Kamillentee zuzubereiten.
Sollte ich ihr ein Bauernfrühstück zubereiten?
So richtig schön mit Speck, Zwiebeln und Eiern?
Nein, das habe ich den Tag zuvor gemacht, also wird sie auch keine Eier zum Frühstück wollen. Ich bereitete also nur für mich zwei Eier vor, da man nie eine ungradzahlige Anzahl von Eiern im Haus haben soll. Meine selige Frau Großmutter sprach mal davon, dass sowas Unglück bringen kann. Ignorieren oder nicht, denn was ist, wenn die liebe Lydia später Omeletten wünscht? Dann könnten die Eier etwas knapp werden.
Sollte ich jetzt schon einen Einkaufszettel vorbereiten?
Schon wieder eine Entscheidung. Ich schob sie auf, ‚Aussitzen‘ nennt man sowas.
Aber erst machte ich ihr eine Scheibe Brot mit Mascarpone und gehälfteten Tomaten, oder lieber eine kleine Schale mit Mascarpone-Quarkcreme?
Weil wir keinen Quark im Hause hatten, beschloss ich rigoros ihr ein Brot zu bereiten, und es mit Mascarpone zu bestreichen, schnitt sieben kleine Tomaten in der Mitte durch, legte sie drauf; - aber eine halbe Tomate blieb über. Watt nu?
Ich nahm mir die Entscheidung ruckartig ab und aas sie auf. Problem gelöst!
Aber der Teller wirkte nur halbvoll, das ging gar nicht!
Ich fällte die Entscheidung, etwas zu dekorieren, mit Gürkchen, etwas Sülze und einer Tomate.
Ob das schmeckte wusste ich nicht, aber es sah gut aus und ich spießte noch zwei Oliven auf die Gurken, die liebe Lydia ist ein Augenmensch und sie liebt Oliven; - ich hingegen hasse dieses Zeugs.
Es war nun Zeit für einen Becher Kaffee und eine Zigarette; - Selbstgedreht oder eine Fertige?
Herrgott, diese ewigen Entscheidungen, aber seit mir mein Arzt zu mehr Bewegung geraten hat, drehe ich selber.
Die Entscheidung, ob ich das blaue oder grüne Frühstücksgeschirr auflegen sollte, wurde mir glücklicherweise abgenommen, da die liebe Lydia zum Frühstück erschien und blaues wünschte.
Gottseidank!
Und sie nahm mir sogar die Entscheidung ab, ob ich die gemusterten oder die schlichten, blauen Servietten auflegen sollte, indem sie sich für Weiße entschied. Um einer Diskussion darüber zu entgehen, beließ ich es dabei.
Natürlich freute sie sich über den hübschen Frühstücksteller, beanstandete jedoch, dass die Musik zu laut war, außerdem wünschte sie nicht so eine ‚Radaumusik‘ zum Frühstück.
Nun stand ich wieder vor einer Entscheidung: Elfenmusik? Die hatten wir die Tage mal. Das Bremer Caféhaus-Orchester, auch sehr schön, oder Harfenmusik?
„Entscheide du!“
Ich stand wieder vor einer Entscheidung und bestimmte André Rieu und das ‚Maastrichts Salon Orkest‘, was von der lieben Lydia abgenickt wurde.
Juhu!
Aber das Fenster sollte etwas geöffnet werden. Pollenallergie haben wir nicht, auch keine anderen Allergien, und keine Laktoseunverträglichkeit wie Frau Salzer-Zuckermann, die damit angibt, und mit ganz coolen Allergien auch, die sie sorgsam pflegt. Um die zu toppen entschied ich mich ganz spontan eine Sauerstoffallergie zu haben und damit anzugeben, denn wer hat sowas schon, aber dann müsste das Fenster wieder zu. Oder sollte es trotz meiner Sauerstoffallergie offen bleiben?
Himmelarsch, und während des Frühstücks kam die liebe Lydia irgendwie auf Herzinfarkte und wollte dauernd meine Meinung hören.
Ich entschied mich für ‚selektives Hören‘ und antwortete nur sporadisch mit ‚Ja‘ oder ‚Nein‘, während ich mir bereits Gedanken über die Kerze, die unbedingt auf den Frühstückstisch gehört, machte.
Wenn die runter gebrannt ist, muss nämlich auch der Kerzenständer gewechselt werden. Noch ist es zwar nicht soweit, es wurde aber Zeit, sich Gedanken darüber zu machen, ob nicht mal wieder ein Silberner statt des Bronzenen auf den Tisch kommen könnte, passt besser zu dem blauen Geschirr.
