Erziehung zur Wahrheit

Erziehung zur Wahrheit

Brutalität ist ihm vollkommen zuwider. Vor allem die brutale Wahrheit.
Heiner Weinert ist einfühlsamer Diplomat, einer, der sich und anderen Menschen Realitäten erträglich darzustellen weiß.

So ist ihm selbstverständlich auch geläufig, dass wohlwollende Ehefrauen niemals aufgeben. Es sei denn, sie lassen sich von Männern, die sie als absolut hoffnungslose Einzelfälle ansehen, vorzeitig scheiden, um sich voller Optimismus und Energie einem nächsten zuzuwenden, bei dem sie sich schnellere und größere Erfolge versprechen. Auch mit dieser eher brutalen Realität wusste Heiner zu leben.

Wie dem auch sei, wirklich und scheinbar Hilflose männlichen Geschlechts – ob nun kleine Jungen oder weitaus ältere Vertreter – lösen bei mütterlich begabten Frauen ununterdrückbar jenen Instinkt aus, der offenbar fest in ihren weiblichen Genen verankert ist.

Während Mütter kleinen Kindern liebend gern den Mund mit dem Lätzchen abputzen, weisen ältere Muttis ihre zumeist etwas älteren Männer so lange auf Essensreste in deren Drei- und auch Mehrtagebart, auf dem rasierten Kinn oder gar in den Mundwinkeln hin, bis der alte Knabe die Selbsthilfe aufgibt, um Mutti mit Serviette oder Taschentuch die gründlichere Putzarbeit zu überlassen.
Dabei ist Männern wie Jungmännern in der Öffentlichkeit dieser weibliche Wischreflex mehr als lästig, ja, sogar äußerst peinlich. Und in der Regel murmeln sie – allerdings gut überhörbar: „Lass das, Mutti!“ oder einfach nur vorwurfsvoll „Mammmah!“
Geschehen lassen sie es dennoch, da sie von einer frustrierten Mutter kaum weitergehende liebevolle Beachtung und Behandlung erwarten können. Und wenn Mann im Alter wirklich etwas besonders nötig braucht, dann diese uneingeschränkte Aufmerksamkeit und jene andauernden Liebesbeweise. Seien die auch noch so lästig.

Nun haben die meisten Mütter in der Regel den Ehrgeiz, ihren Kindern gutes Benehmen, appetitliches Essen mit Messer und Gabel sowie den Gebrauch von Stoff- oder Papierservietten beizubringen. Andererseits plagt sie das weitaus dringendere Bedürfnis, von einem geliebten Menschen ununterbrochen und bis ans Lebensende gebraucht zu werden.
Was bleibt also einem liebebedürftigen alternden Gatten übrig, wenn bei der geliebten Frau jener unbeherrschbare Pflegetrieb durchbricht?
Heiner Weinert fiel nichts Anderes ein, als seiner Frau Gertraud einen jungen, besonders niedlichen, tolpatschigen Hund zu schenken. Außer seiner Jugend hatte der vieles mit Heiner gemeinsam. In jedem Fall Tolpatschigkeit. Wirklich niedlich war er nicht mehr.
Zunächst war Gertraud von seinem Plan und später natürlich auch von dem für sie liebenswerten Jungtier außerordentlich begeistert.
Der allerliebste Welpe durfte neben ihr im Bett schlafen, das Heiner bereits einige Jahre zuvor wegen geräuschvollen Schnarchens hatte räumen müssen. Unter leichtem Protest zog er einst um auf die Couch in seinem Arbeitszimmer, bis Gertraud zustimmte und er sich ein rückenfreundlicheres Bett kaufen durfte. Das stellte er neben seinen antiken Schreibtisch, um auch nachts Einfälle, die er als Autor von Erzählungen als besonders originell empfand, umgehend notieren zu können.

