Ethan

4,00 Stern(e) 4 Bewertungen
Ethan war ein englischer Austauschschüler und kam im letzten Schuljahr vor der Oberstufe zu uns, kurz nach Beginn des ersten Halbjahres. Die Mädchen in der Klasse waren vom ersten Tag an von ihm fasziniert und Rita Rottmann - die mit der größten Oberweite in der ganzen Schule - machte seinetwegen sogar Schluss mit ihrem Freund Tobias, obwohl Ethan gar kein Interesse an ihr hatte. Wenn ich es mir recht überlege, hatte er eigentlich an niemanden Interesse, nicht an Mädchen, nicht an Jungen und die Lehrer interessierten ihn nur soweit, wie er ihnen widersprechen konnte, aber den Unterricht nahm er ernst. Er war intelligent und das Lernen fiel ihm leicht. Manchmal, wenn er es nicht merkte, betrachtete ich ihn von der hinteren Bank aus. „Man könnte ihn malen", schoss es mir durch den Kopf, wie er so konzentriert da hockte, das dunkelbraune Haar adrett in der Mitte gescheitelt, mit zusammengekniffenen Augen, wenn er den Lehrern lauschte und ständig einen Bleistift in der Hand, um sofort loskritzeln zu können, wenn er sich ausnahmsweise etwas nicht allein vom Zuhören merken konnte. Eines Tages konnte ich nicht mehr widerstehen: Ich zog meinen Zeichenblock unter dem Tisch hervor, machte mir in der kurzen Pause eine flüchtige Skizze und zeichnete zu Hause sein Porträt. Ich hatte noch nie jemanden in solch konzentrierter Stellung im Unterricht gesehen und wollte diesen Augenblick festhalten. Schließlich fand ich meine Bleistiftzeichnung so gelungen, dass ich sie in meinem Zimmer aufhängte und jeder, der hinein kam, unwillkürlich fragte: „Wer ist das? Hat er dir Modell gesessen?"
„Nein, ich habe ihn aus dem Kopf gezeichnet", pflegte ich dann zu sagen und jeder staunte darüber. Schade, dass Ethan selbst sein Bild nie zu Gesicht bekam, wer weiß, vielleicht hätte es ihm gefallen. Aber das lässt sich jetzt nicht mehr feststellen.

Das Haus, in dem Ethan wohnte, lag auf meinem Schulweg. Einmal sah ich Rita davor stehen und klingeln. „Sie bildet sich tatsächlich ein, dass sie eine Chance hat", dachte ich. Offenbar bildete auch Tobias sich das ein, sonst hätte er sich Ethan nicht einmal auf dem Schulhof in den Weg gestellt und ihn aufgefordert, „gefälligst die Finger von Rita zu lassen". Ethan war nur wortlos an ihm vorbeigegangen und weiter war nichts vorgefallen.

Am 14. April sah ich Ethan zum letzten Mal. Am 15. April blieb sein Platz leer und am 16. April wurde uns mitgeteilt, dass Ethan vermisst gemeldet worden war. Seit über 24 Stunden hatte ihn niemand mehr gesehen.
„Er ist abgehauen", vermutete Rita. „Wahrscheinlich aus Angst vor Tobias."
„So ein Unsinn", widersprach ich. „Er wollte doch gar nichts von dir, also warum sollte er Angst vor deinem Ex-Freund haben? Sogar Tobias müsste aufgefallen sein, dass er nie mit dir zusammen war."
„Ha!" Rita warf sich in die Brust. „Das weißt du doch nicht! Ich weiß es besser!"
„Hattest du denn etwas mit ihm?" fragte ich gespannt.
Auf die Frage schien Rita nur gewartet zu haben. „Er hat sogar mit mir geschlafen", behauptete sie wichtigtuerisch. Ich glaubte ihr kein Wort, aber ich widersprach ihr nicht.
„Hast du Tobias das denn erzählt?"
„Natürlich! Ich wollte ja, dass er mich endlich in Ruhe lässt. Es ging nicht in seinen Kopf rein, dass ich nichts mehr von ihm wollte. Da habe ich ihm diese Sache brühwarm erzählt. Deswegen hat er Ethan ja auch angemotzt."
Fair war das nicht, dachte ich. Ethan wollte nichts von Rita, aber er musste sich ihretwegen von ihrem Ex-Freund anmachen lassen und um sie nicht zu blamieren, widersprach er nicht mal. Ja, so schätzte ich Ethan ein: Er würde nie jemanden blamieren wollen.
„Wahrscheinlich ist er längst wieder auf dem Weg nach England", sagte Rita in meine Gedanken hinein.
Doch mit dieser Vermutung behielt Rita leider nicht recht. Am 29.Mai wurde in einem Wald seine Leiche gefunden. Ethan war ermordet worden, Todeszeitpunkt laut Gerichtsmedizin der 15. April, also lebte er kurz nach seinem Verschwinden schon nicht mehr.

