Es stinkt in unserem Haus

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MicM

Mitglied
Es stinkt. Bei uns im Haus stinkt es. Am letzten Wochenende habe ich es schon bemerkt. In den letzten Tagen ist es schlimmer geworden. Heute gehe der Sache auf den Grund. Natürlich nicht auf nüchternen Magen. Erstmal ein Mettbrötchen. Nur eins. Der Arzt sagt, ich soll aufpassen. Dazu ein Kaffee, nicht zu stark. Auch nur einen. Zum Frühstück ist das okay, sagt Herr Dr. Gottlieb, mein Arzt, ein feiner Mann. Danach gehe ich runter die Post holen. Und dann gehe ich der Sache auf den Grund.

Der Gestank stört. Im Ersten sind ja neulich die Ramanathans eingezogen. Tamilen, glaube ich. Die haben so einen eigenartigen Braunton im Gesicht. Sieht ein bisschen aus wie die Farbe von ... - Entschuldigung - wie Dünnschiss. Bitte nicht falsch verstehen. Die sind nett, soweit ich weiß. Sie grüßen jedenfalls ganz freundlich im Treppenhaus. Wackeln immer mit dem Kopf. Keine Ahnung warum. Deutsch können sie wahrscheinlich nicht so gut. Unterhalten haben wir uns nicht. Worüber auch. Sauber schienen sie zu sein. Mir ist nichts Unangenehmes aufgefallen.

Trotzdem, es stinkt bei uns im Haus. Anfangs roch es derb, auch ein bisschen süßlich, aber unangenehm, muffig. Die Özcans wohnen ja schon länger hier. Seitdem deren Ältester ein Halbstarker geworden ist, übertreibt er es mit dem billigen Parfüm. Der Duft hängt stundenlang im Treppenhaus. Auch süßlich, aber viel Moschus. Schlimmer als eine Frau. Und das als Junge. Keine Ahnung, ob der Fußball spielt. Mit den anderen Halbstarken hängt der ab dem späten Nachmittag immer am Spielplatz herum. Nichtsnutze. Genau wie Vater Özcan, der jeden Abenden stundenlang nebenan Tee trinkt und mit den anderen Vätern Domino spielt. Und zu Hause kocht Mama Özcan töpfeweise Linsen und so ein Zeug. Aber das hat sie im Griff. Die drei kleinen Mädchen müssen das wahrscheinlich auslöffeln. Werden so dick wie die Mama.

So wie es anfangs stank, habe ich auch an alte Muscheln gedacht. Der Junge unter mir kriegt davon bestimmt nichts mit. Ist ja nie da. Vielleicht doch, nur sieht man ihn nicht. Mitten in der Nacht höre ich manchmal die Tür ins Schloss fallen. Keine Ahnung, ob er kommt oder geht. Bei mir heißt er nur „Junge“, er kann aber auch älter sein. Irgendwas zwischen 18 und 58 schätze ich. Man sieht ihn ja fast nie. Hat noch nicht einmal einen richtigen Namen. „FunBoy“ steht auf dem Klingelschild. Den Rest kann man sich wohl denken. Sehen tut man jedenfalls nichts. Auch geruchlich hinterlässt er keine Spuren.

Ammoniak. Ein bisschen stinkt es so. Die alte Jaworski aus der Zweiten ist wohl inkontinent. Weiß ich nicht genau. Sieht aber so aus, als ob sie Windeln trägt. Und die Haare sind auch nicht immer gewaschen. Aber die riecht eher nach Rauch. Ich glaube, die qualmt locker zwei Schachteln am Tag weg. Bekommt sie bestimmt von ihren polnischen Verwandten geschmuggelt. Wie soll sie sich das sonst leisten. Wobei – der alte Jaworski, angeblich gelernter Fliesenleger, hat bestimmt immer schwarz gearbeitet. Vielleicht hat sie ja ein paar Geldbündel gebunkert. Schließlich ist der ja urplötzlich aus den Latschen gekippt. Seitdem riecht sie regelmäßig schon vormittags auch nach Schnaps. Dabei hat sie mir neulich was von Buddhismus und neuer Spiritualität erzählen wollen. Hat mich im Treppenhaus überrascht. Bin ich natürlich schnell abgehauen. Jedenfalls kotzt die bestimmt nicht ins Treppenhaus.

