Rolf-Peter Wille
Mitglied
Eurydikes Dreiklang
Hinab! Die Leier fiel ins Reich der Schatten.
Nur aus der Tiefe kann er sie noch hören.
Die Nymphe, um den Hades zu betören,
sinkt in die Unterwelt für ihren Gatten.
Mit nackten Füßen, die nie Strümpfe hatten,
streift sie durch Sümpfe, huscht durch dichte Föhren.
Schon hört sie aus den Schlünden wildes Röhren,
Gebrüll vom Höllenhund, dem nimmersatten.
Erbebend naht sie sich dem Ungeheuer.
Und seine Zähne mahlen Orpheus‘ Leier,
und, ach, sein zweiter Rachen fauchet Feuer.
Der dritte lispelt: „Lüfte deinen Schleier!
Gib mir, oh süße Nymphe, einen Kuss!“
Drei Küsse und – Musik wird Zerberus.
Bardisches Lament
Hab ich wie Herkules nicht hart gerungen
mit zarten Reimen und mit Assonanzen?
Hieb ich die Hydra nicht entzwei mit Lanzen,
riss nicht aus Schlangenhäuptern ihre Zungen,
die lüstern sangen und – eh sie verklungen –
verflocht ich ihr Geflüster nicht zu Stanzen
und formte mein Geflecht zum runden Ganzen?
Hab ich‘s galant wie Orpheus nicht besungen?
Doch ach, wer lauscht noch lyrischen Gesängen?
Die Nymphe schwand; – mit adlerscharfen Fängen
belauern mich, den Leiermann, Mänaden!
Und bald, ach bald, so raunt es die Sibylle ,
erklingt statt Liedern aus der Stille
nur noch das Zirpen der Zikaden.