Romeo, wie seine Frau den Welpen inzwischen getauft hatte, war ein Mischling mit langhaarigem hellbraunen Fell, in dem sich nach jeder seiner zumeist gierig verschlungenen Mahlzeiten diverse Fressensreste verfingen. Außerdem kam er von Spaziergängen mit schmutzigen Pfoten zurück besonders, wenn Heiner mit ihm Gassi gegangen war, da er ihn mit Vorliebe durch Pfützen und auf schlammigen Wege laufen ließ.
Jedenfalls beschäftigte Heiner seine Frau und ihren Putztrieb nach den Gassi-Gängen immer recht lange, bis sie ihren geliebten Hund für die Wohnung freigeben konnte.
Der Heiner betreffende Reinigungstrieb seiner Frau ließ zugleich spürbar nach.
Bald beachtete sie weder ihn noch die Speisereste in seinem grauen Bart.
Immer häufiger schlug er ihr vor, doch einmal wieder mit ihm in ein Restaurant zu gehen. Doch sie konnte sich nicht überwinden, ihren geliebten Romeo allein zu lassen.
Also versuchte Heiner schließlich, ein vornehmes Speiserestaurant zu finden – sie ging nur in vornehme Gaststätten. Und es war wahrlich nicht einfach eines zu finden, in dem Hunde willkommen geheißen wurden.
Schließlich fand er ein Zwei-Sterne-Restaurant und bestellte einen Tisch und eine Hundetränke für unter den Tisch.

Ein Kellner mit langer schwarzen Schürze empfing sie Drei an der Tür und führte sie zu einem Tisch unweit der Theke.
Heiners Frau sah immer wieder unter den Tisch und sprach Romeo beruhigend zu, da sie annahm, ihr kleiner Liebling würde sich da unten ohne sie fürchten.
Als der Ober kam, bestellte sie zuerst für ihren kleinen Liebling nicht zu kaltes Wasser für die Hundetränke, dann für sich einen Apperitif und eine teure Vorspeise. Heiner Weinert verzichtete auf den Salat, da der immer besonders viele Überreste in seinem Bart hinterließ und entschied sich, nur ein Hauptgericht zu bestellen.
„Nimm was mit Knochen für unseren Romeo!“ bat Gertraud mit jenem mütterlichen Flehen in der Stimme, dem Heiner noch nie zu widerstehen wagte.
Als er Ente bestellen wollte, klärte sie ihn umständlich darüber auf, dass Geflügelknochen nicht gut für Romeo seien, da sie splittern könnten…
Also wählte er Lammkeule auf frischem Spinat mit sizilianischen Bandnudel. Doch Gertraud machte sich weiter Sorgen um Romeo und fragte den Kellner, ob junge Hunde Lammknochen vertragen könnten.
Der Kellner runzelte kurz die Stirn, verneigte sich, bat um ein wenig Geduld und ging in die Küche.
Lächelnd kam er zurück und verneigte sich erneut. „Unser Chefkoch meint, sein Hund habe Lammknochen immer mit ganz besonderer Vorliebe und ohne gesundheitliche Folgen abgenagt.“
Zufrieden seufzte Gertraud auf und wies den Ober an, ihrem Mann die Lammkeule zu bringen.
Plötzlich befürchtete Heiner, dass Gertraud, von ihrer Tiermutterliebe geleitet, irgendwann ihn die Knochen abnagen ließ, die Romeo hinterlassen hatte. Und er beschloss, sich nichts vorzumachen, sondern realistisch in seine Zukunft zu blicken.
Nachdem ihre beiden Kinder das Elternhaus verlassen hatten, nahm Heiner, so weit er das beurteilen konnte, vorübergehend die Stelle des alleinigen Lieblings ein. Inzwischen spricht Gertraud Romeo und ihn mit ihrem absoluten Lieblingswort an.
Und rief sie „Liebling“, stand jeweils zuerst Romeo schwanzwedelnd vor ihr. Heiner hielt sich lächelnd im Hintergrund.