Wir waren alle fassungslos. Wer hätte Ethan töten können und warum? Ich glaubte nicht, dass eine Eifersuchtsgeschichte dahinter stecken könnte, auch wenn manche von uns Tobias in Verdacht hatten. Ausgerechnet Rita entlastete ihn dann aber: An Ethans Todestag sei Tobias bei ihr gewesen, habe ihr eine Riesenszene gemacht und sie angeblich „auf Knien angefleht", zu ihm zurückzukehren. Auch einige Nachbarn hatten Tobias bemerkt, so hatte er ein wasserdichtes Alibi. Aber an seine Schuld hatte ich sowieso nicht geglaubt.

In meinem Zimmer nahm ich Ethans Bild von der Wand und betrachtete es lange. Wie sinnlos war das alles, womit hatte er dieses Ende verdient? Natürlich kam ich zu keinem Ergebnis.

Die ganze Sache ist jetzt schon jahrelang her. Ethans Mörder hat man nie gefunden. Seine Leiche wurde nach England übergeführt, so kann ich sein Grab nicht besuchen und Blumen darauf legen. Aber manchmal denke ich an ihn.

Schade, dass ich ihn nie wiedersehen werde.
 
Zuletzt bearbeitet:
Hallo Binsenbrecher,

danke für deine Einschätzung. Es freut mich, dass die Geschichte atmosphärisch dicht geworden ist. Sie ist zwar nicht autobiographisch, also einen Ethan habe ich nie gekannt. Aber ich wollte sie stellvertretend für diejenigen schreiben, die einem sinnlosen Verbrechen zum Opfer gefallen sind und mitten aus dem Leben gerissen wurden.

LG SilberneDelfine
 

Silvita

Mitglied
Liebe SilberneDelfine,

eine interessante, düstere, traurige Geschichte. Guter Einstieg, der Leser möchte sofort mehr erfahren. Ich kann mir sofort ein Bild von Ethan machen, viele Fragen bleiben offen, z.B. wie ist er ermordet worden?

Ein paar Kleinigkeiten sind mir aufgefallen, die man verbessern könnte:

machte sogar seinetwegen Schluss mit ihrem Freund Tobias
Da würde ich schreiben: ...machte seinetwegen sogar Schluss...

dass Ethan selbst sein Bild nie zu Gesicht kam
Es müsse heißen: ....sein Bild nie zu Gesicht bekam

Einmal sah ich Rita...
Am 14. April sah ich...

Wortwiederholung innerhalb kurzer Zeit. Hier würde ich ein Synonym verwenden

Ganz liebe Grüße,

Silvita
 
Liebe Silvita,

vielen Dank für deine Verbesserungshinweise! Das ist mit tatsächlich alles selbst nicht aufgefallen, obwohl ich den Text mehrmals durchgelesen habe.


viele Fragen bleiben offen, z.B. wie ist er ermordet worden
Das habe ich mit Absicht offengelassen. Es sollte eine rätselhafte Geschichte sein (kein Krimi mit Erklärung und Auflösung :)). Ich fand es eigentlich auch einfach nicht wichtig für die Geschichte.

LG SilberneDelfine
 

Silvita

Mitglied
Liebe SilberneDelphine,

gern geschehen.
Das kenne ich von mir auch. Bei eigenen Texten ist man leider oft "betriebsblind".

Das habe ich mir schon gedacht. Als Krimifan schlägt da natürlich sofort mein Ermittlerherz höher und ich will das Geheimnis ergründen. :)

LG Silvita
 
G

Gelöschtes Mitglied 14278

Gast
Hallo SilberneDelfine,

viel Neues gibt es ja momentan nicht im Sommerloch, und so bin ich mal ein bisschen bei den älteren Texten unterwegs. Ich weiß nicht, warum ich diese Geschichte bisher übersehen habe.

