Es hätte ein ruhiger Sonntag werden können

Spirulina

Mitglied
Da steh ich nun allein inmitten
des landschaftlichen Trümmerfeldes,
Zerstörung weit in Blickesrichtung.

Gebrochen die Äste, die Bäume entwurzelt,
geflohen die Bienen, gerissene Pflanzen,
die Amsel verstummt, selbst die Hähne beschweigen
den Morgen. Da suchen die Würmer das Weite.

Noch jetzt, nach dem Sturm, letzte Schlieren am Himmel,
die Winde verlaufen sich, Wolken entgrauen,
verfliegen in Ferne, die Sonne kehrt wieder,
beleuchtet soweit es die Augen erlauben

das Elend. Und Ohnmacht ergreift mich. Erstarren
bezeugt die Verzweiflung, mein Glaube erbebt.
Es bäumen die Ängste, es wachsen die Zweifel,
doch Stille bedeckt das geschundene Land.

Da steh ich nun allein inmitten
hellblauer Fassungslosigkeit .
Dann kommt die Flutwelle ...
 

L'étranger

Mitglied
Hallo Liara,

Ich schätze, das ist ein mutiger Versuch, die Flut an der Aar ins Blickfeld zu nehmen.

Sprachlich ist er mir zu "gelackt". Von jemand, der im Zentrum des Geschehens steht, stelle ich mir das etwas stammeliger und gebrochener vor - also mehr unvollständige Sätze z.B. Aber du hast halt Mut ;-).

Der zweite Genitiv in Strophe 1 ist mir definitiv zu viel. Da "stelzt" du ins Thema.

Die Würmer in Strophe 2 finde ich unfreiwillig komisch.

Der Einschub "soweit es die Augen erlauben" ist semantisch zweifelhaft, und würde, falls du daran festhältst, zwischen zwei Kommata gehören.

Spannend bleibt die "zweite" Flutwelle am Ende des Gedichts (eine muss es ja vorher schon gegeben haben).
Ich nehme an, das ist die in den Menschen. Es wäre spannend, sich zu fragen, ob man das kenntlich machen soll und kann.

LG Lé.
 

Spirulina

Mitglied
Hallo Lé,

eigentlich habe ich das Gedicht geschrieben, bevor noch die Katastrophe an der Ahr geschah
und traute mich dann lange nicht, es einzustellen.
Und es war ursprünglich nicht auf eine reale Situation gemünzt.
"Gelackt" habe ich es eigentlich erst heute, die erste Version wäre stammeliger gewesen.

Die Kommas habe ich gesetzt.
Mit der zweiten Strophe weiß ich jetzt auch nicht ganz. Vielleicht muss ich selbst
noch ein paar Nächte drüber schlafen.

Der Schluss deutet darauf hin, was eigentlich ursprünglich die gesamte
Intention des Gedichtes war, und davon sind auch die Würmer noch
übrig, die sollten etwas auflockern.

Ich bin mir nicht sicher, ob nicht inzwischen das gesamte Gedicht verunglückt ist.

Danke für deinen Kommentar. Ich bleib dran.

Liebe Grüße
 

Franke

Foren-Redakteur
Teammitglied
Hallo!

Ja, man ist immer in der Versuchung sich möglichst "gelackt" auszudrücken. Aber meistens ist dann doch die "einfache" Sprache, die beim Leser ankommt.

Das Problem ist ganz einfach folgendes:

Erstarren
bezeugt die Verzweiflung, mein Glaube erbebt.
Durch solche Formulierung machst du dein Gedicht unglaubwürdig. Der Leser kauft dir das in diesem Moment nicht ab.

Liebe Grüße
Manfred
 

Spirulina

Mitglied
Hallo Manfred,

danke dir, jetzt verstehe ich auch besser, was Lé mit gelackt gemeint hat.

Das war mein ursprüngliches Gedicht, ohne gelackt und rhythmische Anpassung:

Es hätte ein ruhiger Tag werden können

Da steh ich nun
allein in der Landschaft,
mitten in einem Trümmerfeld.
Alles zerstört, die Äste gebrochen,
sämtliche Pflanzen ausgerissen,
und entwurzelte Bäume liegen herum.

Die Amsel ist verstummt,
die Bienen sind geflohen und
ein paar Würmer suchen eben das Weite.

Da steh ich nun
nach dem Orkan -
letzte dunkle Schlieren am Himmel
bezeugen meine Ohnmacht,
hinterlassen Fassungslosigkeit.
Dann kommt die Flutwelle…


Vielleicht lässt es sich ja doch noch irgendwie retten.

Danke, dass ihr euch um mein Gedicht bemüht.

Liebe Grüße
Liara
 

L'étranger

Mitglied
Ich schätze, es wäre besser, sich die Zeilen für eine andere Gelegenheit aufzusparen. Irgendwann kommt immer der Zeitpunkt, wo die Bilder ihren Platz finden.

Zur Zeit vergleicht man es zu sehr mit den Fernsehrealitäten.

Es darf sprachlich ruhig noch etwas wuchtiger, struppeliger und harscher werden. Das ist auch in der Ursprungsversion immer noch sehr brave Prosa für ein Prosagedicht.

Gruß Lé.
 

Spirulina

Mitglied
Ja, das stimmt wohl.
Die Realität mit ihrer furchtbaren Katastrophe schiebt sich bestimmt über
den unvoreingenommenen Blick.

"Brav also";) ?! Schaun wir mal, was sich irgendwann entwickelt, wenn die Zeit passt.

Sei bedankt und lieb gegrüßt
Liara
 



 
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