Kaum hatte er seine Lammkeule abgenagt, nahm Gertraud sie von seinem Teller und reichte sie Romeo. Heiners mit einigen Fleischresten verunreinigten Bart beachtete sie nicht. Vielmehr sah sie zufrieden auf Romeo hinab, der noch ausreichend Fleisch an der Lammkeule fand, was er mit peinlich lautem Schmatzen kundtat.
Schließlich schlabberte er noch ein wenig angewärmtes Wasser und sah danach dankbar zu Gertraud auf. Die griff sofort nach ihrer Damastserviette und wischte ihrem bevorzugten Liebling beinahe zärtlich die Schnauze ab. Dann entdeckte sie endlich die Fleischreste in Heiners Bart und reichte ihm ohne zu zögern ihre gerade für Romeo verwendete Serviette.
„Liebling, Du hast da was im Bart!“
Heiner nahm das nicht mehr ganz blütenweiße Tuch und legte es sich möglichst unauffällig auf den Schoß, um im Zuge der gleichen Bewegung seine noch reine Serviette von den Oberschenkeln zu nehmen.
Gertraud riss sie ihm aus der Hand und begann seinen Schnauzbart trotz seines Protests gründlich und weitaus weniger zärtlich zu säubern.
Romeo begann umgehend eifersüchtig zu kläffen und beruhigte sich erst, als Gertraud ihm noch einmal liebevoll die Schnauze abwischte.
Als der Ober das Geschirr abräumte, wandte sich Gertraud mit klagender Stimme an ihn: „Hunde sind einfach dankbarer als Männer:“
Der Ober lächelte verstehend. „Gewiss, meine Dame. Meine Frau und ich, wir haben eine Katze zu Hause.“
Nachdenklich fuhr sie sich mit der gebrauchten Serviette über ihren Mund, verwischte dabei den – wie ich fand – knallroten und zu dick aufgetragenen Lippenstift und murmelte: „Ja, Katzen sind von sich aus reinlicher. Viel reinlicher.“
Ich nickte und vermied es, sie auf den verschmierten Lippenstift hinzuweisen.
Dennoch konnte sie sich nicht verkeifen, wie nach jedem Essen üblich, zu fragen, ob sie denn ordentlich und gesellschaftsfähig aussehe.
Jetzt kam Heiner die Abneigung gegenüber brutalen Wahrheiten zur Hilfe. Und obwohl er zunächst antworten wollte, es käme immer auf die vorhandene Gesellschaft an, nickte er lächelnd und raunte sanft. „Liebling, wie gut, dass Du die Kunst des dezenten Schminkens immer noch beherrschst.“
 

Wipfel

Mitglied
Hi Karl,

bei deiner Geschichte stehe ich auf dem Schlauch:

Nachdenklich fuhr sie sich mit der gebrauchten Serviette über ihren Mund, verwischte dabei den – [blue]wie ich fand[/blue] – knallroten und zu dick aufgetragenen Lippenstift und murmelte: „Ja, Katzen sind von sich aus reinlicher. Viel reinlicher.“
[blue]Ich nickte [/blue]und vermied es, sie auf den verschmierten Lippenstift hinzuweisen.
Wer ist denn jetzt der Ich? Wo kommt der denn auf einmal her? Der Kelner ist es nicht, Heiner wohl auch nicht...

Ansonsten eine Ödipus-Geschichte ala Loriot. Gleacht habe ich aber nicht.

Grüße von wipfel
 
Brutalität ist ihm vollkommen zuwider. Vor allem die brutale Wahrheit.
Heiner Weinert ist einfühlsamer Diplomat, einer, der sich und anderen Menschen Realitäten erträglich darzustellen weiß.

So ist ihm selbstverständlich auch geläufig, dass wohlwollende Ehefrauen niemals aufgeben. Es sei denn, sie lassen sich von Männern, die sie als absolut hoffnungslose Einzelfälle ansehen, vorzeitig scheiden, um sich voller Optimismus und Energie einem nächsten zuzuwenden, bei dem sie sich schnellere und größere Erfolge versprechen. Auch mit dieser eher brutalen Realität wusste Heiner zu leben.

Wie dem auch sei, wirklich und scheinbar Hilflose männlichen Geschlechts – ob nun kleine Jungen oder weitaus ältere Vertreter – lösen bei mütterlich begabten Frauen ununterdrückbar jenen Instinkt aus, der offenbar fest in ihren weiblichen Genen verankert ist.

Während Mütter kleinen Kindern liebend gern den Mund mit dem Lätzchen abputzen, weisen ältere Muttis ihre zumeist etwas älteren Männer so lange auf Essensreste in deren Drei- und auch Mehrtagebart, auf dem rasierten Kinn oder gar in den Mundwinkeln hin, bis der alte Knabe die Selbsthilfe aufgibt, um Mutti mit Serviette oder Taschentuch die gründlichere Putzarbeit zu überlassen.
Dabei ist Männern wie Jungmännern in der Öffentlichkeit dieser weibliche Wischreflex mehr als lästig, ja, sogar äußerst peinlich. Und in der Regel murmeln sie – allerdings gut überhörbar: „Lass das, Mutti!“ oder einfach nur vorwurfsvoll „Mammmah!“
Geschehen lassen sie es dennoch, da sie von einer frustrierten Mutter kaum weitergehende liebevolle Beachtung und Behandlung erwarten können. Und wenn Mann im Alter wirklich etwas besonders nötig braucht, dann diese uneingeschränkte Aufmerksamkeit und jene andauernden Liebesbeweise. Seien die auch noch so lästig.