Du hast diese Geschichte spannend erzählt, sie nimmt den Leser mit. Ich war überrascht, am Schluss lesen zu müssen, dass sie nicht autobiografisch ist – davon war ich ausgegangen. Deshalb mein doppeltes Lob für Deine Phantasie.
Darf ich Dich trotzdem noch auf ein paar kleine Schnitzer hinweisen?

Für meinen Geschmack sind ein paar Hilfsverben überflüssig, z. B. hier
Rita Rottmann - das war die mit der größten Oberweite in der ganzen Schule
Doch dem war nicht so. Am 29.Mai wurde in einem Wald seine Leiche gefunden. Ethan war ermordet worden. Todeszeitpunkt war laut Gerichtsmedizin der 15. April Die Polizei ging von Mord aus und bestimmte als Todeszeitpunkt den 15. April. Also lebte er kurz nach seinem Verschwinden schon nicht mehr.
Ein paar kleinere Korrekturen könntest du vielleicht auch noch hier vornehmen:
aufhing - aufhängte
schoß - schoss
überführt - übergeführt (klingt blöd, ist aber leider richtig)

Den ersten Absatz würde ich noch einmal unterteilen, vielleicht mit einem Absatz vor "Man könnte ihn malen".

Vielleicht magst Du ja noch ein wenig nachbessern. Ich finde, die Geschichte hat es verdient.

Gruß, Ciconia

P.S: Den offenen Schluss finde ich übrigens o.k. - es ist für die Geschichte nicht wichtig, wie Ethan ums Leben kam.
 
Zuletzt bearbeitet von einem Moderator:
Hallo Ciconia,

danke für deinen Kommentar und das doppelte Lob, ich habe mich sehr gefreut!

Die Schnitzer werde ich noch korrigieren - nur bei zwei Dingen bin ich mir nicht sicher, ob ich sie so umändern werde: Erstens der Absatz vor „Man könnte ihn malen" - da kommt nach meinem Empfinden (nach einer längeren Diskussion über Absätze und Leerzeilen im Krimi-Forum vor kurzem) eigentlich keiner hin - und das zweite ist "aufhängte". Kann man nicht beides sagen, also "aufhing" und "aufhängte"? Da muss ich noch mal nachschauen.
"Übergeführt" - da hast du natürlich recht. Überführen ist etwas anderes - jemandem etwas nachweisen, ihn eines Verbrechens zu überführen. Ist mir bis jetzt nicht aufgefallen.

Die vielen "war" kommen noch weg.

Danke für deine Hinweise!

LG SilberneDelfine
 
G

Gelöschtes Mitglied 14278

Gast
Hallo SilberneDelfine,

freut mich, dass meine Hinweise hilfreich sind.
Kann man nicht beides sagen, also "aufhing" und "aufhängte"?
Hier müsste man zwischen transitivem und intransitivem Gebrauch unterscheiden:
Transitiv – mit einem Akkusativobjekt – Ich hänge das Bild auf, habe es aufgehängt
Intransitiv – ohne Akkusativobjekt – Das Bild hing an der Wand

Den Absatz würde ich hier rein gefühlsmäßig setzen, weil mit dem Gedankengang „Man könnte ihn malen“ für mich eine neue Szene beginnt. Aber darüber kann man sicher unterschiedlich denken.

Gruß, Ciconia
 

Ralph Ronneberger

Foren-Redakteur
Teammitglied
Ich hatte mir bei meinem Neueinstieg als Redakteur für die Rubrik „Erzählungen“ (Ende Mai 2020) eigentlich vorgenommen, von da an zu jeder Erzählung wenigstens einen kleinen Kommentar abzugeben. Das ist noch nicht ganz gelungen. Dein „Ethan“ gehört zu zwei Texten, um die ich immer wie eine Katze um den heißen Brei herum geschlichen bin.

