Mein Vorschlag, den Text zu kürzen und daraus mehrere, aufeinander folgende Kurzgeschichten zu machen:
Vier Nächte eines Taxifahrers
Erste Nacht
„Ich bin Reichsbürger, ich darf umsonst fahren“, der korpulente Mann setzte sich hinten ins Taxi, in dem Erwin und seine Kollegin, Kreolen-Roswitha, sich zu einem kurzen Plausch zusammengefunden hatten, „nach Schwübelingsen!“
„Sie können zu Fuß nach Schwübelingsen gehen, wenn Sie nicht bezahlen wollen“, sagte Kreolen-Roswitha, „auch wenn Sie Reichsbürger oder der Kaiser von China sind!“
„Moment, ich zeige Ihnen meinen Ausweis, der mich dazu berechtigt.“ Der Mann zückte einen Ausweis, der ihn als Reichsbürger erster Ordnung auswies, „und nun fahren Sie bitte!“
„Tut mir leid“, sagte Erwin, „wir sind Staatsangehörige erster Klasse des freien Königreiches Deutschland und stehen damit dienstgradmäßig über Ihnen. Hiermit verweisen wir sie unseres Taxis!“
„Ja aber…“
„Roswitha, würden Sie freundlicherweise ihren Viehtreiber Hot Shock Plus bei diesem sympathischen Herren zur Anwendung bringen, um ihn aus dem Taxi zu entfernen?“
„Sehr gerne.“
Kreolen-Roswitha zog ihren Viehtreiber und ließ ihn knistern.
„Ich weiche der Gewalt, aber Sie hören noch von mir!“
Der Mann stieg aus.
„Jetzt bin ich reif für eine Pause!“
Erwin ging Kaffeetrinken und Kreolen-Roswitha setzte sich wieder in ihr Taxi.
Er ging ins Speakeasy, eine Taxifahrerkneipe und trank wie üblich viel Kaffee, extra stark.
Als die Duke-box plötzlich schwieg, weil niemand mehr Münzen einwarf, hörte er einen Mann am anderen Ende der Theke zu einer Frau sagen: „Es steht geschrieben, dass wenn ein Weib seinem ihm angetrauten Manne die höchste Wollust nur vortäuscht, so soll sie auf ewig in der Hölle schmoren!“
‚Mein Gott‘, dachte Erwin, ‚bloß raus hier!‘
Kaum saß er im Taxi, hatte er eine Fahrt. Eine betrunkene Frau war aus dem Oberon abzuholen. Sie stellte sich als Frau von Staudinger heraus, ein Stammfahrgast.
„Herr Öttinger, hicks! Endlich ssssind Sie da! Ich dachte schon ich müsste … hui …wieder zu Fuß … puhhhh … nach Hause.“ Frau von Staudinger hatte etliche leere Bierflaschen und einen leeren Currywustteller vor sich, „kö…können Sie mich … hui … noch mal eben …puhhhh … auslösen? Sie kriegen das Geld bei mir sssuhause. Verschprochen! Mmmein Mmmmann ist mal kurssss verreist und dassss habe ich … ups … ausgenutzt!“
„Geht klar, Frau von Staudinger.“
„Ich hab ich gar nicht gewussssst, dassss Bier so reinhauen kann.“
„Tja, wenn man es nicht gewohnt ist … Darf ich Ihnen meinen Arm reichen, Frau von Staudinger?“
„Oh, dassss issss aber nett, Herr Obermann! – Vergessssen Sie nicht, die nette … puhhhh … Frau, die mir dassss Bier brachte, zu bessssahlen: Frrrrollein…!“
„Wird erledigt! Setzen sie sich schon mal ins Taxi, ich regele das.“
Erwin bezahlte.
„Dassss issss aber nett! Ich bin ihnen ja sssso dankbar! Was mir jetsssst noch fehlt, issss ein multipler Orgassssmussss!“
„Wie bitte?“, fragte Erwin und startete.