Was ist aber, wenn die liebe Lydia bis dahin das grüne Geschirr wünscht?
Oder gar das Rote mit den hübschen Bechern wo Herzen drauf sind?
Die Entscheidung stand glücklicherweise noch nicht an, wohl aber die Alternativen welche Marmelade zum Abschluss dran war, denn nur fünf Sorten ist absolutes Minimum zu einem kultivierten Frühstück, wir hatten aber mehr.
Die Diskussion darüber hörte sich in etwas gekürzter Form in etwa wie folgt an:
„Ich hätte gerne noch ein Marmeladenbrot. Reichst du mir bitte die Quittenmarmelade?“
„Selbstverständlich meine Liebe. – Ist allerdings fast alle. Darf es auch Ingwer-Lemmon sein?“
„Dann lieber Brombeere!“
„Haben wir nicht, zu ordinär. Tut’s auch Orange mit Whisky? Oder Kokosnussmarmelade mit Limette? Habe ich gerade mitgebracht, zum Probieren.“
„Hört sich auf Nussbrot interessant an.“
„Nicht wahr? Oder auf Sauermilchbrot. Haben wir momentan allerdings auch nicht zur Verfügung. Aber wenn du möchtest, werde ich dir sowas besorgen.“
„Ach, nein, dann lieber Sauerkirschmarmelade mit Vanille und Mandellikör.“
„Ganz wie du willst, meine Liebe. – Ich würde in diesem Fall allerdings Pflaumen-Nektarinenmarmelade mit Rotwein empfehlen.“
„Um Gotteswillen! Das passt ja überhaupt nicht zu unserer Konversation über Herzinfarkte! Normale Stachelbeere wäre in diesem Fall ganz angebracht.“
„Nun hast du dir aber schon ein Gassenhauer Roggenmischbrot mit Butter bestrichen, da passt Stachelbeere überhaupt nicht! – Aber wie wäre es denn mit Marillen-Eierlikörmarmelade?“
„Bist du verrückt? Du weißt doch, dass ich diese oder Süße Ananas-Orangenmarmelade mit kleinen Stückchen auf Münsterländer Stuten erst zum Tee nehme!“
„Entschuldige bitte, ich vergaß. – Aber darf es vielleicht Pfirsich-Rotweinmarmelade mit Ingwer und Sternanis sein?“
„Schon besser! – Hättest du jetzt die Güte fortzufahren?“
Möglicherweise wäre diese muntere Diskussion noch ein Weilchen weitergegangen, wenn nicht ein neuer Stromanbieter angerufen und nachgefragt hätte, ob wir unseren Stromanbieter nicht wechseln wollen. Allerdings müsste ich mich sofort entscheiden, denn nur heute könnte er uns einen supergünstigen Sondertarif anbieten.
Da ich inzwischen ein etwas gestörtes Verhältnis zu Entscheidungen habe, sagte ich ihm, dass bei jedem Wechsel irgendetwas schief geht. Ich blieb trotzdem weiter freundlich und bei meinem Stromanbieter, die liebe Lydia verzehrte ihr Marmeladenbrot, Orange-Champagner, und begann den Einkaufszettel für mich zu schreiben.
Da ich nicht multitasking-fähig bin, hörte ich weder dem Strommenschen noch der lieben Lydia ordentlich zu, zumal sie aus irgendeinem Grund fragte, ob ich schon mal eine Darmspiegelung über mich hatte ergehen lassen, und ob wir noch genügend Mettwurst im Hause hatten. Wenn das nicht der Fall wäre, sollte ich Salami oder Zervelatwurst mitbringen, Landjäger hatten wir auch lange nicht mehr, die Entscheidung hierzu würde sie mir überlassen.
Schon wieder eine Entscheidung!
Zudem hat die liebe Lydia für Sonntag ein schönes Stückchen Rehbraten aufgeschrieben, da die Salzer-Zuckermanns zu Besuch kommen. Dazu soll es Rotkohl und Preisebeeren geben, weil Frau Salzer-Zuckermann ständig über ihre Latexallergie klagt, sind wir mit diesem Nahrungsmittel auf der sicheren Seite.
Was aber ist nun der ideale Wein zu dieser Speise?
Wie sollte er sein?
Kräftig und dominant, schwer, gealtert, eher fruchtig oder tanninreich?