Bei diesem „Ethan“ bin ich mir immer noch nicht im Klaren darüber, ob ich für mich den Text als gut oder misslungen einstufen soll. Vielleicht liegt mein Empfinden irgendwo dazwischen. Eigentlich mag ich keine Geschichten, bei denen eine sich gerade erst entwickelnde Handlung so abrupt beendet wird. Doch das war ja beim Beginn des Lesens nicht vorauszusehen.
Daher hat es mich von Anfang an in die kleine „Erzählung“ hineingezogen. So wollte ich beispielsweise wissen, was denn an diesem Ethan so Besonderes dran sei, damit „die Mädchen in der Klasse vom ersten Tag an von ihm fasziniert waren“ und diese vollbusige Rita glattweg ihrem Freund den Laufpass gibt. Ist es sein Auftreten? Ich bin mir nicht sicher, dass ein zur Schau getragenes Desinteresse an fast allem derartige Begeisterungsstürme auslösen muss. Vielleicht irre ich da auch. Ist es sein Äußeres? Mag sein, aber davon erfährt der Leser so gut wie nichts. „Dunkelbraune Haar adrett in der Mitte gescheitelt“ – das ist alles und sagt nichts über seine Erscheinung aus.

Also ist beim Leser Abwarten angesagt. Kommt wahrscheinlich alles noch.
Nee – nix kommt. Die ganze Rita-Geschichte entpuppt sich (zum Glück) als Luftnummer, denn bei ihr ist lediglich der Wunsch der Vater des Gedanken. Diesen Strang kann man getrost abhaken, auch wenn am Ende noch die Behauptung dieser Rita steht, dass sie mit Ethan gepennt hat. Trotzdem taucht ganz vage die Vermutung auf, aus dieser Behauptung könnte sich ein Mordmotiv bei dem Ex-Freund ergeben. Nö. Der hat ein wasserdichtes Alibi. Die ganze Rita-Tobias-Affäre entpuppt sich als reines Füllmaterial.
Aber was bleibt dann übrig? Aha. Da ist ja noch die Ich-Erzählerin, die sich – so kommt es mir zumindest unterschwellig vor – ebenfalls in den Knaben verknallt hat. Sie beobachtet ihn mit gewisser Faszination, sie malt heimlich ein Porträt von ihm, was sie bei sich im Zimmer aufhängt. Ich frage mich nun gespannt: Geht diese Liebe in Erfüllung oder bekommt auch diese „Ich“ einen Korb? Oder erwartet mich ein tragisches Ende? Ich erfahre: Letzteres ist der Fall. Der ach so geheimnisvolle und so viel Faszination auslösende Mitschüler wird mal so auf die Schnelle umgebracht. Und das, noch ehe die Handlung überhaupt eine Chance hat, um in Schwung zu kommen. Wie praktisch. Das entbindet natürlich die Autorin von jeglicher Weiterführung des Plots. Der Leser soll ja was zu raten haben. Zumindest soll er sich wohl Gedanken darüber machen, was denn gewesen wäre wenn ... Das kann man machen, aber in Form einer Erzählung? Für eine Kurzgeschichte mit offenem Ausgang hätte der Text vielleicht gereicht. Für eine Erzählung wohl eher nicht.


Gruß Ralph
 
Hallo Ralph Ronneberger,

dein doch etwas grimmiger Kommentar wundert mich nicht wirklich. Als die LL umgestellt wurde, habe ich bemerkt, dass du mit meinen Geschichten im Allgemeinen nichts anfangen kannst, das sah ich an den (ehemaligen anonymen) Bewertungen.
Na, was soll's. Immerhin hast du hier ja wenigstens eine Begründung geliefert.
Wenn du meinst, dass der Text bei Erzählungen nichts zu suchen hat, dann verschiebe ihn. Ist ja dein Forum.

sich gerade erst entwickelnde Handlung so abrupt beendet wird
Tja, wenn Leute durch ein Verbrechen mitten aus dem Leben gerissen werden, endet halt alles abrupt.

Viele Grüße
SilberneDelfine
 
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Ralph Ronneberger

Foren-Redakteur
Teammitglied
Hallo Silberne Delphine,

deine Antwort auf meinen Kommentar veranlasst mich, doch noch ein paar Bemerkungen loszuwerden, obwohl ich für mich das Thema als abgeschlossen betrachten kann. Das umso mehr, da du auf meine Eindrücke, die ich beim Lesen deiner Geschichte bekam und geschildert habe, gar nicht eingehst. Um ehrlich zu sein – ich hatte auch kaum damit gerechnet.
Stattdessen schreibst du:
dein doch etwas grimmiger Kommentar wundert mich nicht wirklich. Als die LL umgestellt wurde, habe ich bemerkt, dass du mit meinen Geschichten im Allgemeinen nichts anfangen kannst, das sah ich an den (ehemaligen anonymen) Bewertungen.
Na ja – grimmig war der Kommentar nun wirklich nicht. Guck mal bei den Synonymen nach, dann wirst du Worte wie bissig, streng, beißend, zornig, wütend, ärgerlich, erbittert oder aufgebracht finden. Beim Schreiben meines Eindrucks von deiner Geschichte traf – da kannst du sicher sein – keines der genannten Adjektive auf meine Gemütsverfassung zu.