Nun haben die meisten Mütter in der Regel den Ehrgeiz, ihren Kindern gutes Benehmen, appetitliches Essen mit Messer und Gabel sowie den Gebrauch von Stoff- oder Papierservietten beizubringen. Andererseits plagt sie das weitaus dringendere Bedürfnis, von einem geliebten Menschen ununterbrochen und bis ans Lebensende gebraucht zu werden.
Was bleibt also einem liebebedürftigen alternden Gatten übrig, wenn bei der geliebten Frau jener unbeherrschbare Pflegetrieb durchbricht?
Heiner Weinert fiel nichts Anderes ein, als seiner Frau Gertraud einen jungen, besonders niedlichen, tolpatschigen Hund zu schenken. Außer seiner Jugend hatte der vieles mit Heiner gemeinsam. In jedem Fall Tolpatschigkeit. Wirklich niedlich war er nicht mehr.
Zunächst war Gertraud von seinem Plan und später natürlich auch von dem für sie liebenswerten Jungtier außerordentlich begeistert.
Der allerliebste Welpe durfte neben ihr im Bett schlafen, das Heiner bereits einige Jahre zuvor wegen geräuschvollen Schnarchens hatte räumen müssen. Unter leichtem Protest zog er einst um auf die Couch in seinem Arbeitszimmer, bis Gertraud zustimmte und er sich ein rückenfreundlicheres Bett kaufen durfte. Das stellte er neben seinen antiken Schreibtisch, um auch nachts Einfälle, die er als Autor von Erzählungen als besonders originell empfand, umgehend notieren zu können.

Romeo, wie seine Frau den Welpen inzwischen getauft hatte, war ein Mischling mit langhaarigem hellbraunen Fell, in dem sich nach jeder seiner zumeist gierig verschlungenen Mahlzeiten diverse Fressensreste verfingen. Außerdem kam er von Spaziergängen mit schmutzigen Pfoten zurück besonders, wenn Heiner mit ihm Gassi gegangen war, da er ihn mit Vorliebe durch Pfützen und auf schlammigen Wege laufen ließ.
Jedenfalls beschäftigte Heiner seine Frau und ihren Putztrieb nach den Gassi-Gängen immer recht lange, bis sie ihren geliebten Hund für die Wohnung freigeben konnte.
Der Heiner betreffende Reinigungstrieb seiner Frau ließ zugleich spürbar nach.
Bald beachtete sie weder ihn noch die Speisereste in seinem grauen Bart.
Immer häufiger schlug er ihr vor, doch einmal wieder mit ihm in ein Restaurant zu gehen. Doch sie konnte sich nicht überwinden, ihren geliebten Romeo allein zu lassen.
Also versuchte Heiner schließlich, ein vornehmes Speiserestaurant zu finden – sie ging nur in vornehme Gaststätten. Und es war wahrlich nicht einfach eines zu finden, in dem Hunde willkommen geheißen wurden.
Schließlich fand er ein Zwei-Sterne-Restaurant und bestellte einen Tisch und eine Hundetränke für unter den Tisch.

