Er war nicht sehr viel wert...

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Bornstein

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Er war nicht sehr viel wert...

Er war nicht sehr viel wert. Seine ungeschickten Annäherungsversuche, seine aufdringlichen Schmeicheleien, sein beharrliches Umwerben und seine häufige Belagerung ermüdeten mich.

Ich faulenze lieber, und verbringe die Zeit zwischen Decken und Matratzen, umgeben von weichen Kissen, oder lasse die Sonne auf Haut und Haare strahlen, genieße Wärme und Gemütlichkeit. Essen, trinken, schlafen. Auch die Neuigkeiten reizen mich, ich erforsche gerne Ecken und Kanten, und beobachte das Grüne, den Garten und seine Insekten, die Vögel auf den Ästen zwitschernd. Ich fühle die Welt in mich, ich gehöre dem All und allen, und Paarung bedeutet für mich Drosselung und Beschränkung. Das Leben ist schön, zu schön für die Enge des Gehörens und des Zugehörens.

Anderseits…

Wenn er nicht viel wert war, so habe ich je einen gekannt, der mehr wert war. Wenn zwischen uns nie viel geschah, so war das Wenige, viel genug. Unsere Verständigung reichte nicht sehr weit, aber es genügten ein paar Blicke, die Verbundenheit der stillschweigenden Vermutungen, die gemeinsame Entzifferung der Geheimnisse von Gerüche und Geräusche, die ein Haus erfüllen, um die Leere zu verdrängen. Es genügte das Zusammensein, um Einsamkeit zu vertreiben.

Als er noch da war, erkannte ich nicht seinen Wert. Jetzt wo er fehlt, fehlt er mir. So ist das Leben. Die Löcher sind das Wichtigste in einem Sieb (*).



(*) Joachim Ringelnatz – Ich hab dich so lieb. Vorletzter Vers: Die Löcher sind die Hauptsache in einem Sieb.
 



 
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