M
margot
Gast
vor vielen hundert jahren lebte auf der erde ein
weiser mann. er lebte in der hoffnung auf frieden
und verbreitete unter seinen mitmenschen seine
lehren, die waren wie licht. viele ließen sich von
ihm unterrichten. viele waren begeistert. das licht
leuchtete fast hundert jahre, bis der meister starb.
und niemand konnte seinen platz einnehmen,
denn jeder hatte sich von ihm leiten lassen, so
fehlte es ihnen an der kraft. man erzählte noch
lange von dem meister. sie machten ihn in den ge-
schichten zu einem übermenschen – einem gott.
niemand konnte den platz eines gottes einnehmen.
seine lehren wurden zur staatsreligion, und sie
zwangen ihre mitmenschen, diesen glauben anzu-
nehmen. sie meinten, das seien sie ihrem gott
schuldig. sie führten in seinem namen krieg, rissen
fremde kultstätten nieder und errichteten anstatt
derer tempel ihres gottes. so kämpften sie viele
jahrhunderte hindurch, und das einzige licht, das
brannte, war das feuer des krieges.
als sie dann des kämpfens müde wurden und sich
ihrer taten besannen, sahen sie, dass sie nicht wirk-
lich für ihren glauben gekämpft hatten, sondern von
haß und habgier getrieben, ihren gott nur als aus-
hängeschild benutzt hatten. sie waren müde, und in
ihren herzen war es dunkel und leer. sie erzählten
sich untereinander geschichten aus einer zeit des
friedens und des glücks, geschichten von einem
weisen mann, die sie erst jetzt verstehen konnten.
(1981)
weiser mann. er lebte in der hoffnung auf frieden
und verbreitete unter seinen mitmenschen seine
lehren, die waren wie licht. viele ließen sich von
ihm unterrichten. viele waren begeistert. das licht
leuchtete fast hundert jahre, bis der meister starb.
und niemand konnte seinen platz einnehmen,
denn jeder hatte sich von ihm leiten lassen, so
fehlte es ihnen an der kraft. man erzählte noch
lange von dem meister. sie machten ihn in den ge-
schichten zu einem übermenschen – einem gott.
niemand konnte den platz eines gottes einnehmen.
seine lehren wurden zur staatsreligion, und sie
zwangen ihre mitmenschen, diesen glauben anzu-
nehmen. sie meinten, das seien sie ihrem gott
schuldig. sie führten in seinem namen krieg, rissen
fremde kultstätten nieder und errichteten anstatt
derer tempel ihres gottes. so kämpften sie viele
jahrhunderte hindurch, und das einzige licht, das
brannte, war das feuer des krieges.
als sie dann des kämpfens müde wurden und sich
ihrer taten besannen, sahen sie, dass sie nicht wirk-
lich für ihren glauben gekämpft hatten, sondern von
haß und habgier getrieben, ihren gott nur als aus-
hängeschild benutzt hatten. sie waren müde, und in
ihren herzen war es dunkel und leer. sie erzählten
sich untereinander geschichten aus einer zeit des
friedens und des glücks, geschichten von einem
weisen mann, die sie erst jetzt verstehen konnten.
(1981)