Ein Kellner mit langer schwarzen Schürze empfing sie Drei an der Tür und führte sie zu einem Tisch unweit der Theke.
Heiners Frau sah immer wieder unter den Tisch und sprach Romeo beruhigend zu, da sie annahm, ihr kleiner Liebling würde sich da unten ohne sie fürchten.
Als der Ober kam, bestellte sie zuerst für ihren kleinen Liebling nicht zu kaltes Wasser für die Hundetränke, dann für sich einen Apperitif und eine teure Vorspeise. Heiner Weinert verzichtete auf den Salat, da der immer besonders viele Überreste in seinem Bart hinterließ und entschied sich, nur ein Hauptgericht zu bestellen.
„Nimm was mit Knochen für unseren Romeo!“ bat Gertraud mit jenem mütterlichen Flehen in der Stimme, dem Heiner noch nie zu widerstehen wagte.
Als er Ente bestellen wollte, klärte sie ihn umständlich darüber auf, dass Geflügelknochen nicht gut für Romeo seien, da sie splittern könnten…
Also wählte er Lammkeule auf frischem Spinat mit sizilianischen Bandnudel. Doch Gertraud machte sich weiter Sorgen um Romeo und fragte den Kellner, ob junge Hunde Lammknochen vertragen könnten.
Der Kellner runzelte kurz die Stirn, verneigte sich, bat um ein wenig Geduld und ging in die Küche.
Lächelnd kam er zurück und verneigte sich erneut. „Unser Chefkoch meint, sein Hund habe Lammknochen immer mit ganz besonderer Vorliebe und ohne gesundheitliche Folgen abgenagt.“
Zufrieden seufzte Gertraud auf und wies den Ober an, ihrem Mann die Lammkeule zu bringen.
Plötzlich befürchtete Heiner, dass Gertraud, von ihrer Tiermutterliebe geleitet, irgendwann ihn die Knochen abnagen ließ, die Romeo hinterlassen hatte. Und er beschloss, sich nichts vorzumachen, sondern realistisch in seine Zukunft zu blicken.
Nachdem ihre beiden Kinder das Elternhaus verlassen hatten, nahm Heiner, so weit er das beurteilen konnte, vorübergehend die Stelle des alleinigen Lieblings ein. Inzwischen spricht Gertraud Romeo und ihn mit ihrem absoluten Lieblingswort an.
Und rief sie „Liebling“, stand jeweils zuerst Romeo schwanzwedelnd vor ihr. Heiner hielt sich lächelnd im Hintergrund.

Kaum hatte er seine Lammkeule abgenagt, nahm Gertraud sie von seinem Teller und reichte sie Romeo. Heiners mit einigen Fleischresten verunreinigten Bart beachtete sie nicht. Vielmehr sah sie zufrieden auf Romeo hinab, der noch ausreichend Fleisch an der Lammkeule fand, was er mit peinlich lautem Schmatzen kundtat.
Schließlich schlabberte er noch ein wenig angewärmtes Wasser und sah danach dankbar zu Gertraud auf. Die griff sofort nach ihrer Damastserviette und wischte ihrem bevorzugten Liebling beinahe zärtlich die Schnauze ab. Dann entdeckte sie endlich die Fleischreste in Heiners Bart und reichte ihm ohne zu zögern ihre gerade für Romeo verwendete Serviette.
„Liebling, Du hast da was im Bart!“
Heiner nahm das nicht mehr ganz blütenweiße Tuch und legte es sich möglichst unauffällig auf den Schoß, um im Zuge der gleichen Bewegung seine noch reine Serviette von den Oberschenkeln zu nehmen.
Gertraud riss sie ihm aus der Hand und begann seinen Schnauzbart trotz seines Protests gründlich und weitaus weniger zärtlich zu säubern.
Romeo begann umgehend eifersüchtig zu kläffen und beruhigte sich erst, als Gertraud ihm noch einmal liebevoll die Schnauze abwischte.
Als der Ober das Geschirr abräumte, wandte sich Gertraud mit klagender Stimme an ihn: „Hunde sind einfach dankbarer als Männer:“
Der Ober lächelte verstehend. „Gewiss, meine Dame. Meine Frau und ich, wir haben eine Katze zu Hause.“
Nachdenklich fuhr sie sich mit der gebrauchten Serviette über ihren Mund, verwischte dabei den – wie Heiner fand – knallroten und zu dick aufgetragenen Lippenstift und murmelte: „Ja, Katzen sind von sich aus reinlicher. Viel reinlicher.“
Heiner nickte und vermied es, sie auf den verschmierten Lippenstift hinzuweisen.
Dennoch konnte sie sich nicht verkeifen, wie nach jedem Essen üblich, zu fragen, ob sie denn ordentlich und gesellschaftsfähig aussehe.
Jetzt kam Heiner die Abneigung gegenüber brutalen Wahrheiten zur Hilfe. Und obwohl er zunächst antworten wollte, es käme immer auf die vorhandene Gesellschaft an, nickte er lächelnd und raunte sanft. „Liebling, wie gut, dass Du die Kunst des dezenten Schminkens immer noch beherrschst.“
 
Hallo Wipfel,
danke für Deine beiden Hinweise. Ich hatte die Geschichte erst in "Ich-Form" geschrieben und dabei offenbar die beiden "Ich" am Ende übersehen.
Herzliche Grüße
Karl
 



 
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