Wir haben einen guten Syrah im Haus, aber auch Pinot noir aus Burgund, Cab.Sauv. aus Amerika, div. Merlots aus der Schweiz, sowie verschiedene Sangiovese-Weine.
„Kann man irgendwie eingrenzen, was ein Rotwein zu Wild für Eigenschaften haben muss? Oder ist es letztendlich Geschmacksache?“, fragte die liebe Lydia.
Das sollte ich wiederum entscheiden, obwohl ich mehr auf Bier stehe.
„Zum Reh würde ich den Pinot um einen Hauch vorziehen“, antwortete ich, „die oft vorhandene herbsüße Lakritznote harmoniert aufs Feinste mit Reh und Hirsch, bei Wildschwein bin ich aber sofort beim Syrah, denn Syrah-Weine haben meist ein kräftiges Johannisbeer-Aroma. Die Rebe liefert bei normaler Maischegärung einen dunkelfarbigen Wein mit hohem Tanningehalt, der zur Minderung der Adstringenz einer langen Flaschenreife bedarf, denn ich liebäugele für unser diesjähriges Weihnachtsmenu unter Anderem mit einem 95er Sizeranne von Chapoutier zum Wildschwein, weil, wenn dieses Fleisch seine "pourriture noble" erreicht hat, dann passt es richtig gut zur Syrah, aber das ist glücklicherweise noch eine Weile hin. Insgesamt wünsche ich mir zum Wild Rotweine mit reichlich Extrakt und einem kräftigen Körper, die müssen schon einen guten Stand haben, wenn das Wild noch richtig nach Wild schmeckt und keine neuseeländische Retortenzüchtung ist. Eine angenehme Süße und etwas rauchige Noten, auch Aromen von Bitterschokolade sind fein, vor allem wenn du die Sauce mit etwas Valrhona-Kouverture abschmeckst.“
„Wenn du dich mal wieder nicht entscheiden kannst, und nichts vom Wein verstehst“, meinte die liebe Lydia, „frag doch zur Sicherheit nochmal in der Weinhandlung nach.“
Ich zuckte nur die Achseln, denn ich hatte nun zu entscheiden, ob ich mit dem Auto oder dem Fahrrad zum Einkaufen fahren sollte, wegen der Bewegung.
Aber vorher war noch schnell der Briefkasten zu leeren, und da stand schon wieder eine Entscheidung an, denn ein italienischer Automobilhersteller meinte, dass mit dem Auto zum Einkaufen fahren zu teuer sei, mit dem Fahrrad jedoch zu anstrengend. Ich sollte mich doch für eine ‚Ape‘ entscheiden, sie hätten gerade Werbewochen.
Wenn die etwas anders formuliert hätten, könnte ich es mir überlegen, aber vor dem Bäckerstand stand ich wieder vor einer Entscheidung, denn das von der lieben Lydia bevorzugte Nussbrot war ausgegangen.
„Wahnsinn“, sagte ich, „wann kommt es denn wieder?“
Die brave Bäckereifachverkäuferin verstand nicht und schlug mir Roggenvollkornbrot, Roggenbrot, Roggenmischbrot, Mehrkornbrot, Weizenmischbrot, Weizenbrot sowie Pumpernickel vor und empfahl mir Sauerteigbrot. Ich entschied mich ruckartig für Ciabatta.
Im Supermarkt wandte ich mich als erstes dem Käsestand zu, denn die liebe Lydia hatte unter Anderem Weichkäse aufgeschrieben, da standen wieder Entscheidungen an, zwischen Münster, einem deftigen Rotschmierkäse, oder Romadur, einem ebenfalls besonders kräftigen Rotschmierkäse. Brie traditionell, einem kräftig, vollmundigem Käse mit weißem Edelschimmel, ausgereift oder mit Kern, Rahmkäse, einem mild-aromatischem Käse mit ebenfalls weißem Edelschimmel…
Die liebe Lydia hätte etwas präziser sein können!
Denn als ich vor dem Käseregal stand, hatte ich plötzlich diese ewigen Entscheidungen satt und wollte nach dem Einkauf einfach ein Bier trinken und nichts mehr entscheiden müssen, gar nichts, sonst würde ich noch wahnsinnig werden…
…und dann erschien mir der Schutzpatron der Wahnsinnigen, Ebrulf von St.-Évroult, und fragte: „Kellerbier naturtrüb, Lager, Pilgerstoff, Rauchbier, Porter, Export oder Dampfbier? Du hast sie alle im Kühlschrank, entscheide dich!“
 

