Entscheidungspartie

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visco

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Entscheidungspartie

[ 6]»So, das war´s. Ich wär´ dann fertig.« Den Werkzeugkoffer in der Hand wandte er sich dem merkwürdigen Kauz zu, der ihn in dieser stillgelegten Fabrikhalle einen Billardtisch hatte aufstellen lassen – nicht etwa einen dieser kleinen Münztische, wie man sie im Hinterzimmer einer Gaststätte vorfindet, sondern ein exklusives Modell mit feinstem Tuch und offiziellen Turniermaßen. »Ist wohl für´n Fototermin?« Der Monteur grinste verschmitzt. »Schöne Models und so, wie?« Aus der Brusttasche seines Overalls zückte er die Rechnung und hielt sie dem Kunden hin. Titus Tathoff, heute erfolgreicher Unternehmer und Teilhaber einer Technologieschmiede, tauschte das Papier ungelesen gegen ein Bündel Banknoten. »Den Rest können Sie behalten«, sagte er gedankenverloren und ging ein paar Schritte näher an das erworbene Prunkstück heran. Etwas ungläubig, dann aber doch mit freudiger Miene ließ der Monteur das Geld in seiner Tasche verschwinden. »Tja, also wenn ich noch mal ’was für Sie tun kann, ...« Titus nickte flüchtig. Dann endlich ließ ihn der Monteur allein. Frühsommerliche Sonnenstrahlen fielen durch eingeworfene Sprossenfenster, und von irgendwoher waren die Flügelschläge einiger Vögel zu hören, als der Lieferwagen davonbrauste.
[ 6]Titus verharrte bewegungslos an Ort und Stelle. Sein Blick haftete an dem grünen Tuch und den farbigen Kugeln. Das Szenario einer offenen Feldschlacht, nachgestellt mit runden Zinnsoldaten in bunten Uniformen. Elf Gewinnspiele, neun Kugeln, ein Sieger. Zu bezwingen galt es niemand Geringeren als Roman Posch, damals eine bekannte Größe im europäischen Poolbillard, so wie er selbst. Nie zuvor hatten sie sich in einem Finale gegenüber gestanden, bis zu jenem denkwürdigen 13. Juni. Sein halbes Leben lag das nun zurück, durchaus gute Jahre, in denen aus einem überheblichen Heißsporn ein gut verdienender Geschäftsmann wurde, und doch nicht lange genug, um die Erinnerung an diesen einen Tag verblassen zu lassen.