„Dassss kann natürlich in eine ßßßeremoinie aussssarten, denn bei den kurz aufeinanderfolgenden Orgassssmussssen bleibt die Erregung konschtant erhalten, … puhhhh … während bei den Höhepunkten, die ssseitlich voneinander getrennt sind, die Lusssst jedoch immer wieder neu aufgebaut wird. – Ich denke: Wir schaffen dasss!“
„Bedaure außerordentlich, Frau von Staudinger, aber in ihrem jetzigen Zustand ist das nicht anzuraten.“
„Wollen wwwwir es nicht trossssdem mal verrrrssssuchen?“
„Besser nicht, gnädige Frau. Ich bin ein lausiger Liebhaber. Und eine Frau, die den Orgasmus vortäuscht, kommt in die Hölle, habe ich gerade irgendwo gehört! Davor möchte ich Sie bewahren, Frau von Staudinger.“
„Tatssssächlich? Dassss glaube ich nich! Puhhh … Dann wär ich sssschon längst inner Hölle! Ich täusch‘ bei meim‘ Mann immer den Orgassssmussss vor! – Hassss du mah‘ ne Ssssigarette?“
„Selbstverständlich.“ Erwin gab ihr eine Zigarette und Feuer.
„Danke sssschön! – Mein Mann weissss nichtmal, dassss ich einen G-Punkt hab‘!“
„So, da wären wir: Darf ich Sie ins Haus geleiten, Frau von Staudinger?“
Erwin stieg aus und öffnete Frau von Staudinger die Tür.
„Dassss issss aber nett, Herr Opelmann! – Wären Ssssie wenigstens so nett, mir sssu einem … hicks … klitoralen Orgasmussss zu verhelfen, wenn es schon kein … oh Gottogottogott … multipler Orgassssmussss sein kann?“
„Das verschieben wir auf später, gnädige Frau. Darf ich bitten?“
„Ssssum Orgassssmussss? Sehr gerne!“
„Eigentlich möchte ich sie nur ins Haus geleiten, gnädige Frau.“
„Aber dassss mit dem Orgassssmussss behalten wir … ups, gar nich‘ so einfach aussssusteigen … im Auge, nicht wahr Herr Doppelmann?“
„ Moment bitte“, Erwins Handy hatte sich gemeldet.
„Funktaxen Bock. Einen schönen Tag, was kann ich für Sie tun?“
„Ja, Orschitsch“, eine Frauenstimme war zu hören, „schicken Sie mir bitte ein Taxi ins ‘Hotel zur alten Post‘.“
„Selbstverständlich, Frau Orschitsch. Es wird etwa zehn Minuten dauern. Danke für den Auftrag.“
„Gerne geschehen. Bis gleich.“
„Tja“, Erwin steckte sein Handy wieder ein, „Sie haben gehört, die Pflicht ruft. Ich bringe Sie noch schnell ins Haus, Frau von Staudinger, dann muss ich weiter!“
„Jetssss issss meine Ssssigarette ausgegangen. Egal. Bingen sssie mich bitte ins Haussss, ich hätte doch nicht … puh … so viel Bier trinken sollen …“
Nachdem Erwin Frau von Staudinger glücklich in ihr Haus gebracht und fünfzig Euro für die Fahrt und ihre Zeche erhalten hatte, fuhr er zur ‘alten Post‘, Frau Orschitsch abholen.
Zweite Nacht
Vier Damen mit langen Haaren waren in der alten Post in Aufbruchsstimmung und sie enterten fröhlich lachend das Taxi.