Faulig, vergoren ist der Gestank, wenn ich es recht bedenke. Die Peinemann, diese Öko-Emanze, wohnt direkt neben mir. Lesbisch ist die auch. Kein Wunder – die quatscht den ganzen Tag. Hält ja kein Mann aus. Stundenlange Teekränzchen mit den anderen Glucken. Und wenn der Besuch weg ist, geht es am Telefon weiter. Ihre schrille Stimme dringt durch die Wand. Wie ein aufgescheuchtes Hühnchen. Vegan ist die auch. Kocht sich Kressesüppchen und Brennnesseltee. Keine Ahnung womit die duscht. Wahrscheinlich Gartenkräuter. Oder Torf. An ihr riechen möchte ich nicht. Aber aus der Wohnung drang noch nichts. Außer ihr Gegacker.

Stechend. Neuerdings sticht der Gestank in der Nase, habe ich gestern bemerkt. Die Studenten aus der WG im Vierten können es nicht sein. Ich weiß nicht, wie die sich in unser Haus verirrt haben. Schickimicki sind die. Jura oder BWL. Vielleicht auch Medizin. Deswegen wohnen sie auch im „Penthouse“. Passen nicht in unser Haus. Halten sich für etwas besseres. Grüßen nie. Aber wenigstens sind sie still. Und topfit, wie man wohl sagt. Bestimmt auch Veganer. Der eine geht häufiger Joggen. Schwitzt wie ein Schwein, obwohl er keines isst. Unangenehm, wenn man ihm im Treppenhaus begegnet. Verfliegt aber wieder. Immerhin seine Laufschuhe nimmt er mit in die Wohnung. Abstellen im Treppenhaus wäre ja auch verboten. Eigentlich komme ich dort ja nicht vorbei. Aber man möchte ja wissen, was die über einem so machen.

Wie in einem schlecht gepflegten Zoo stinkt es. Es erinnert an verwesende Tierkadaver. Herr Akpuburun, der von neben den Studenten, kam mir ja neulich mit einer Puppe im Arm entgegen. Ich meine mit Puppe jetzt nicht Frau. Sexpartnerinnen hat der auch. Jede Menge. Mit Puppe meine ich so ein Voodoo-Ding. Kam mir mit seiner farbigen Kutte, wahrscheinlich eine Stammestracht, entgegen. Hatte so ein düsteres Funkeln in seinen tief schwarzen Augen. Unheimlich. Was er oben in der Vierten so treibt, bekommt man ja nicht mit. Nur seine leicht bekleideten Gespielinnen sehe ich manchmal davonhuschen. Vielleicht versteckt er in der Puppe ja auch Blutdiamanten.

Der Gestank kommt eher von unten. Ich gehe mal die Post holen.

* * *

Unfassbar! Die Peinemann hat mir eine Nachricht in den Briefkasten geworfen. Anstatt mit mir zu reden. Lieber Herr B., schreibt sie. Pah, ich liebe Sie nicht, Frau P., sage ich. Lieber Herr B., in der Zeitungskiste unter den Briefkästen habe ich eine Tüte mit einem Pfund Mett gefunden. Das war schon sehr angegammelt und hat furchtbar gestunken. Haben Sie es vielleicht versehentlich unter den Zeitungen vergessen? Außer Ihnen isst in diesem Haus wohl niemand Mett. Sagen Sie bitte Bescheid, wenn Sie Unterstützung im Haushalt benötigen. Ich helfe gern! Herzlich, Sybille Peinemann. Das ist doch unfassbar. Jetzt habe ich ein einziges Mal meine Metttüte bei den Zeitungen vergessen und schon werde ich abgestempelt als alter Trottel, der nicht mehr alleine zu recht kommt. Die kennt mich doch gar nicht. Redet nie mit mir. Erschreckend, wie einen manche Leute mit ihren Vorurteilen sofort in eine Schublade stecken.
 

