Erkenntnisschleifen

fee_reloaded

Mitglied
Der eiserne Vorhang war schon Tage zuvor gefallen - sie hatte es nur zu spät erkannt.
War noch eine zeitlang dagegengerannt.
Irregeleitetes Gefühl ist selten ein guter Wegweiser.

Dass man sie weggewiesen hatte, ihre guten Absichten nicht sehen hatte können oder wollen, war ihr nur zu vertraut.
Wie auch das Erschrecken, wieder in die alte Falle getappt - nein, geradezu gerannt zu sein, weil etwas in ihr immer noch suchte, was es nicht mehr dort finden konnte, wo es einmal - in einem früheren Leben - hingehört hätte.

Fehlender Abschluss. So viele ungestellte Fragen.
Zu jeder neuen Stimme die gleichen zusammengekniffenen Lippen.
Dieselbe harte Aburteilung. Dasselbe Verkennen bester Absichten.

Sie wusste; was immer sie da machte - sie machte es falsch.
Versuche, dies durch völlige Unterlassung für immer zu vermeiden, hielt sie nie durch. Da war diese unausgefüllte Stelle, wie eine Wunde.
Ein verdrängter Schmerz, der immer wieder Wege fand, neu durchzubrechen.

Vielleicht musste sie erst ausreichend anerkennen, bevor sie loslassen und vergessen konnte.
Und vergeben.

Auch sich selbst.
 

petrasmiles

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Ah, Du hast einen neuen Avatar - sehr hübsch, muss ich mich nur umgewöhnen :) Schaff' ich.
Irregeleitetes Gefühl ist selten ein guter Wegweiser.
Mit diesem Satz habe ich ein kleines Problem.
Das ist aus der Rückschau geurteilt, aber im Moment ist es einfach ein Gefühl, und ich finde es irgendwie unpassend, wenn man es quasi abqualifiziert als 'irregeleitet'. Ich bin nämlich ein Verfechter der Meinung, dass jedes Gefühl erst einmal wichtig ist; nicht unbedingt hilfreich, oder sinnvoll, aber voller Hinweise auf das, was im Argen liegt.
ich glaube auch, dass es weniger das Gefühl selbst ist, sonder der damit gekoppelte Handlungsimpuls, der das Problem verursacht. Ein Impuls ist erst einmal ein Reiz, den wir uns aufgrund von Gefühlen geben, aber ein Gefühl muss noch nicht den Handlungsimpuls nach sich ziehen. Man kann damit auch blöde rumstehen. Den Impuls sollte man kontrollieren können, das Gefühl nicht.

Das scheint auch das Problem bei Deinem LyrI zu sein, diesen Unterschied nicht wahrzunehmen.
Das Gefühl selbst resultiert ja aus unserer Tiefe und symbolisiert uns selbst. Was dann andere mit diesem Gefühl anstellen - es also verstärken, oder hemmen, kann diesen Impuls auslösen, der dann zu den ungewünschten Handlungen führt.
Die "unausgefüllte Stelle" und der damit verbundene Schmerz ist ein berechtigtes Gefühl und glasklarer Selbstausdruck. Eigentlich ginge es hier auch eher ums sich selbst Trösten, als darum sich zu verzeihen. Das kindliche Ich zu trösten, dass es etwas Wesentliches nicht bekam, was nie gut zu machen sein wird, was man tapfer ertragen muss, könnte der gequälten Seele Ruhe bringen. Und wenn man sich zugestanden hat, um etwas Wesentliches 'betrogen' worden zu sein, dann braucht es auch kein Verzeihen. Denn niemand kann geben, was er nicht hat.

Vielleicht musste sie erst ausreichend anerkennen, bevor sie loslassen und vergessen konnte.
Genau das. Aber verzeihen wird überbewertet in diesem Rahmen. Gerade in dieser Konstellation, die Du schilderst, geht das Verzeihen ja zu Lasten der Geschädigten. Man muss nicht alles verzeihen, analog muss man auch nicht verdammen. Es darf dahin kommen, dass etwas oder jemand keinen Handlungsimpuls mehr auslöst.