„So“, sagte die Erste, von der Erwin annahm, dass es Frau Orschitsch war, „wir machen jetzt eine Rundfahrt. Sie werden uns alle schön nach Hause bringen. Erste Station: Gerberstraße!“
„Gerne“, antwortete Erwin, „darf ich das Radio anmachen?“
„Ja, gerne.“
„Dann wollen wir uns mal auf den Weg machen. Zunächst die Gerberstraße, sagten Sie?“
„Genau.“
Erwin schaltete im Radio den Sender mit „Musik zum Tanzen und Träumen“ ein, und startete. Die Damen achteten kaum auf die Musik, sie unterhielten sich. Erwin schnappte ‘Operation High Jump‘, ‘Aldebaran‘ sowie ‘Neuschwabenland‘ auf und wurde stutzig. Als der Name ‘Doktor Axel Stroll‘, ‘Vril-Gesellschaft‘ und ‘Thule‘ auftauchten, hätte er die Gerberstraße fast verpasst.
Eine der Frauen, stieg in der Gerberstraße aus, nachdem sie sich ausgiebigst verabschiedet hatte. Erwin wartete, bis sie sicher im Haus war und fuhr die nächste Adresse an. Bei dem weiteren Gespräch der Damen ging es um darum, dass Rotwein gesund sei – Templerwein.
Die nächste Dame verließ das Taxi. Erwin fuhr weiter.
„Entscheidend ist die Länge des Frauenhaares als Sender und Empfänger…“, fing er einen Gesprächsfetzen auf, bis die nächste Dame von Bord ging.
„Und nun fahren wir nach Dammlingsen“, sagte diejenige, von der Erwin annahm, dass er sich um Frau Orschitsch handelte, „sollten Sie etwas aufgeschnappt haben, behalten Sie das bitte für sich. Die Menschheit ist noch nicht soweit, die Wahrheit ertragen zu können.“
„Ich höre gar nicht hin, was meine Fahrgäste sagen“, erwiderte Erwin, „ich denke meistens an mein Hobby: Modellbau! Ich baue gerade eine Reichsflugscheibe als Modell. Ich weiß nur noch nicht, wie ich den Vril-Antrieb und die Magnet-Impulssteuerung machen soll. Aber das wird sich finden! Schade das Viktor Schauberger nicht mehr lebt, ich hätte ihn zu diesem Thema gerne kontaktiert.“
Die Frau sah Erwin fassungslos an. „Was wissen denn sie von der Vril-Gesellschaft, Reichsflugscheiben und Schauberger?“, fragte sie bestürzt.
„Nur dass, was jeder weiß: Die Vril-Gesellschaft ist der Name einer Gesellschaft, die Anfang bis Mitte des zwanzigsten Jahrhunderts in Deutschland existiert haben soll. Sie hat angeblich übernatürliche Energien dazu benutzt, um während der Zeit des Nationalsozialismus innovative Fluggeräte zu entwickeln, die so genannten ‘Reichsflugscheiben‘. – Besonders die Vril V7, und die Hauneburundflugzeuge, sowie das Andromedagerät sind sehr interessante Projekte im Modellbau!“
„Mehr wissen Sie nicht?“
„Nein. Mehr gibt es, glaube ich, auch nicht darüber zu wissen. – Ach, fast hatte ich’s vergessen: Eine Namensvetterin soll in der Vril-Gesellschaft mitgespielt haben, Frau Orschitsch.“
„Maria Orschitsch - das war meine Mutter! Ich bin Gerti Orschitsch! – Wir versuchen die Vril-Gesellschaft wieder aufleben zu lassen. Wollen Sie nicht mitmachen, Herr…? Sie machen den Eindruck, als wären Sie mal was Besseres gewesen.“
„Was soll es besseres geben, als Taxifahrer? – Vielleicht sehen wir uns mal wieder, Frau Orschitsch. Im Moment habe ich sehr viel um die Ohren!“
„Verstehe. Aber denken Sie immer dran: "Das schnellste was fliegen kann, ist der Gedanke!"
3. Nacht
Der Taxenplatz am Bahnhof war leer, nur ein mürrisch dreinblickender Kerl winkte Erwin heran, er wollte zu einem Ort etwas außerhalb.