[ 6]»Hey, Titus! Tolles Spiel!«, reißt ihn eine unbekannte Stimme aus seinen Gedanken. Gesichter, die er nicht gleich zuordnen kann, umringen ihn. Fremde Hände klopfen ihm auf die Schulter, als er sich seinen Weg nach draußen bahnt, vorbei an den Zuschauerrängen. Andere Partien sind noch in vollem Gange. Auf der Anzeigetafel erlischt das Ergebnis seiner Begegnung und wird durch ein neues ersetzt. Geschafft. Eine Runde weiter. Sein Gegner im Viertelfinale ist noch nicht ermittelt. Olssen oder van Bruiken, beides Spitzenspieler. Besonders van Bruiken hatte ein starkes Jahr. Drei Turniersiege, amtierender niederländischer Meister im 9-Ball. Ob er sich aber gegen Olssen durchsetzen kann, diesen brillianten Techniker mit gutem Sicherheitsspiel, das wird sich zeigen.
[ 6]An den Infoständen und vor dem Turnierplan im Vorraum der Sporthalle drängt sich eine bunte Menge aus Billardsportinteressierten und von den Plakaten in der Umgegend Angelockten. Dazwischen dickbäuchige Repräsentanten verschiedener Fachverbände und einige der Teilnehmer mit ihren Angehörigen. Draußen auf dem Vorplatz das gleiche Bild. Nur der Geräuschpegel ist deutlich höher. Der Geruch von Grillkohle und verdampfendem Fett liegt in der Luft. Dank des schönen Wetters haben die Essensstände und Getränkebuden gut zu tun. Zu aktuellen Musiktiteln aus überdimensionierten Lautsprechern werden Billardartikel feilgeboten, vom nötigen Equipment über mehr oder minder sinnvolles Zubehör bis hin zu allerlei Alltagsgütern mit Billardmotiven.
[ 6]Auf den Holzbänken vor dem Bierzelt herrscht eine ausgelassene Stimmung. Einer seiner Gegner aus der Vorrunde prostet ihm anerkennend zu. Andere fachsimpeln über gesehene Partien oder streiten über die Spielstärke namhafter Poolspieler, manche schließen Wetten über den Ausgang des Turniers ab. Zwei Namen fallen immer wieder: Roman Posch und seiner.
[ 6]»Eine wirklich überzeugende Darbietung. Kompliment, Titus, nur weiter so.« Am Präsidenten des nationalen Billardverbands geht man nicht einfach vorbei. Das angebotene Getränk lehnt Titus höflich ab. Ein paar lobende Worte über den Ausrichter und das variantenreiche Spiel des gerade Besiegten gehören zur Pflicht und lassen zufriedene Mienen zurück.
[ 6]Auf dem Parkplatz steuert er zielstrebig seinen Wagen an. Die Fahrertür steht offen. Sabines Füße baumeln aus der heruntergelassenen Seitenscheibe, und Titus ahnt bereits, in wessen Schoß ihr Kopf ruht, noch bevor er Roman direkt in die Augen blickt.
[ 6]»Na endlich!«, stöhnt Sabine, als sie ihn bemerkt, aber selbst in seiner Gegenwart macht sie keine Anstalten, eine andere Position einzunehmen. »Bitte sag’ mir, daß Du verloren hast und wir nach Hause fahren können.«
[ 6]»Tja, ich denke, ich werd’ dann mal wieder«, bleibt Roman gelassen und steigt aus. Neben Titus hält er kurz inne. Kameradschaftlich klopft er ihm auf die Schulter, erntet dafür aber nur einen abfälligen Blick.
[ 6]»Wir sehen uns im Finale. Wenn Du es bis dahin schaffst, heißt das«, gibt Titus ihm noch mit auf den Weg. Dann steigt er zu Sabine in den Wagen.
[ 6]»Und bevor Du fragst, es war nichts, okay?!«, läßt sie ihn augenblicklich wissen.[ 2]»Ich hab’ nichts gesagt.«[ 2]»Aber gedacht. Das denkst Du doch immer!«[ 2]»Nur, wenn ich Grund dazu habe.«[ 2]»Und das nennst Du also einen Grund, ja? Daß ich mich nicht zu diesen ganzen Verrückten setze, die nichts als Billard im Kopf haben, und daß mir vielleicht langweilig ist, auf die Idee kommst Du wohl nicht?!«[ 2]»Du hättest zusehen können. Ich hab’ gut gespielt.«[ 2]»Na klasse! Zugucken, wie zwei Jungs mit Murmeln ’rumknickern. Echt aufregend!«[ 2]»Poolbillard ist ein Sport. Wir knickern nicht. Und ich zähle zufälligerweise zu den Besten. Ich habe vor, dieses Turnier zu gewinnen, und es wäre schön, wenn Du mich dabei wenigstens ein bißchen unterstützen könntest!«[ 2]»Pah! Zufälligerweise gehöre ich zu den Besten, und ich habe vor, das Turnier zu gewinnen«, ahmt sie ihn mit quäkender Stimme nach. »Und wenn Du es gewonnen hast, was dann? Welches Turnier ist dann so wichtig, daß das ganze verdammte Wochenende dabei draufgeht, heh? Und was ist mit mir? An welcher Stelle komme ich?«[ 2]»Von dem Preisgeld könnten wir zum Beispiel in Urlaub fahren, nach Italien oder vielleicht ans Mittelmeer. Dahin wolltest Du doch immer.«[ 2]»Dann laß uns gleich fahren, hm?«, sie legt ihre Hand auf seine, »... egal wohin, einfach nur weg, die Sonne auf der Haut spüren und sich den Wind durch die Haare wehen lassen, Arm in Arm über Wiesen schlendern und den Tag genießen, nur Du und ich.«[ 2]»Was, gleich jetzt?«[ 2]»Ja, jetzt sofort. Was hindert Dich?«[ 2]»Ich kann jetzt nicht weg! Ich steh’ im Viertelfinale!«[ 2]»Na und?«[ 2]»Was heißt hier na und? Bist Du verrückt? Ich kann doch jetzt nicht einfach abhauen! Noch zwei Spiele, und ich steh’ im Finale! Weißt Du eigentlich, was das heißt? Das ist hier nicht irgendeine Dorfveranstaltung!« Sabine zieht ihre Hand wieder zurück und senkt den Kopf. »Roman würde. Hat er gesagt.«[ 2]»Roman würde was?«[ 2]»Mich nicht hier alleine sitzen lassen. Und soll ich Dir ’was sagen? Ich würde mit ihm gehen!«

[ 6]Der plötzliche Stich in der Magengrube war so heftig, daß Titus sich vor Schmerzen krümmte. Schweiß brach ihm aus und überströmte seinen ganzen Körper. Hastig knöpfte er sich den Kragen auf und lockerte die Krawatte. Noch immer nach Luft ringend stolperte er vorwärts bis zum Tisch. Er mußte sich abstützen, um nicht in die Knie zu gehen. Die Augen weit aufgerissen starrte er auf eine der Kugeln, die einmal für so viel mehr gestanden hatten als nur ein Spiel. Da packte ihn die Wut, und mit einem mächtigen Hieb fuhr er achtlos durch das Abbild geschlagener Schlachten, daß trotz der begrenzenden Bande einer der Spielbälle vom Tisch geschleudert wurde.