Am Beispiel meines Bewertungsverhaltes aus der Vergangenheit ziehst du den Schluss, dass ich mit deinen Texten „allgemein nichts anfangen“ könnte. Das ist falsch. Man kann, wenn man gewillt ist, mit jedem Text etwas anfangen. So wie du es ausdrückst, würden demnach nicht so rosige Einschätzungen darauf beruhen, dass man den Text nicht versteht. Im vorliegenden Fall (und in allen anderen genauso) geht es doch nicht um das „Anfangenkönnen“ sondern um den subjektiven Eindruck, den der Text bei einem Leser hinterlässt. Das heißt: Man kann ihn wahnsinnig toll oder grottenschlecht finden. Dazwischen gibt es jede Menge Nuancen. Das neue Sternchensystem schränkt diese Möglichkeiten der Abstufung (zumindest in der Bewertung) gegenüber früher wesentlich ein. Aber was soll‘s? Dann muss halt mehr kommentiert werden.

Als eine Begründung für das von mir angesprochene abrupte Ende (ich könnte auch zu frühe Ende sagen) führts du an:
Tja, wenn Leute durch ein Verbrechen mitten aus dem Leben gerissen werden, endet halt alles abrupt.
Ja, das mag zumindest zum Teil zutreffen. In deiner Geschichte auf jeden Fall. Deine Aussage klingt aber so, als hättest du aufgrund der Ermordung dieses Ethan gar keine andere Wahl gehabt, als die Geschichte so enden zu lassen, wie sie endet. Da musste ich schmunzeln. Die Mörderin bist doch du! Du hättest doch den Todeszeitpunkt vom Ethan beliebig hinausschieben können – zumindest bis zu dem Moment, wo die Handlung bzw. die Konflikte einen gewissen Punkt erreicht hätten, wo der Tod des Klassenkameraden auch einen (vielleicht sogar dramatischen) Einschnitt in das Leben der anderen Protagonisten bedeutet hätte.

Und fast zum Schluss kommt noch die leicht pikiert wirkende Bemerkung:
Wenn du meinst, dass der Text bei Erzählungen nichts zu suchen hat, dann verschiebe ihn. Ist ja dein Forum.
Nein – verschieben werde ich den Text nicht. Erstens möchte ich meiner Kurzgeschichten-Kollegin nicht noch mehr Arbeit aufhalsen und zweitens werde ich nicht gegen eine satte Mehrheit der beteiligten Kommentatoren entscheiden. Immerhin stufen 75% von ihnen den Text als eine gelungene Erzählung ein. Dem kann man sich doch nicht verschließen.

Uff - wieder mal viel zu viel geschrieben, sodass ich nunmehr verspreche, ab jetzt in diesem Faden den Mund zu halten bzw. die Tasten in Ruhe zu lassen.

Es grüßt Ralph
 
Hallo Ralph Ronneberger,


Das umso mehr, da du auf meine Eindrücke, die ich beim Lesen deiner Geschichte bekam und geschildert habe, gar nicht eingehst
Ich bin vorgestern nicht drauf eingegangen, weil ich ziemlich verdutzt war über

Das entbindet natürlich die Autorin von jeglicher Weiterführung des Plots
Klingt so, als wäre ich zu faul gewesen, ein richtiges Ende zu schreiben. Nur kam es mir hier gar nicht auf ein "richtiges" Ende an. Wie ich schon weiter oben schrieb, ich wollte den Text für alle Menschen schreiben, die infolge eines Verbrechens aus dem Leben gerissen wurden. Ich weiß, das klingt ein wenig hochtrabend, hat mich aber beschäftigt.

Du hättest doch den Todeszeitpunkt vom Ethan beliebig hinausschieben können – zumindest bis zu dem Moment, wo die Handlung bzw. die Konflikte einen gewissen Punkt erreicht hätten, wo der Tod des Klassenkameraden auch einen (vielleicht sogar dramatischen) Einschnitt in das Leben der anderen Protagonisten bedeutet hätte.
In dem Fall hättest du aber genau das Gleiche kritisieren können:

Das entbindet natürlich die Autorin von jeglicher Weiterführung des Plots. Der Leser soll ja was zu raten haben.
Auch hier wäre die Geschichte mittendrin zu Ende gewesen und ich hätte keine Auflösung liefern müssen.