Na ja, dachte Erwin, …ist zumindest nicht besoffen, brauche ich wenigstens nicht zu quatschen.
Kaum waren sie außerhalb der Stadt, rammte der Mann Erwin eine Pistole in die Rippen und wollte sein Portemonnaie: „Drück bloß nicht auf den Alarmknopf!“
Sein Chef hatte zwar mal was von einem Alarmknopf gesagt, der das Taxenschild auf dem Dach blinken und die Hupe wie eine Sirene auf und abschwellen ließ. Wo der Knopf saß, hatte Erwin völlig verdrängt und geglaubt, ihm würde so etwas bestimmt nicht passieren, und nun war es doch geschehen.
„Wird’s bald?“, knurrte der Kerl neben ihm und verstärkte den Druck der Waffe.
Das kleine Ding, dass ihm in die Rippen gedrückt wurde, war sicher ein Spielzeug.
„So komme ich nicht dran“, krächzte Erwin, „ich muss erst anhalten.“
„Dann halt‘ doch an, Blödmann!“
Erwin hielt auf offener Straße an. Weit und breit keine Menschenseele, kein Haus, nichts.
Was, wenn es doch eine echte Waffe war, die der Kerl ihm in die Rippen bohrte? So, wie der die Waffe handhabte, würde sie bestimmt nicht tödlich ins Herz treffen, eher würde das Geschoss die Lunge zerreißen.
„Wird’s bald?“
„Ich muss aussteigen, die Geldtasche steckt in der Fahrertür.“
„Dann steig doch aus! Aber keine Zicken!“
Der Druck der Waffe ließ nach, der Kerl zog den Schlüssel ab, stieg aus und ging um den Wagen.
‚Anfänger!‘, dachte Erwin, stieg auch aus, nahm sein Portemonnaie dabei aus der Seitentasche der Tür und hob die Hände als würde er sich ergeben, mit der Geldbörse in der rechten Hand. Die Geldbörse war schwer vom Kleingeld.
Ein richtiger Profi hätte Erwin befohlen, das Portemonnaie auf den Boden zu legen, ein paar Schritte zurückzugehen, hätte das Portemonnaie genommen und wäre mit dem Taxi weggefahren.
Aber er steckte nur seine Hand nach dem Portemonnaie aus. Erwin schlug mit dem Portemonnaie zu, auf den Kopf des Ganoven zielend. Der ließ Pistole und Schlüssel fallen und brach zusammen. Erwin setzte einen Fußtritt nach und noch einen, von Zorn erfüllt und Ekel vor betrunkenen Gestalten wie diesen.
Der Kerl übergab sich, Erwin trat noch einmal zu, nahm Schlüssel und Pistole an sich, steckte sein Portemonnaie wieder in die Seitentasche der Tür, die Pistole in seine Jackentasche. Er stieg ein, stellte die Uhr auf Null und fuhr weg.
Vierte Nacht
Er wollte gerade wieder zum Bahnhof fahren, alas sein Chef ihn zum Café Clabe beorderte, einen Herrn Friesinger abholen.
Bei dem Namen ‚Friesinger‘ läutete was bei Erwin, er konnte den Namen aber nicht unterbringen. Er dachte drüber nach bis er beim Café Clabes war und er Otto, einen Stammfahrgast mit einer drallen Rothaarigen erkannte.
„Otto, das ist aber schön! Wollen wir uns auf den Weg machen?“
„Erwin! Die Welt ist doch eine Erbse! – Darf ich vorstellen: Ilse Jänisch. Erwin Oppermann, mein Lieblingstaxifahrer. Ilse und ich haben uns in der Kartonfabrik kennengelernt. Sie arbeitet auch in der Qualitätssicherung, in der gleichen Schicht.“
„Erwin und verabreichte Frau Jänisch einen Handkuss.
Frau Jänisch errötete und knixte leicht.
„Darf ich Sie zu meiner Kraftdroschke bitten?“
„Ach, Erwin. Du übertreibst mal wieder!