[ 6]Ein Raunen geht durch die Halle. »Drittes Foul, Spiel Tathoff. Neuer Spielstand ... drei zu zwei Posch. Game Tathoff. Mister Posch leads three games to two«, verkündet der Schiedsrichter nach Romans drittem regelwidrigen Stoß in Folge. Der Spielverlust bringt Titus wieder bis auf ein Spiel heran. Neun weitere trennen ihn vom Sieg. Der Beginn dieses mit Spannung erwarteten Finales ist von großer Nervosität auf beiden Seiten geprägt. »Quiet, please.« Hunderte von Zuschauern verstummen schlagartig und beobachten Titus, der gerade zum Anstoß der nächsten Partie ansetzt. Die Anspannung aber auch sein Siegeswille stehen ihm ins Gesicht geschrieben.
[ 6]Die farbigen Kugeln sind zu einem Rhombus aufgebaut. Mit Wucht trifft der weiße Spielball auf den Pulk und sprengt ihn auseinander. Die Bälle jagen über den Tisch, werden von der Bande zurückgeschleudert, kollidieren miteinander, und zwei Farbige gehen in die Tasche. Kurzer Applaus von den Rängen, dann ist wieder Stille. Titus wechselt das Queue. Sorgfältig kreidet er die Spitze und studiert dabei die Lage der Kugeln. Die Reihenfolge ist vorgegeben. Er geht ein paar Schritte am Tisch entlang. Und zurück. Ab und zu beugt er sich bis dicht über das Tuch herunter. Jetzt setzt er zum Stoß an. Mehrmals schwingt er das Queue, bevor die lederne Pomeranze auf die Weiße trifft und sie quer über den Tisch schickt. Die angespielte Gelbe verschwindet in der Ecktasche. Verhaltener Beifall. Wieder prüft Titus die Stellung. Er weiß, daß jede Ablage stimmen muß, will er mit jedem Stoß eine Kugel versenken und damit am Spiel bleiben; bei einem Fehler müßte er die Aufnahme an Roman abgeben. Er zielt. Und locht. Kugel um Kugel. Von Nervosität keine Spur mehr. Endlich zeigt Titus, was er kann. Roman ist zum Zusehen verurteilt, während Titus bereits auf die letzte verbliebene – die gelbgestreifte „9“ – ansetzt ... und sicher senkt.
[ 6]»Herr Tathoff gleicht aus«, ertönt die Stimme des Schiedsrichters. »Neuer Spielstand ... drei beide. Game Tathoff. Three games all.«

[ 6]»NEEEIIIIIIN!!!«, brach es nun aus Titus heraus. Längst war es dunkel geworden, und der Regen suchte sich seinen Weg durch das undichte Dach der alten Halle. Ein paar aufgeschreckte Tauben flatterten auf. Und kamen wieder zur Ruhe. Titus sackte in sich zusammen. Er konnte den Film, der vor seinem inneren Auge ablief, nicht anhalten. Vergebens wälzte er sich auf dem naßkalten Steinboden und preßte sich die Hände an die Ohren.

[ 6]»Herr Posch nimmt eine Auszeit«, tönt es über die Lautsprecher. »Das Spiel wird für zehn Minuten unterbrochen. Time out by Mister Posch. The match will be continued in ten minutes.«
[ 6]Titus nimmt auf seinem Stuhl Platz, trinkt etwas, und mit einem Tuch fährt er über das Oberteil seines Queues. Aus den Augenwinkeln sieht er seinen Kontrahenten durch die Absperrung und aus der Halle gehen. Viele Spieler nutzen die Auszeit als taktisches Mittel, um den Gegner aus dem Rhythmus zu bringen. ‚Ich werde ihn schlagen’, spornt Titus sich selber an, ‚ich werde Dich besiegen, Du elender, mieser Hund! Nicht mal ein Wunder kann Dich jetzt noch retten!’
[ 6]Die Minuten vergehen wie Stunden, Sekunden werden zu einer Ewigkeit. Titus stützt seinen Kopf auf und schließt die Augen. Unter den Zuschauern braucht er nicht nach ihr zu suchen. Er weiß, daß sie nicht da ist, nicht mitfiebert, wie andere es tun, sondern nur darauf wartet, daß es endlich vorbei ist. Sie versteht eben nicht, daß es hier um mehr geht als nur einen weiteren Turniersieg, irgend eine Meisterschaft oder ein hohes Preisgeld. Um weit mehr.
[ 6]Die Geräuschkulisse nimmt zu. Das Publikum wird zunehmens unruhiger. Die Turnierleitung diskutiert mit anderen Offiziellen. Einer deutet auf die Uhr und gestikuliert Unverständliches. Ein Dickbäuchiger reagiert mit Achselzucken. Die Zeit ist längst überschritten, und noch immer keine Spur von Roman Posch. Ratlosigkeit. Dann allgemeines Kopfnicken unter den Offiziellen. Man ist sich einig. Nüchtern verkündet der Schiedsrichter die gefällte Entscheidung. »Spiel, Satz und Sieg Tathoff. Game, set and match Tathoff.«
[ 6]Unfähig zu einer Reaktion verharrt Titus auf seinem Platz. Der Beifall und die Unmutsbekundungen enttäuschter Zuschauer vermischen sich zu einem lauten Getöse. Der Schiedsrichter gratuliert als Erster. Blitzlichter gehen. Eine Menschentraube nimmt Titus in ihre Mitte. Alle reden durcheinander. Jemand greift zum Mikrophon und hält eine Ansprache. Dann wird Musik gespielt. Die Ränge leeren sich. Endlich faßt Titus die Kraft und steht auf. Hände werden geschüttelt. Jeder will gratulieren oder ihm auf die Schulter klopfen. Die Menschentraube geleitet ihn bis zum Siegertreppchen. Der Drittplazierte, die Sponsoren, Turnierleitung und Veranstalter stehen schon bereit. Die Musik verstummt. Jemand ruft Titus zum Sieger des Turniers aus. Von Beifall begleitet steigt Titus auf dem Treppchen ganz nach oben. Ein korpulenter Mann mit Bart überreicht den Siegerpokal. Einer der Sponsoren händigt Titus einen überdimensional großen Scheck aus. Wieder werden Hände geschüttelt. Links unterhalb von Titus nimmt der Drittplazierte seinen Platz ein. Auch er erhält einen Pokal. An der Stelle des Zweitplazierten bleibt das Treppchen frei. Gruppenfoto. Niemals hat Titus sich einsamer gefühlt oder so betrogen. Dann ertönt die Nationalhymne.