MIO

Mitglied
Es stinkt …

Vielen Dank für diese unterhaltsame Geschichte. Ja, so ist das mit den Vorurteilen. Oft flutschen sie ganz von allein in den Kopf und entwickeln ungeahnte Blüten.
Hat mich ein bisschen an die Geschichte von der Frau erinnert, die sich immer darüber aufregt, dass die Nachbern immer dreckige Wäsche auf die Leine Hängen. Dann eines Tages war die Wäsche blitzsauber und der Ehemann meinte; "Ich habe die Fenster geputzt."
LG MIO
 

MicM

Mitglied
Es stinkt. Bei uns im Haus stinkt es. Am letzten Wochenende habe ich es schon bemerkt. In den letzten Tagen ist es schlimmer geworden. Heute gehe der Sache auf den Grund. Natürlich nicht auf nüchternen Magen. Erstmal ein Mettbrötchen. Nur eins. Der Arzt sagt, ich soll aufpassen. Dazu ein Kaffee, nicht zu stark. Auch nur einen. Zum Frühstück ist das okay, sagt Herr Dr. Gottlieb, mein Arzt, ein feiner Mann. Danach gehe ich runter die Post holen. Und dann gehe ich der Sache auf den Grund.

Der Gestank stört. Im Ersten sind ja neulich die Ramanathans eingezogen. Tamilen, glaube ich. Die haben so einen eigenartigen Braunton im Gesicht. Sieht ein bisschen aus wie die Farbe von ... - Entschuldigung - wie Dünnschiss. Bitte nicht falsch verstehen. Die sind nett, soweit ich weiß. Sie grüßen jedenfalls ganz freundlich im Treppenhaus. Wackeln immer mit dem Kopf. Keine Ahnung warum. Deutsch können sie wahrscheinlich nicht so gut. Unterhalten haben wir uns nicht. Worüber auch. Sauber schienen sie zu sein. Mir ist nichts Unangenehmes aufgefallen.

Trotzdem, es stinkt bei uns im Haus. Anfangs roch es derb, auch ein bisschen süßlich, aber unangenehm, muffig. Die Özcans wohnen ja schon länger hier. Seitdem deren Ältester ein Halbstarker geworden ist, übertreibt er es mit dem billigen Parfüm. Der Duft hängt stundenlang im Treppenhaus. Auch süßlich, aber viel Moschus. Schlimmer als eine Frau. Und das als Junge. Keine Ahnung, ob der Fußball spielt. Mit den anderen Halbstarken hängt der ab dem späten Nachmittag immer am Spielplatz herum. Nichtsnutze. Genau wie Vater Özcan, der jeden Abenden stundenlang nebenan Tee trinkt und mit den anderen Vätern Domino spielt. Und zu Hause kocht Mama Özcan töpfeweise Linsen und so ein Zeug. Aber das hat sie im Griff. Die drei kleinen Mädchen müssen das wahrscheinlich auslöffeln. Werden so dick wie die Mama.

So wie es anfangs stank, habe ich auch an alte Muscheln gedacht. Der Junge unter mir kriegt davon bestimmt nichts mit. Ist ja nie da. Vielleicht doch, nur sieht man ihn nicht. Mitten in der Nacht höre ich manchmal die Tür ins Schloss fallen. Keine Ahnung, ob er kommt oder geht. Bei mir heißt er nur „Junge“, er kann aber auch älter sein. Irgendwas zwischen 18 und 58 schätze ich. Man sieht ihn ja fast nie. Hat noch nicht einmal einen richtigen Namen. „FunBoy“ steht auf dem Klingelschild. Den Rest kann man sich wohl denken. Sehen tut man jedenfalls nichts. Auch geruchlich hinterlässt er keine Spuren.

Ammoniak. Ein bisschen stinkt es so. Die alte Jaworski aus der Zweiten ist wohl inkontinent. Weiß ich nicht genau. Sieht aber so aus, als ob sie Windeln trägt. Und die Haare sind auch nicht immer gewaschen. Aber die riecht eher nach Rauch. Ich glaube, die qualmt locker zwei Schachteln am Tag weg. Bekommt sie bestimmt von ihren polnischen Verwandten geschmuggelt. Wie soll sie sich das sonst leisten. Wobei – der alte Jaworski, angeblich gelernter Fliesenleger, hat bestimmt immer schwarz gearbeitet. Vielleicht hat sie ja ein paar Geldbündel gebunkert. Schließlich ist der ja urplötzlich aus den Latschen gekippt. Seitdem riecht sie regelmäßig schon vormittags auch nach Schnaps. Dabei hat sie mir neulich was von Buddhismus und neuer Spiritualität erzählen wollen. Hat mich im Treppenhaus überrascht. Bin ich natürlich schnell abgehauen. Jedenfalls kotzt die bestimmt nicht ins Treppenhaus.

