Es geht mir gut (Sonett)

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James Blond

Mitglied
Ich habe deinen Brief ................. zunächst ans Bett gelegt,
und als ich nicht mehr schlief, ........ ihn heute früh gelesen.
Auch wenn der Tag dich nicht ............. zu mir herüberträgt,
so strahlt das Morgenlicht, ........ als wärst du hier gewesen.

Die Kinder baten oft, ................. dein Zimmer zu belassen,
sie haben sehr gehofft, .................. wir blieben in Kontakt;
die Nachbarn zogen fort, ..... die Großstadt ruft die Massen,
die Ruhe bleit den Ort ............ und wer es kann, der packt.

Du schreibst, man müsse auch .. mit der Entfernung leben,
doch das Gefühl im Bauch ..... verweigert sich dem Zweck,
es kommt zu häufig vor, ............ dass Dinge sich ergeben.

Ein Abschiedsgruß am Tor, ...... was bliebe noch zu sagen?
Man greift nach seinem Hut . und der ist selbst schon weg.
Gewiss, es geht mir gut, ....... ich will mich nicht beklagen.
 

mondnein

Mitglied
die Punkte würde ich weiß einfärben, z.B.: ............ -
dann braucht es auch die Tabulatur-Taste nicht
(leider ist Grau das neue Weiß)

die Ruhe bleit den Ort
ein klarverständlicher Neologismus, stark gerade durch die (fast monosyllabische) Kürze, ein kleiner Einpunkt-Diamant

grusz, hansz

P.S.:
der ABBA-ABAB-Wechsel der Reime - wunderbar!
 
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klausKuckuck

Mitglied
Hey JB,

ein gut gemachtes Sonett mit (optisch) einem Riesenfehler: die Punktierung. Warum Fehler? Die Punktierung verleitet, ja, zwingt beim Lesen und Vortrag geradezu: draufloszuleiern, wie es schlimmer eigentlich gar nicht mehr geht. Ob sich hinter der Punktierung eine dichterische Absicht verbirgt, sei dahingestellt: Niemand hier im Forum ist nach meiner Einschätzung talentiert oder ausgebildet genug, um mit einem Leierkasten dieser Größenordnung souverän umgehen zu können, um über die Punikte hinwegzureden, sie in den Vortrag gestaltend einzubeziehen, sie (wörtlich) zu übergehen. Schade um das gut erzählte Sonett, das hier, einer architektonischen Spitzfindigkeit folgend, zu Tode geleiert werden wird. (Ich weiß genau, JB, was du jetzt erwidern wirst!)

Gruß
KK


(Du willlst ja keine grünen Sterne, JB, das respektiere ich; ich hätte fünf für die Dichtung gegeben und alle fünf der Punktierung wegen wieder abgezogen ;).)
 

mondnein

Mitglied
Niemand hier im Forum ist nach meiner Einschätzung talentiert oder ausgebildet genug, um mit einem Leierkasten dieser Größenordnung souverän umgehen zu können
ich habe mit den formbedingten Lücken zwischen den reimgegliederten Vershälften
beim Lesen
kein Problem

wie ja auch z.B. bei den Pausen mitten im klassischen Pentameter
(so als schlichter Leser ohne jedes Talent, aber mit altphilologischer Ausbildung)
 

sufnus

Mitglied
Hey!
Ich verstehe nicht so ganz, was die von KK erwähnten Punkte damit zu tun haben, dass sich vor allem in den ersten Halbzeilen tatsächlich ein gewisser Leierton "anbietet", aber da ich den auch heraushöre, hat der feinhörige Klaus da wohl irgendwie recht. Hut ab!
Ich komme ja von der Theorie zur Praxis und... habe hierzu keine Theorie.
Die Wortfüße sind eigentlich nicht besonders "klapprig" gebaut (jedenfalls nicht mehr als bei den meisten regelmäßig-metrisierten Reimgedichten in deutscher Sprache), aber irgendwas flüstert mir auch ein ziemlich strammes ta-tamm-ta-tamm-ta-tamm ins Ohr. Irgendwie scheint die Punktpunktpunkt-Zäsur bein Lesen eine merkwürdige retrograde (potentielle!) Klapperinduktion zu bewirken.
Dessen völlig ungeachtet: Das Gedicht funktioniert für mich trotzdem ganz wunderbar. Erstens kann ich es schonmal rein optisch goutieren und was ich da sehe, ist für meine entzündeten Augen wirklich sehr erfreulich. Und zweitens reiß ich mich am Riemen und umschiffe beim inneren Vortrag die Klapperklippen vielleicht nicht souverän, aber doch so, dass es dem Gedicht gerecht wird. :)
LG!
S.
 