[ 6]Inzwischen war es dunkel geworden. Und merklich kühler. In den Unebenheiten des Bodens hatten sich Pfützen gebildet. Das marode Dach knarrte. Der böig aufbrausende Wind pfiff durch Spalten und Öffnungen. Flatternde Plastikfolien. Quietschende Scharniere. Irgendwo ein metallisches Klirren.
[ 6]Titus brummte der Schädel. Leise aufstöhnend rappelte er sich hoch. Gegen den Tisch gelehnt kramte er sein Taschentuch heraus und wischte sich den Schweiß von der Stirn. Der Kopfschmerz ließ allmählich nach. Titus atmete ein paar Mal tief durch. Dann machte er sich auf den Weg nach draußen zu seinem Wagen. Aus dem Kofferraum nahm er sein Spiel-Queue und einen Kanister und ging zurück. Das Queue legte er zu den Kugeln auf den Tisch. Dann schraubte er den Deckel des Kanisters ab und goß den Inhalt über dem Tisch aus. Schon bald war die Luft vom Gestank des Bezins erfüllt. Aus Vorsicht trat er etwas zurück, zündete ein Streichholz und warf es vor sich auf den Boden. Ein nur kurzzeitig helles Aufflammen, begleitet von dem puffenden Geräusch schlagartig verbrannten Sauerstoffs, dann schnellte ein bläuliches Glühen auf den Tisch zu. Es kroch an ihm hoch und breitete sich rasant aus. Aus den Ritzen quoll dichter Qualm, grelle Flammen züngelten ihm nach, umzogen bald den ganzen Tisch, um dann meterhoch nach oben zu schlagen. Das Holz verfärbte sich schwarz, Kunststoffteile warfen Blasen, schmolzen oder platzten ab. Es knackte und knirschte. Funken wurden wie Geschosse herausgeschleudert. Schwarzer Rauch stieg auf, in dunklen Wellen zog er an der Decke entlang und drohte alles einzuhüllen. Die Hitze war unerträglich. Titus nahm den Arm vor’s Gesicht und wich immer weiter zurück. Dann ein Ächzen und Rumpeln. Der Rahmen gab nach, und mit einem lauten Krachen fielen die schweren Schieferplatten nach unten durch. Die Beine knickten ein, und das ganze Gestell brach in sich zusammen. Glut wurde aufgewirbelt, prasselte als Funkenregen wieder zu Boden, dann wurden die Flammen ruhiger und gleichmäßiger.
[ 6]Erst im Morgengrauen war die letzte und entscheidende Schlacht geschlagen, die verzehrenden Qualen der Erinnerung endlich überwunden. Triumphierend sah Titus auf die bis zur Unkenntlichkeit verbrannten Überreste des Besiegten. Dann wandte er ihm für immer den Rücken.
 

Zefira

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Hallo visco,
Gratulation von mir! Eine der tollsten, spannendsten und farbigsten Geschichten, die ich hier bisher gelesen habe!

Hochinteressantes Milieu, atmosphärisch dicht geschildert, stimmige Charakterzeichnung, TOLL!

Mir gefallen die Wechsel zwischen den Erzählebenen besonders. Ein Tip: eine schöne Verbindung zwischen den Ebenen wäre hergestellt, wenn nach dieser Stelle

>Da packte ihn die Wut, und mit einem mächtigen Hieb fuhr er achtlos durch das Abbild geschlagener Schlachten, daß trotz der begrenzenden Bande einer der Spielbälle vom Tisch geschleudert wurde.<

das "Foul" nicht gegen Roman, sondern gegen Titus verhängt würde (falls Du Dich dazu durchringen kannst, daß Titus ein Foul kriegt...).

An dieser Stelle
> »NEEEIIIIIIN!!!«, brach es nun aus Titus heraus. Heulend sackte er in sich zusammen. <
... kommt mir der Energieausbruch etwas zu plötzlich und zu heftig. Bitte, wenigstens nicht "heulend". Das kann ich mir überhaupt nicht vorstellen. Weint er oder jault er wie ein Wolf?

Sonst Super Geschichte - nochmal Glückwunsch von mir! Hoffentlich lesen's recht viele!

Liebe Grüße,
Zefira
 

visco

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Hallo Zefira!