Faulig, vergoren ist der Gestank, wenn ich es recht bedenke. Sybille-Marina Pein-Gütlich, schon dieser Name! Diese Öko-Emanze, wohnt direkt neben mir. Geschieden natürlich. Kein Wunder – die quatscht den ganzen Tag. Hält ja kein Mann aus. Stundenlange Teekränzchen mit den anderen Glucken. Und wenn der Besuch weg ist, geht es am Telefon weiter. Ihre schrille Stimme dringt durch die Wand. Wie ein aufgescheuchtes Hühnchen. Vegan ist die auch. Kocht sich Kressesüppchen und Brennnesseltee. Keine Ahnung womit die duscht. Wahrscheinlich Gartenkräuter. Oder Torf. An ihr riechen möchte ich nicht. Aber aus der Wohnung drang noch nichts. Außer ihr Gegacker.

Stechend. Neuerdings sticht der Gestank in der Nase, habe ich gestern bemerkt. Die Studenten aus der WG im Vierten können es nicht sein. Ich weiß nicht, wie die sich in unser Haus verirrt haben. Schickimicki sind die. Jura oder BWL. Vielleicht auch Medizin. Deswegen wohnen sie auch im „Penthouse“. Passen nicht in unser Haus. Halten sich für etwas besseres. Grüßen nie. Aber wenigstens sind sie still. Und topfit, wie man wohl sagt. Bestimmt auch Veganer. Der eine geht häufiger Joggen. Schwitzt wie ein Schwein, obwohl er keines isst. Unangenehm, wenn man ihm im Treppenhaus begegnet. Verfliegt aber wieder. Immerhin seine Laufschuhe nimmt er mit in die Wohnung. Abstellen im Treppenhaus wäre ja auch verboten. Eigentlich komme ich dort ja nicht vorbei. Aber man möchte ja wissen, was die über einem so machen.

Wie in einem schlecht gepflegten Zoo stinkt es. Es erinnert an verwesende Tierkadaver. Herr Akpuburun, der von neben den Studenten, kam mir ja neulich mit einer Puppe im Arm entgegen. Ich meine mit Puppe jetzt nicht Frau. Sexpartnerinnen hat der auch. Jede Menge. Mit Puppe meine ich so ein Voodoo-Ding. Kam mir mit seiner farbigen Kutte, wahrscheinlich eine Stammestracht, entgegen. Hatte so ein düsteres Funkeln in seinen tief schwarzen Augen. Unheimlich. Was er oben in der Vierten so treibt, bekommt man ja nicht mit. Nur seine leicht bekleideten Gespielinnen sehe ich manchmal davonhuschen. Vielleicht versteckt er in der Puppe ja auch Blutdiamanten.

Der Gestank kommt eher von unten. Ich gehe mal die Post holen.

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Unfassbar! Pein-Gütlich hat mir eine Nachricht in den Briefkasten geworfen. Anstatt mit mir zu reden. Lieber Herr B., schreibt sie. Pah, ich liebe Sie nicht, Frau P., sage ich. Lieber Herr B., in der Zeitungskiste unter den Briefkästen habe ich eine Tüte mit einem Pfund Mett gefunden. Das war schon sehr angegammelt und hat furchtbar gestunken. Haben Sie es vielleicht versehentlich unter den Zeitungen vergessen? Außer Ihnen isst in diesem Haus wohl niemand Mett. Sagen Sie bitte Bescheid, wenn Sie Unterstützung im Haushalt benötigen. Ich helfe gern! Herzlich, Sybille-Marina Pein-Gütlich. Das ist doch unfassbar. Jetzt habe ich ein einziges Mal meine Metttüte bei den Zeitungen vergessen und schon werde ich abgestempelt als alter Trottel, der nicht mehr alleine zu recht kommt. Die kennt mich doch gar nicht. Redet nie mit mir. Erschreckend, wie einen manche Leute mit ihren Vorurteilen sofort in eine Schublade stecken.
 



 
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