James Blond

Mitglied
Lieber Hansz mondnein,

die Punkte würde ich weiß einfärben, z.B.: ............ -
dann braucht es auch die Tabulatur-Taste nicht
(leider ist Grau das neue Weiß)
ich habe verschiedene Möglichkeiten der Zeilenaufsplittung durchprobiert, am liebsten hätte ich "linksbündig rechtsbündig" formatiert, aber das schafft dieser Texteditor nicht, es werden dann immer zwei Zeilen. Irgendwann fand ich die deutlich sichtbaren "..." gar nicht mehr so übel, bremsen sie doch den Lesefluss und deuten eine Pause innerhalb der Verse an.


[betr.:] " die Ruhe bleit den Ort "
ein klarverständlicher Neologismus, stark gerade durch die (fast monosyllabische) Kürze, ein kleiner Einpunkt-Diamant
Da wäre ich sehr stolz drauf ... aber leider kennt der Duden es auch ... ;)


der ABBA-ABAB-Wechsel der Reime - wunderbar!
Danke - da bin ich auch tatsächlich ein bisschen stolz drauf, links stets paargereimt, männliche Kadenzen, rechts ABAB-CDCD-EFE-GFG, mit wechselnden Kadenzen. War nicht ganz leicht. :)

Grüße
JB
 

James Blond

Mitglied
Hi KK!

Schade, dass dich die Punkte innerhalb der Verse so sehr irritieren, dass sie dich aus dem Lesefluss bringen! Ich sende dir gern eine Version mit durchgehenden Versen zu, denn es stimmt, dass optische Irritationen das Lesevergnügen beeinträchtigen können. (Mir ergeht es übrigens ähnlich mit der von dir favorisierten Serifenschriftart, die mir buchstäblich ins Auge sticht.) Danke dir, wenn du es dennoch ganz durchgelesen hast ... :)

Mir war eine offensichtliche Trennung innerhalb der Verse aus "dichterischen Gründen" schon sehr wichtig, egal ob sich jemand finden könnte, der diese Absicht auch ergründet. Ich denke, das Leiern ergibt sich hier nicht aus den sichtbaren Punkten, sondern aus dem Vermaß: xX xX xX | xX xX xX(x). Die Verse sind metrisch gebrochen, es gibt aufgrund der männlichen Kadenz in der 1. Hälfte kein Wort, das über die Grenze in der Mitte reicht. Daraus ergibt sich fast zwangsläufig eine "leiernde", bzw. "klappernde" Betonung, was mich hier aber nicht stört - im Gegenteil: Diese optisch, reimtechnisch und metrisch hervorgehobene Trennung ist ein wesentlicher "künstlerischer" Bestandteil des Textes, der seine Entsprechung durch den Inhalt erfährt. Vielleicht ist der Versuch gescheitert, aber es ist ein Versuch. Man braucht den Text aber auch nicht unbedingt herunterzuleiern.

Meinen Dank und liebe Grüße
JB

P.S. Ich habe mittlerweile nichts gegen Sternchen, sie sind hier ja zum gängigen Zahlungsmittel geworden - auch wenn ich mich über Kommentare mehr freue. :)
 
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Bernd

Foren-Redakteur
Teammitglied
Es ist eine früher sehr häufig Versform: Der Alexandriner.
Und die Darstellung ist eine Art Spaltsonett. Als Spaltsonett erzeugt es einen lakonisch verkürzten Stil, dadaistisch anmutend.



Spaltsonett
Ein Sonett, dessen Verse sich in „Spalten“ aufteilen, rhythmisch gebrochen, oft visuell oder semantisch fragmentiert – die klassische Form wird gespalten, Wort und Sinn springen.
Alexandriner
Sechshebiger Vers mit Zäsur in der Mitte, traditionell französisch-deutsch; majestätisch, feierlich, oft für Epik oder Drama, jede Hälfte trägt Gewicht und Spiegelung.

(Definition mit ChatGPT komprimiert)

Ich habe es auf meine Empfehlungsliste gesetzt.

PS: die punktierten Lücken wurden auch vor 300 Jahren schon manchmal verwendet. Eine Alternative sind Leerzeichen. Leider verschlucken die Browser sie. Eine Alternative wäre "Entfärben" der Punkte. Das habe ich mal als Empfehlung aus der Leselupe erhalten. (Mondnein hat es weiter oben beschrieben.)
Ich sehe die Punkte eher als positiv. Sie geben den Augen Halt.

Im satirischen Bereich war das Spaltsonett manchmal ein Beispiel für Kryptopoetik. Die Bedeutung wandelte sich ins Gegenteil. In dem Sonett von James wird das aber nicht genutzt. Und die Spaltenverse bleiben fragmentarisch.
 
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