Equal Play

Wotawa

Mitglied
Equal Play

Leonie legt den Ball genau auf den Elferpunkt. Sie geht sieben Schritte zurück und konzentriert sich auf ihren Atem. Langsam wandert ihr Blick die geplante Flugbahn entlang. Das Herz pumpt Blut ins Gehirn.

Paul steht im Tor. Breitbeinige Hocke, Ellbogen knapp über den Oberschenkeln, die Fingerspitzen berühren sich fast. Die Muskeln am Schultergürtel sind gespannt, die der Beine ebenfalls. Sprungbereitschaft. Die ist immer da, egal wer am Elfer steht. Es zählt der Ball, nicht wer schießt. Meistens halt. Aber das ist ein Mädchen.

Leonie mag Paul. Er ist hübsch. Manchmal auch nett. Wenn er nicht mit seinen Freunden abhängt. Dann wird er richtig blöd. Am Heimweg von der Schule hat er noch gesagt: „Ein Spiel des Mädchenteams gegen das der Jungen? Klar, warum nicht!" Aber als Tommi und die anderen da waren, machte er sich nur lustig darüber.

Paul denkt an Papa. Der hat nur gelacht, als er von der Idee hörte. „Blödsinn“, hat er gesagt. Und ob sie denn keine ernsthaften Gegner hätten.

Leonie spielt, seit sie acht ist. Fünf Jahre sind das schon. Es war das Nationalteam, das sie dazu brachte. Das der Frauen. „Mach das!“, hat Mama gesagt, „Besser als Boxen.“ Das wäre die Alternative gewesen. Aber Fußball war die richtige Wahl. Auch wenn kein Sponsor gefunden wurde, der den Mädchen die Dressen kaufte, wie den Jungs.

Ja, war nicht meine Idee, denkt Paul, sondern die der Lehrer. Egal. Leonie mag er. Irgendwie. Auch dass sie Fußball spielt, mag er. Tommi würde er das nie sagen, der zuckt dann gleich aus. Darf er das, als Kapitän? Auch egal.

Noch einmal holt Leonie tief Luft, dann läuft sie los, tritt aus der Hüfte und legt ihr ganzes Gewicht in den Kick. Der Ball fliegt.

Und Paul springt.
 
Zuletzt bearbeitet:

lietzensee

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Hallo Wotawa,
herzlich Willkommen auf der Leselupe!

Für meinen Geschmack ist der Text gut geschrieben. Ich mag die anschaulichen aber schnörkellosen Sätze. Auch den schnellen Sprung zwischen den Innenansichten von Paul und Leonie finde ich reizvoll. So baut sich Spannung auf.
Das offene Ende kommt mir etwas zu früh. Ich verstehe, dass du den Konflikt nicht ganz abschließen willst. Sicher soll der Leser ihn weiter denken. Aber zum Weiterdenken möchte ich wenigstens einen Fingerzeig, wie es weiter gehen könnte. Zumindest ihre Blicke hätten sich treffen können.

Die Erklärung am Ende hättest du meiner Meinung nach weglassen können. So ein simpler Appell wirkt auf mich wie ein Fremdkörper unter diesem literarisch gelungenen Text.

Viele Grüße
lietzensee
 

Wotawa

Mitglied
Danke für dein Feedback, lietzensee.

Der Beitrag war eine Übung aus meiner Schreibgruppe. "Schreib 'ne Mikrostory, mit maximal 300 Wörtern", war der Auftrag. Daher ist der Text reichlich knapp. Der Hinweis mit den sich begegnenden Blicken der beiden Protas ist toll, danke!
Und die Erklärung am Ende nehme ich jetzt raus. Da hast du zweifellos recht, dass das nur stört.

Liebe Grüße
Wotawa
 



 
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