Ich hoffe, ich habe Dich jetzt nicht komplett missverstanden.

Liebe Grüße
Petra
 

fee_reloaded

Mitglied
Das ist aus der Rückschau geurteilt, aber im Moment ist es einfach ein Gefühl, und ich finde es irgendwie unpassend, wenn man es quasi abqualifiziert als 'irregeleitet'. Ich bin nämlich ein Verfechter der Meinung, dass jedes Gefühl erst einmal wichtig ist; nicht unbedingt hilfreich, oder sinnvoll, aber voller Hinweise auf das, was im Argen liegt.
Hm, liebe Petra,

da hast du mir ja jetzt ordentlich Gedankenfutter hingeworfen. Danke schon mal dafür und für das genaue Befassen mit meinem Versuch hier.

Das Gefühl selbst ist natürlich ein Hinweis in eine wichtige Richtung und ist per se nicht "falsch". Ich wollte mit dem "irregeleiteten Gefühl" aber andeuten, dass das Gefühl selbst aus einer Fehldeutung herrührt und das LyrIch dementsprechend einem Impuls nachgeht, der nur wieder zu einer weiteren Wiederholung einer Situation führt, die zugleich eine vermisste Nähe erzeugt - weil von früher vertraut und durch Wiederholung tief geprägt - aber eben auch das Leiden, das stets Preis für diese Nähe war, wiederholt.

Insofern ginge es beim Verzeihen auch eher um das LyrIch selbst, das sich verzeihen können möchte, dass es - quasi wissend - doch immer wieder in diese Falle tappt. Ich finde auch, dass nicht alles verziehen werden muss und sollte - denn dann kann genau dieses "anerkennen" nicht passieren.

Ergibt das für dich Sinn?

Liebe Grüße,
fee
 

petrasmiles

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Auf jeden Fall!

Aber ich möchte dennnoch dieses 'sehenden Auges' ein bisschen relativieren und das LyrI in Schutz nehmen.
So lange der Trost noch nicht angekommen ist, wird jeder Schmerz neu den Prozess in Gang setzen, weil er ja noch ein 'Marker' ist.
Man kann ja nicht argumentieren, 'so Du Schmerz Du, Dich kennen wir schon und das ist total unvernünftig, also reiß Dich gefälligst zusammen.'

Sondern umgekehrt wird das verletzte Seelchen in den virtuellen Arm genommen und kräftig beschmust, mit Verständnis überschüttet und getröstet, getröstet, getröstet. Und dann dürfen (müssen?) Tränen fließen bis hin zum Schluckauf und totaler Erschöpfung. Dann kann das was werden.

Wenn man als reifer Mensch meint, dem Gefühl mit Vernunft beikommen zu können, gibt es keine Lösung und keine Heilung. Für meine Begriffe deutet das Gefühl nicht fehl, das ist nicht seine Bestimmung. Das macht der Kopf.

Ich hoffe, ich bin jetzt nicht übers Ziel hinausgeschossen.

Liebe Grüße
Petra
 

fee_reloaded

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Ich hoffe, ich bin jetzt nicht übers Ziel hinausgeschossen.
Nein, gar nicht!

Sondern umgekehrt wird das verletzte Seelchen in den virtuellen Arm genommen und kräftig beschmust, mit Verständnis überschüttet und getröstet, getröstet, getröstet. Und dann dürfen (müssen?) Tränen fließen bis hin zum Schluckauf und totaler Erschöpfung. Dann kann das was werden.
Ja, da hin muss es wohl gehen.
Klingt ja eigentlich viel einfacher als der Vernunft-Ansatz, hat's aber in sich. ;)

Danke für diesen wirklich wertvollen Input!

Liebe Grüße,
fee
 



 
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