Happy End

Mitglied
Hallo Hagen,
bist du irgendwann auf das Angebot des italienischen Autoherstellers zurückgekommen?
Oder hast du dich für ein anderes entschieden?
Das würde mich noch brennend interessieren.

Gruß,

Happy End
 

Hagen

Mitglied
Hallo liebe Happy End,

Herzlichen Dank für die Beschäftigung mit meinem Text.
Eigentlich ist der italienische Automobilhersteller ja ein Motorrollerhersteller.
Ich bitte Dich mal die 'Ape' zu googeln, da ich nicht weiß, wie ‚hier klicken‘ geht.
Ape (ital. Biene, auch als Vespacar bezeichnet) ist ein Kleintransporter und ein dreirädiges Rollermobil des italienischen Herstellers Piaggio.

Da es von der Ape viele verschiedene Versionen gibt, habe ich mich noch nicht entschieden.

Ich sollte dazu erst mal das Fachblatt ‚Rad ab Magazin‘
abonnieren.

In diesem Sinne!

Viele Grüße und küss die Hand, gnädige Frau!
Yours Hagen

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Egal was schief geht,
tue so als wäre es Absicht!
 

Hagen

Mitglied
Sehr geehrte Happy End,

Das "Rad Ab Magazin" gibt es wirklich!
Was hat der ADAC damit zu tun?

Ich komme da jedenfalls arg ins Grübeln und kann mich nicht entscheiden, ob ich Dich nun bitten soll, das zu googeln, oder nicht.

Liebe Grüße
yours Hagen



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nichts endet wie geplant
 

Hagen

Mitglied
Hallo liebe Happy End,

leider glaubt mir sowieso kein Mensch mehr, seit ich die Kiste und die Bombe im Flur stehen hatte, vom Wellnessurlaub ganz zu schweigen.
Aber Du siehst mal wieder, dass Lesen bildet!

Nun denn, küss die Hand gnädige Frau!
yours Hagen

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Lerne zu lesen, und Du wirst auch von denjenigen
Nutzen ziehen, die dummes Zeug schreiben!
 



 
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