„Sie waren beim Taxi angekommen und Erwin hielt die Tür auf: „Gnädige Frau, bitte nehmen sie Platz. Musik gefällig?“
„Sehr gerne, Herr Oppermann.“
Frau Jänisch ließ sich ins Taxi gleiten, Otto folgte ihr und sagte, während Erwin im Radio Musik suchte: „Zu mir nach Hause bitte. Kennen sie den: Kommt ein Mann in den Sexshop und verlangt eine Gummipuppe: „Aber junger Mann!“, sagt die Verkäuferin, „Sie haben doch letzte Woche erst eine Gummipuppe bei uns gekauft!“ „Ja“, meint der Mann, “mit der habe ich aber Schluss gemacht. Die hat mir den Orgasmus immer nur vorgespielt!“ Höhöhö!“
„Tja“, grinste Erwin und startete Uhr und Taxi, „habe mal irgendwo gehört, dass eine Frau in die Hölle kommt, wenn sie einen Orgasmus vortäuscht!“
„Das ist bei uns mitnichten der Fall!“, sagte Frau Jänisch, „den Sender können Sie lassen, der ist schön!“
Leider wurde die Musik von den Nachrichten unterbrochen. Das Übliche. Erwin hörte gar nicht mehr hin. Als die Durchsage kam, dass wieder ein Taxifahrer überfallen worden war, merkte Otto auf: „Was würdest du machen, wenn einer mit einer Pistole kommt und deine Geldbörse haben will?“
„Ist mir gerade passiert“, sagte Erwin, „die Wahrscheinlichkeit dass mir sowas zweimal in einer Nacht passiert, ist äußert gering.“
„Was? Du bist eben überfallen worden?“
„Ja. Glücklicherweise hatte der Typ nur eine Spielzeugpistole. Ich habe ihm die abgenommen. Willst du sie mal sehen?“
Erwin reichte Otto die Pistole nach hinten.
Otto nahm die Waffe in Empfang und schrie auf: „Bist du verrückt? Die ist echt - noch dazu ungesichert!“
„Sag‘ bloß!“
Otto ließ den Sicherungshebel knacken.
„Du kannst doch nicht einfach eine halbautomatische Handfeuerwaffe ungesichert mit dir herumtragen!“
„Wieso nicht?“
„Dafür kannst du eingelocht werden, Mensch! Das ist eine Walther TPH, Kaliber ACP/6,35mm! Damit kann man jemanden umbringen! Die musst du sofort zur Polizei bringen!“
Otto zog das Stangenmagazin aus dem Griff der Pistole.
„Da sind sogar sechs Schuss drin! Mann, Mann, Mann, hast du ein Glück gehabt!“
„Kann ich euch erst zu Ende nach Hause bringen und dann zur Polizei fahren? Ihr wollt doch sicher ins Bett, oder?“
„Natürlich wollen wir ins Bett! Jetzt fällt mir noch einer ein: Ein Amerikaner, ein Deutscher und ein Bayer sitzen in einer Skihütte beisammen. Der Amerikaner bestellt ein Glas Budweiser, trinkt es auf einen Zug aus, wirft das Glas in die Luft, zieht seinen Revolver, zerschießt das Glas in tausend Scherben und sagt: "Wir haben in Amerika so viel Geld, wir trinken nie aus einem Glas zweimal!"
Das kann sich der Deutsche nicht bieten lassen, bestellt ein Glas Warsteiner, trinkt aus, schnappt sich den Revolver des Amerikaners, wirft das Glas in die Luft, zerschießt das Glas und meint: "Wir haben in Deutschland auch Geld genug, wir trinken auch nie zweimal aus einem Glas!"