Zuallererst natürlich ganz lieben Dank für Dein großes Lob! :) Mit einer derartig positiven Reaktion hatte ich gar nicht gerechnet, wenn ich ehrlich bin. Ich war sehr unsicher, ob es mir gelungen ist, die Motivation des Protagonisten "Titus" für sein Tun nachvollziehbar zu schildern.
[ 6]Die mehreren Wechsel der Erzählebene erlauben zeitliche Sprünge in den Rückblenden, aber auch hier war ich nicht sicher, ob sie vielleicht zu ungewollten Verwirrungen führen. Umso mehr freue ich mich, daß meine Befürchtungen offensichtlich unbegründet waren. :)

Vielen Dank auch für Deine hilfreichen Tipps!
[ 6]Das Foul von "Roman", das zum Spielverlust führt, und mit dem Titus' Erinnerung an das Finale beginnt, leitet die Wende ein. Ja, Du hast Recht, bei der Überleitung vom Jetzt zur Rückblende wäre es 'runder', wenn Titus, der im Jetzt die Kugel vom Tisch schleudert, auch in der Rückblende das Foul begeht. Ich schrieb das (wiederholte) Foul dem in Führung liegenden "Roman" zu, um die spätere Entwicklung anzudeuten. Wenn er nicht mehr zurückkehrt, so hoffte ich, wird man denken, er habe zu Beginn der Partie darüber nachgedacht und sich nicht voll und ganz auf das Spiel konzentrieren können. - Ich werde aber ein wenig darüber brüten und es ggf. noch abändern.
[ 6]Der Ausgleich ist neben dem Foul die zweite Schlüsselszene des Finales. Im Jetzt weiß "Titus" bereits, daß es nach dem Gleichstand keine weitere Partie mehr geben wird. Ihm wird zwar der Turniersieg zugesprochen, aber er hat seinen Gegner nicht wirklich geschlagen. Darüberhinaus ist zu vermuten, daß er seine Freundin an "Roman" verloren hat. Seine Reaktion ist eine Mischung aus Wut und Verzweiflung. »Heulend ...« ist tatsächlich etwas unglücklich gewählt. Ich danke Dir für den Hinweis. Wie wäre es statt dessen mit »Kraftlos sackte er in sich zusammen.«? Oder hast Du einen anderen Vorschlag?

Liebe Grüße,
[ 6]Viktoria
 

Zefira

Mitglied
"Kraftlos" ist es auch nicht, liebe visco...
Die Geschichte geht dann ja so weiter, daß er sich am Boden wälzt und die Hände auf die Ohren preßt. Wenn ich mir das bildlich vorstelle, habe ich das Bild eines Energieschubs, der sich in Titus' Innern verhakt und sich keine Bahn nach außen schaffen kann... Dann ist er nicht kraftlos. Vielleicht eher "hilflos"? Du könntest auch einfach setzen: "Er sackte in sich zusammen"...

Für mich war übrigens ganz klar, daß Roman nicht wiederkam, weil er sich mit Titus' Freundin davongemacht hat. Das hast Du geschickt angedeutet, und mir gefällt sehr, daß es nicht direkt ausgesprochen wird.

Meine "10" ist im Rohr; wenn wir den kleinen Holperer mit Titus' Zusammensacken rauskriegen (vielleicht hat ja noch jemand anders eine Idee?), schicke ich sie ab :D

Zefira
 

visco

Mitglied
Hallo Zefira!

Ich habe die betreffende Textstelle jetzt wie folgt abgeändert:
»NEEEIIIIIIN!!!«, brach es nun aus Titus heraus. Längst war es dunkel geworden, und der Regen suchte sich seinen Weg durch das undichte Dach der alten Halle. Ein paar aufgeschreckte Tauben flatterten auf. Und kamen wieder zur Ruhe. Titus sackte in sich zusammen. Er konnte den Film, der vor seinem inneren Auge ablief, nicht anhalten. Vergebens wälzte er sich auf dem naßkalten Steinboden und preßte sich die Hände an die Ohren.
Was hälst Du davon?

Lieben Gruß,
[ 6]Viktoria
 

Zefira

Mitglied
So ist es wirklich besser.

Ich habe es eben noch mal ganz gelesen und bin von neuem beeindruckt. Die ganze Atmosphäre, die Übergänge zwischen den Zeitebenen... "Bitte sag mir, daß du verloren hast." Das kommt wie eine kalte Dusche.

Großartige Geschichte. Also ab mit der 10, die sollte auf die Bestenliste kommen!
War ein toller Neueinstieg für mich nach der Lupenpause :D
Liebe Grüße,
Zefira
 

visco

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Nochmals Danke

@Zefira:
Vielen Dank für Deine hilfreiche Unterstützung und natürlich auch die Top-Bewertung! :) Deinem Lob habe ich einen neuen Motivationsschub zu verdanken, selbst wenn andere Leser - respektive Leserinnen - diesen Text für eher weniger gelungen halten, wie eine zweite Bewertung zeigt.

@alle:
Über weitere Äußerungen, Kritik oder Verbesserungsvorschläge würde ich mich sehr freuen.

Einen lieben Rundumgruß,
[ 6]Viktoria
 

Zefira

Mitglied
Ich glaube, das ist auch sehr Geschmackssache, visco. Manch einer würde vielleicht beanstanden, daß Deine Geschichte eher konventionell ist, sowohl inhaltlich als auch stilistisch. Aber ich mag so was, ich habe eine Schwäche für einfach gut erzählte Geschichten; vor allem, wenn die Hauptperson etwas total Verrücktes tut, aber trotzdem glaubwürdig rüberkommt... wie hier.

Aber es wäre schön, wenn sich noch mal jemand anders dazu melden würde....
 
Hallo Visco!
Erst einmal herzlichen Glückwunsch zu dieser grandiosen Idee!