Noch ein paar andere Anmerkungen:

Ist es sein Auftreten? Ich bin mir nicht sicher, dass ein zur Schau getragenes Desinteresse an fast allem derartige Begeisterungsstürme auslösen muss
Bei Mädchen in dem Alter schon....
Ist es sein Äußeres? Mag sein, aber davon erfährt der Leser so gut wie nichts. „Dunkelbraune Haar adrett in der Mitte gescheitelt“ – das ist alles und sagt nichts über seine Erscheinung aus.
Okay, sagen wir, ich hätte Ethans Erscheinung komplett beschrieben: "Ethan hatte braune Augen und braune Haare, die er adrett in der Mitte scheitelte. Er war von schlanker Statur und trug am liebsten dunkelblaue Hemden. Die ersten beiden Knöpfe standen immer offen. Manchmal versuchte ich, einen Blick auf seine Brust zu erhaschen, ich fragte mich, ob sie behaart war" - erstens todlangweilig und zweitens, noch schlimmer, telling, nicht showing ;).

Aber was bleibt dann übrig? Aha. Da ist ja noch die Ich-Erzählerin, die sich – so kommt es mir zumindest unterschwellig vor – ebenfalls in den Knaben verknallt hat
Schön möglich.... Schließlich waren alle Mädchen in der Klasse von ihm fasziniert. Warum hätte es bei der Ich-Erzählerin anders sein sollen? Aber da schon Rita ein Auge auf ihn geworfen hat, hält sie sich zurück - zumal sie merkt, dass er sich nicht wirklich für Rita oder sie interessiert.

Tut mir leid, dass ich gestern nicht ausführlicher auf deine Antwort eingegangen bin. Ich hätte wohl erst mal drüber schlafen sollen, denn eigentlich sind es interessante Fragen.

LG SilberneDelfine
 
Zuletzt bearbeitet:

Ralph Ronneberger

Foren-Redakteur
Teammitglied
Es wäre unhöflich, auf deine ausführliche Antwort vom Samstag gar nicht mehr einzugehen. Ich betrachte deine dort anführten Erklärungen bzw. Argumente als einen sachlichen Schlusspunkt unter unsere geführte Diskussion. Ich glaube, es ist alles gesagt. Gleichzeitig sind deine Worte eine deutliche Absage an den Vorschlag, deine Geschichte in dem von mir geschilderten Sinne „auszudehnen“.
Letztlich ist das ja auch in Ordnung so. Am Ende (meist sogar von Anfang an) hat die Autorin oder der Autor das letzte Wort. Es ist ihre/ seine Sache, die von außen heran getragenen Hinweise oder Änderungsvorschläge am eigenem Werk zu in Betracht zu ziehen oder nicht. Na ja – vielleicht gibt es ja ein nächstes Mal an anderer Stelle und einem anderen Text.

Es grüßt Ralph
 
Hallo SilberneDelfine,
es ist eine Geschichte aus dem Leben, das manchmal auch traurig ist. Ich erkenne darin eine Klage gegen das Vergessen. In einer meiner Geschichten hatte ich mal geschrieben, wo es die Formulierung in einem Nachruf war, dass das Vergessen die größte Sünde ist. Menschen, an die man sich gerne erinnert, warum auch immer, haben es nicht verdient, vergessen zu werden. Genau diese Botschaft will Deine Geschichte in meinen Augen ausdrücken.
Liebe Grüße,
Rainer Zufall
 
Hallo Rainer Zufall,

ich danke dir sehr für diesen Kommentar.

Ich erkenne darin eine Klage gegen das Vergessen
So kann man die Geschichte verstehen. Es geht aber nicht nur darum, sich an die Menschen zu erinnern, die nicht mehr da sind, sondern auch darum, sich der Sinnlosigkeit einer solchen Tat, die einen Menschen aus dem Leben reißt, bewusst zu werden und auch das nicht zu vergessen. Das Leben, das man vorher kannte, bricht irgendwie ab - genau wie die Handlung in meiner Geschichte.

LG SilberneDelfine
 



 
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