Otto schob das Magazin wieder in die Pistole, gab sie Erwin zurück und fuhr mit seinem Witz fort: „Da bestellt sich der Bayer ein Glas Beck‘s, trinkt es aus, nimmt die Pistole des Amerikaners, knallt den Deutschen ab, und meint: "Wir haben in Bayern so viele Deutsche, wir trinken nie zwei Mal mit einem Deutschen!" Höhöhö!“
„Verstehe ich nicht“, sagte Erwin und nahm die Pistole wieder an sich, „wieso trinkt der Bayer denn Bremer Bier?“
Otto fand das nicht komisch und Ilse wechselte schnell das Thema: „Otto hat angefangen, vor dem Vereinsheim Gehwegplatten zu verlegen, aber ich hab‘ gesagt: ‚Okay, zehn Platten, aber dann gehen wir erst mal was essen! Die anderen Vereinskameraden können auch mal mithelfen. Man muss sich auch mal was gönnen!“
„Eben“, meinte Erwin, „das Leben ist viel zu kurz, um sich nichts zu gönnen! Ich sollte mir gleich ein Döner gönnen. Mir werden die Knie weich, nachdem ich erfahren habe, das die Pistole echt ist.“
Nachdem er Ilse und Otto nach Hause gebracht hatte, fuhr er zum Bahnhof.
Die gesetzliche verordnete Pause verbrachte Erwin wie üblich im Oberon, bei einem Döner und viel Kaffee. Kreolen-Roswitha kam dazu, setzte sich zu ihm, wirbelte ihre Kette um den Zeigefinger. „Habe bis jetzt ganz gut Trinkgeld gemacht“, sagte sie und erzählte übergangslos vom Mardi Gras: „Beim Mardi Gras wird der Beginn des Faschings vor dem Aschermittwoch in New Orleans gefeiert. Es starten mehrere Paraden wie zum Beispiel die Zulu Parade oder die Rex Parade. Während der Parade werden Ketten mit farbigen Perlen geworfen. Häufig sieht man Frauen, die für eine Kette das T-Shirt lüften und sich oben ohne zeigen.“
Kreolen-Roswitha kicherte. „Habe ich auch gemacht, da kannte mich ja keiner, nur mein damaliger Mann, aber der fand das geil, wir waren auf Hochzeitsreise in New Orleans. – Naja, ich habe ihn dann im Bett mit der Concierge erwischt, erzähl ich dir bei Gelegenheit mal, aber die Ketten habe ich mir aufgehoben, hübsch nicht?“
Erwin hörte nicht mehr hin, er nickte nur geistesabwesend während er sein Döner aß.
„Manche Besucher nennen das Event auch ‘International Show Your Boobies Day‘...“
Kreolen-Roswitha biß in ihr Baguette. „Viele kostümierte Damen, die auf Perlenketten heiß waren, haben sich gar nicht erst die Mühe gemacht, ein Oberteil mitzunehmen sondern lediglich ihren Oberkörper kunstvoll bemalt…“
Kreolen-Roswitha nervte ihn. Als sie einem anderen Fahrer eine Fahrt gab und anschließend murmelte: „Hätte ich zwar gerne gemacht, aber ich habe jetzt Pause!“, schaltete Erwin endgültig ab, „…Moment mal.“
Kreolen-Roswithas Handy hatte gejingelt. Sie meldete sich. dann fragte sie: „Entschuldigung, wie ist Ihr Name? Die Musik ist so laut … Lingenfelder … natürlich … ich schicke Erwin gleich zu Ihnen … selbstverständlich, Frau Lingenfelder, das machen wir, sofort!“
Kreolen-Roswitha legte auf, wirbelte ihre Kette um den Zeigefinger und fragte: „Hol doch bitte mal eine Frau Lingenfelder ab, du weißt schon von wo. – Wie schaffst du eigentlich, dass alle Frauen immer mit dir fahren wollen?“
Erwin zuckte die Achseln, legte einen zehn Euroschein auf den Tisch, murmelte: „Keine Ahnung. Bitte übernimm meine Zeche“, trank seinen Kaffee aus und fuhr los, Frau Lingenfelder abholen.