Hier ein paar Bemerkungen:
Den Anfangsabschnitt würde ich ein wenig kürzen:
»So, das war´s. Ich wär´ dann fertig.« Den Werkzeugkoffer in der Hand wandte er sich dem [red]merkwürdigen Kauz[/red] zu, der ihn in dieser stillgelegten Fabrikhalle einen Billardtisch hatte aufstellen lassen – [red]nicht etwa einen dieser kleinen Münztische, wie man sie im Hinterzimmer einer Gaststätte vorfindet, sondern[/red] ein exklusives Modell mit feinstem Tuch und offiziellen Turniermaßen. »Ist wohl für´n Fototermin?« Der Monteur grinste verschmitzt. »Schöne Models und so, wie?« Aus der Brusttasche seines Overalls zückte er die Rechnung und hielt sie dem Kunden hin. Titus Tathoff, [red]heute erfolgreicher Unternehmer und Teilhaber einer Technologieschmiede,[/red] tauschte das Papier ungelesen gegen ein Bündel Banknoten. »Den Rest können Sie behalten«, sagte er gedankenverloren [red]und ging ein paar Schritte näher an das erworbene Prunkstück heran. Etwas ungläubig, dann aber doch mit freudiger Miene[/red] ließ der Monteur das Geld in seiner Tasche verschwinden. »Tja, also wenn ich noch mal ’was für Sie tun kann, ...« [red]Titus nickte flüchtig. Dann endlich ließ ihn der Monteur allein. [/red]Frühsommerliche Sonnenstrahlen fielen durch eingeworfene Sprossenfenster, [red]und von irgendwoher waren die Flügelschläge einiger Vögel zu hören,[/red] als der Lieferwagen davonbrauste.

Die roten Stellen sind für mein Gefühl Nebensächlichkeiten, ohne die der Anfang mehr Schwung bekäme....


Weitere Stellen, die mir beim Lesen den Fluss rauben....

[red]Titus verharrte bewegungslos an Ort und Stelle.[/red] Sein Blick haftete an dem grünen Tuch und den farbigen Kugeln. [blue]Das Szenario einer offenen Feldschlacht, nachgestellt mit runden Zinnsoldaten in bunten Uniformen.[/blue] ???
[red]Elf Gewinnspiele, neun Kugeln, ein Sieger. [/red] Zu bezwingen galt es niemand Geringeren als Roman Posch, [red]damals[/red] eine bekannte Größe im europäischen Poolbillard,[red] so wie er selbst.[/red] Nie zuvor hatten sie sich in einem Finale gegenüber gestanden, bis zu jenem denkwürdigen 13. Juni. Sein halbes Leben lag das nun zurück, [red]durchaus gute Jahre, in denen aus einem überheblichen Heißsporn ein gut verdienender Geschäftsmann wurde,[/red] und doch nicht lange genug, um die Erinnerung an diesen einen Tag verblassen zu lassen.

»Hey, Titus! Tolles Spiel!«, reißt ihn eine [red]unbekannte[/red] Stimme aus seinen Gedanken. Gesichter, die er nicht [red]gleich[/red] zuordnen kann, umringen ihn. Fremde Hände klopfen ihm auf die Schulter, als er sich seinen Weg nach draußen bahnt, vorbei an den Zuschauerrängen.

....andere Partien sind noch in vollem Gange. Auf der Anzeigetafel erlischt das Ergebnis seiner Begegnung und [red]wird durch ein neues ersetzt.[/red] Geschafft. Eine Runde weiter. Sein Gegner im Viertelfinale ist noch nicht ermittelt. Olssen oder van Bruiken, beides Spitzenspieler. Besonders van Bruiken hatte ein starkes Jahr. Drei Turniersiege, amtierender niederländischer Meister im 9-Ball. Ob er sich aber gegen Olssen durchsetzen kann, diesen brillianten Techniker mit [red]gutem[/red] Sicherheitsspiel, [red]das wird sich zeigen[/red].
[red] An den Infoständen und [/red]vor dem Turnierplan im Vorraum der Sporthalle drängt sich eine bunte Menge aus Billardsportinteressierten [red]und von den Plakaten in der Umgegend Angelockten. Dazwischen[/red] dickbäuchige Repräsentanten verschiedener Fachverbände und [red]einige der[/red] Teilnehmer mit ihren Angehörigen. Draußen [red]auf dem Vorplatz das gleiche Bild. Nur [/red]der Geräuschpegel ist deutlich höher. Der Geruch von Grillkohle und verdampfendem Fett liegt in der Luft. [red]Dank des schönen Wetters haben die Essensstände und Getränkebuden gut zu tun. Zu aktuellen[/red] Musiktiteln aus überdimensionierten Lautsprechern werden Billardartikel feilgeboten, [red]vom nötigen Equipment über mehr oder minder sinnvolles Zubehör bis hin zu allerlei Alltagsgütern mit Billardmotiven. [/red]


»Eine wirklich überzeugende Darbietung. Kompliment, Titus, nur weiter so.«
Vorschlag für das Folgende: Titus bleibt stehen. Am Präsidenten des nationalen Billardverbands geht man nicht einfach vorbei. Das angebotene Getränk lehnt Titus höflich ab. Er sagt ein paar lobende Worte über den Ausrichter und das variantenreiche Spiel des gerade Besiegten
[red]gehören zur Pflicht und lassen zufriedene Mienen zurück. [/red]
Warum passiv?

Auf dem Parkplatz [blue]steuert er zielstrebig[/blue] seinen Wagen an.


Die Fahrertür steht offen. Sabines Füße baumeln aus der heruntergelassenen Seitenscheibe, und Titus [blue]ahnt bereits, in wessen Schoß ihr Kopf ruht, noch bevor er Roman direkt in die Augen blickt. [/blue]
Wieso, er hat ihn doch ein halbe Leben nicht gesehen? Schlüssiger wäre: Er traute seinen Augen nicht.... Es war Roman, der ihm grinsend zunickte...

»Na endlich!«, stöhnt Sabine, als sie ihn bemerkt, [red]aber selbst in seiner Gegenwart [/red]macht sie keine Anstalten, eine andere Position einzunehmen. »Bitte sag’ mir, daß Du verloren hast und wir nach Hause fahren können.«

»Tja, ich denke, ich werd’ dann mal wieder«, bleibt Roman gelassen und steigt aus. Neben Titus hält er kurz inne. Kameradschaftlich klopft er ihm auf die Schulter, erntet dafür aber nur einen abfälligen Blick.
Vorschlag: ....Roman steigt lässig aus und klopft Titus kumpelhaft auf die Schulter, der ihn mit Blicken erdolchen möchte.

[blue] »Und bevor Du fragst, es war nichts, okay?!«, läßt sie ihn augenblicklich wissen. »Ich hab’ nichts gesagt.«[/blue]
Gesagt? „Getan“ wohl eher, oder?

Ein super Vergleich:
»Na klasse! Zugucken, wie zwei Jungs mit Murmeln ’rumknickern. Echt aufregend!“

Jetzt hat Deine Geschichte auch Fluss. Der Dialog im Auto ist super!

Dann kommt ein Zeitenwechsel: vorher war alles Gegenwart. Der Abschnitt „Der plötzliche Stich ....“ ist in Vergangenheitsform.
Danach geht es wieder im Gegenwartsform weiter.
Ich hab auch nicht ganz verstanden, was er da am Tisch macht?
Zefira hat ja auch bemerkt, dass Titus eigentlich den Strafpunkt bekommen müsste.


Ein Raunen geht durch die Halle. »Drittes Foul, Spiel Tathoff. Neuer Spielstand ... drei zu zwei Posch. Game Tathoff. Mister Posch leads three games to two«, verkündet der Schiedsrichter nach Romans drittem regelwidrigen Stoß in Folge. Der Spielverlust bringt Titus wieder bis auf ein Spiel heran. Neun weitere trennen ihn vom Sieg. [red]Der Beginn dieses mit Spannung erwarteten Finales ist von großer Nervosität auf beiden Seiten geprägt.[/red] »Quiet, please.« Hunderte von Zuschauern verstummen schlagartig und beobachten Titus, der gerade zum Anstoß der nächsten Partie ansetzt. Die Anspannung aber auch sein Siegeswille stehen ihm ins Gesicht geschrieben.

Vorschlag: Wenn Titus die Wut packt – oder besser, die Eifersucht, dann könnte er sie doch in Siegeswillen umsetzen und gezielt und treffsicher spielen, um den Vorgang der Strafstöße ganz auf Romans Seite zu lassen! Ich könnte mir auch einen Satz denken wie: Ein eisiges Gefühl kroch in ihm hoch. Spielte der absichtlich Foul?
Ist aber vielleicht zu direkt und entspräche nicht deinem subtilen Vorgehen.

Jetzt kommt endlich die Beschreibung eines Spiels, auf die ich als Anhänger dieses Sports gewartet habe. Genüsslich lasse ich mir die Sätze auf der Zunge zergehen, bis auf kleine Formulierungen, die wieder mit aktiv/passiv zu tun haben.
Z.B.
[blue]werden von der Bande zurückgeschleudert[/blue], Vorschlag: prallen an der Bande ab...
kollidieren [red]miteinander[/red]
Der Rest dieses Abschnitts ist prima.
Den folgenden Gefühlsausbruch hast Du ja schon mit Zefira eingehend besprochen.
Ich mag diese Stelle!


Herrlich auch jetzt die Anspannung in ihm, während er weiß, dass er sie nicht unter den Zuschauern finden würde....
Auch, wie er dann zum Sieger gekürt wird und er nun – wirklich passiv – das ganze wie in Trance erlebt – das ist großartig, Visco!

Die Brandszene ist ein Kabinettstückchen in sich!
Darin fiel mir nur ein überflüssiger Satz auf
[red]Die Hitze war unerträglich[/red] Das wird ja durch sein Zurückweichen gesagt.

Erst im Morgengrauen war die letzte und entscheidende Schlacht geschlagen,[red] die verzehrenden Qualen der Erinnerung endlich überwunden.[/red] Triumphierend sah Titus auf die bis zur Unkenntlichkeit verbrannten Überreste des Besiegten. Dann wandte er ihm für immer den Rücken.

Er kann zwar den Tisch, nicht aber die Erinnerungen beseitigen, oder?

Visco, mein Lob gilt Deiner Kunst, mit überraschenden Wendungen aufzuwarten (mir fällt da deine Geschichte „Der Umschlag“ wieder ein)

Da kann ich nur rufen: Encore! Noch solch eine Geschichte!
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Take it easy, but take it!
 

visco

Mitglied
Hallo Doc!

Junge, Junge, da hast Du Dir aber eine Menge Arbeit gemacht! Vielen lieben Dank, daß Du Dich so ausführlich mit dem Text auseinandergesetzt hast. Dafür gibt´s ein dickes Bussi :-X

Zu Deinen Anmerkungen zum Beginn der Geschichte:
  • merkwürdigen Kauz: hier findet der Protagonist zum ersten Mal Erwähnung. Statt ihn beim Namen zu nennen – was später folgt – habe ich mich für eine Umschreibung entschieden, die das beim Leser noch zu entstehende Bild von ihm vorab in eine bestimmte Richtung lenkt.
  • Münztisch: die Poolbillardtische mit Münzeinwurf sind deutlich kleiner als die Turnierausführung, auf der Meisterschaften ausgetragen werden, und sie kosten nur einen Bruchteil dessen. Auch das beschreibt den Protagonisten. Er ist kein Kneipenspieler sondern Sportler gewesen, und er ist verrückt genug, mal eben mehrere Tausend Euro aus dem Fenster zu werfen.
  • heute erfolgreicher Unternehmer und Teilhaber einer Technologieschmiede: nähere Beschreibung des Protagonisten. Er ist wohlhabend, und die Technologieschmiede deutet an, daß er einfallsreich ist. – Dem „heute“ steht etwas weiter im Text das »damals eine bekannte Größe im europäischen Poolbillard« gegenüber.
  • und ging ein paar Schritte näher an das erworbene Prunkstück heran: Titus´ ganze Aufmerksamkeit gilt dem Tisch. Durch das Weggehen entzieht er sich einem Gespräch.
  • Etwas ungläubig, dann aber doch mit freudiger Miene: das Trinkgeld war wohl mehr als üppig. Das Geld bedeutet Titus nichts. Er scheint es regelrecht loswerden zu wollen. Ich hätte nichts gegen die Auslegung einzuwenden, daß er sein ganzes erspieltes Preisgeld als ‚schmutziges’ Geld weggibt.
  • Titus nickte flüchtig. Dann endlich ließ ihn der Monteur allein: auch das möchte ich lieber nicht weglassen. Erstens zeigt es, daß Titus nur noch auf den Tisch fixiert ist, und zweitens möchte ich keine Zweifel daran aufkommen lassen, ob der Monteur später noch anwesend ist oder nicht.
  • und von irgendwoher waren die Flügelschläge einiger Vögel zu hören: zum einen ein Indiz dafür, daß es leise ist (es gibt also weit und breit nicht vielleicht andere Fabrikhallen, in denen noch gearbeitet wird), und zum anderen eine Metapher für die in Titus aufsteigenden Erinnerungen, denen er sich erst bewußt aussetzt, als er ganz alleine ist.
Mehr Schwung zu Beginn der Geschichte halte ich natürlich auch für wünschenswert, aber ich bin skeptisch, ob ich das durch Weglassen der von Dir markierten Passagen erreichen würde, mit denen doch die in meinen Augen ein oder andere relevante Information vermittelt wird.
Meines Erachtens verhält sich das ebenso mit den meisten Deiner weiteren Streichungen, die Du vorschlägst, auf die ich hier aber nicht alle eingehen möchte. Einige andere aber haben mir zu denken gegeben, und ich werde Deine Anregungen mit Sicherheit bei meiner Überarbeitung berücksichtigen.


Nur noch schnell zu ein paar Deiner Fragen/Anmerkungen:
  • »und Titus ahnt bereits, in wessen Schoß ihr Kopf ruht, noch bevor er Roman direkt in die Augen blickt.« - Doc: Wieso, er hat ihn doch ein halbe Leben nicht gesehen?
    Ähem ... nein, nein, alle in Präsens gehaltenen Abschnitte sind Rückblenden. Was Titus vor seinem geistigen Auge erneut durchlebt, liegt sein halbes Leben zurück.
  • »Und bevor Du fragst, es war nichts, okay?!«, läßt sie ihn augenblicklich wissen. »Ich hab’ nichts gesagt.« - Doc: Gesagt? „Getan“ wohl eher, oder?
    Titus antwortet, daß er ja gar nichts gesagt habe, und Sabine kontert: »Aber gedacht. Das denkst Du doch immer!«
  • Doc: Dann kommt ein Zeitenwechsel: vorher war alles Gegenwart. Der Abschnitt „Der plötzliche Stich ....“ ist in Vergangenheitsform. Danach geht es wieder im Gegenwartsform weiter. Ich hab auch nicht ganz verstanden, was er da am Tisch macht?
    Die eigentliche Geschichte in im Imperfekt gehalten. (Tisch anliefern lassen, anstarren, emotionale Ausbrüche, verbrennen des Tischs). Im Gegensatz dazu sind alle Rückblenden im Präsens (Erreichen des Viertelfinales, Gespräch mit Sabine, Finalspiel).
  • »die verzehrenden Qualen der Erinnerung endlich überwunden.« - Doc: Er kann zwar den Tisch, nicht aber die Erinnerungen beseitigen, oder?
    Nein, aber die verzehrenden Qualen ;-)

Nochmals vielen Dank! Du hast mir wirklich eine Menge Anregungen geliefert, über denen ich jetzt erst mal wieder eine Weile sitzen werde.

Und natürlich gaaaanz lieben Dank für Dein großes Lob! :)

Bis bald mal wieder,
[ 6]Viktoria
 



 
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