PeterSchreibtSchwarzes
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Eva
Die Idee war gut. Der Coup sollte über fünfundfünfzig Millionen Menschen das Leben retten. Altes Kulturgut, alte Städte, die Hinterlassenschaften der Vorfahren bewahren, und Deutschland noch dazu vor zwölf trostlosen Jahren; vierzig Jahre Kalter Krieg und Trennung gar nicht erst aufkommen lassen. Allesamt hehre Ziele, die jegliche Mühe lohnen und die Schmerzen wert sind, die im Zusammenhang mit der Mission unvermeidlich sind.
Das waren die Punkte, bei denen Einigkeit herrschte.
Die Kontroversen begannen, als die Pläne konkreter wurden. Sie spitzten sich zu, als die ersten Versuche glückten und eine Orange zehn Minuten in die Vergangenheit reiste.
Quintessenz aller Kontroversen war, dass es nicht reiche, Hitler von der Machtübernahme abzuhalten. Es hätten schließlich viele weitere Kräfte gewirkt zu diesen Zeiten, man nehme nur Stalin, Franko, Mussolini. Vor allem Stalin müsse man ebenso von der Macht fernhalten, wolle man echten Frieden. Er sei kein Unschuldslamm, das wisse jeder.
Die Sache wurde lange und sehr hitzig diskutiert; am Ende bestand die Einigung darin, einen Weg zu finden, der möglichst allen Diktatoren der damaligen Zeit das Kriege führen tunlichst verleiden soll.
Das war ein harter Brocken und gleichzeitig der Auftakt zu einem sehr viel komplizierter werdenden Unterfangen. Stündlich, so schien es, tauchten neue Hindernisse auf, Sackgassen und Herausforderungen, die sich auf dem Blatt Papier, auf dem alle Ideen und Vorschläge notiert wurden, immer weiter verzweigten.
Baruch und Avigea Metzger, die Initiatoren des Projekts, versuchten alles möglichst übersichtlich darzustellen, doch je weiter die Überlegungen gediehen, desto schwieriger gestaltete sich das.
Zeitliche Abläufe, geographische Besonderheiten, Ereignisse, die in Betracht gezogen werden mussten- alles verästelte immer mehr zu einem chaotischen Gemälde, dessen bloße Ansicht die Lust auf ein Zeitreiseabenteuer austrieb.
„Na ja, was habt ihr erwartet- ihr wollt nichts weiter, als eine riesige rollende Kugel aufhalten; es ist doch nur natürlich, dass das nicht einfach so zu machen ist!“, kommentierte Eevi Gomela, finnische Professorin für Mathematik. „Ich denke, dass wir erst am Anfang stehen und wahrscheinlich noch viel mehr zu bedenken haben- womöglich müssen wir um einiges früher in die Geschichte eingreifen.“
„Am besten gleich am 20.April1889 in Braunau am Inn!“, rief Volker Baer, der ein Faible für die ganz einfachen Lösungen hatte.
„Damit erreichst du nichts!“, erklärte Baruch; „und zum Glück weiß ich, dass du nicht zu einem Mord fähig bist. Schon gar nicht an einem Säugling.“
„Es handelt sich dabei um Hitler!“
„Ja, und trotzdem wird er da gebor…“ Baruch winkte ab. Es machte keinen Sinn, sich die Köpfe diesbezüglich heiß zu diskutieren. Es gab genügend andere Punkte, an denen wir uns abzuarbeiten hatten. Da brauchte es keinen Nebenschauplatz!
„Was würde für dich denn früher bedeuten?“, fragte Avigea Eevi, die daraufhin die Schultern zuckte und eine weit ausladende Armbewegung machte. „Womöglich gäbe es ohne einen ersten auch keinen zweiten Weltkrieg, vielleicht würde ein Zar in Russland auf seine Weise für halbwegs friedliche Verhältnisse sorgen, hätten sich die Franken damals aufteilen sollen oder das römische Reich? Pangäa? Hätte Eva Adam zuerst in die Frucht beißen lassen sollen- wer weiß, vielleicht wäre dann auch alles anders gekommen.
Einige kicherten, andere schauten sie verunsichert an. „Ist das dein Ernst?“, hakte Baruch nach.
Für einen Moment wirkte Eevi so, als müsse sie über die Antwort nachdenken. In Wirklichkeit hatte sie sie längst formuliert. „Ich will damit nur sagen, dass wir nicht zu kurz denken dürfen- im wahrsten Sinne des Wortes! Einen Fluss, der eine Stadt bedroht, kann man kurz vorher umleiten oder weit davor. Der Effekt könnte derselbe sein oder dramatisch anders.“
Damit hatte sie ein Fass aufgemacht. Neue Kontroversen entstanden, die sich noch schwerer auflösen ließen als die vorherigen. Die Zeitschiene wurde hin und hergeschoben, immer neue ideale Einstiege für die Veränderungen gefunden, was natürlich die Entscheidung weiter erschwerte; obendrauf kam die Grundsatzdiskussion, ob nicht gleich versucht werden solle, von Anfang an mehrheitlich eine Frauenherrschaft in den verschiedenen Ländern aufzubauen, oder, besser noch, eben gar keine verschiedenen Länder entstehen zu lassen.
Ein bisschen wirkte das so, als wollten sie gleich die komplette Erde umkrempeln. Also, am liebsten gleich nach dem Abkühlen alles so zementieren, dass erst gar keine Unterschiede entstehen können. Und weil das nicht zu machen war, sollte es wenigstens von Anfang an so etwas wie eine globale Gleichstellungsbeauftragte oder einen Gleichstellungsbeauftragten geben.
„Na, das würde doch alle Kriege überflüssig machen, oder zumindest im Ansatz ersticken!“, jubelte Eevi.
„Wenn es technisch möglich wäre, sicherlich, aber das ist ja eher…“
„Nicht gleich abschmettern, Ralf!“, mahnte Avigea. Ralf Lohmann war der Skeptiker in der Runde und der, dem nur pragmatische Lösungen zusagten. Alles, was auch nur ansatzweise danach roch, dass es nie dagewesene technische Lösungen bedurfte, die erst noch neu erfunden werden mussten und das mit einigem an Fantasie, hatte bei ihm das „Gschmäckle“ von Science-Fiction. Das bedeutete bei ihm, dass ein Vorschlag in die „Rundablage“ gehörte.
„Es stellt sich doch die Frage, wie aus Lucy so viele verschiedene Rassen entstehen konnten“, sagte Ute Gerlach. Sie nahm das verpönte Wort bewusst in den Mund, weil es unser Dilemma sehr deutlich machte. "Stichwort: Alles reiner Zufall oder doch geplante Schöpfung."
„Na ja, wie kam es zu den Neandertalern, dem Cro Magnon, um nur zwei bekannte Steinzeitmenschenarten zu nennen.“
„Leute, wir können die Aufteilung in verschiedene Menschentypen nicht verhindern!“, stöhnte Ralf. „Das führt nun wirklich zu weit!“
In dem Punkt gaben ihm alle recht. Es kürzte die Diskussion in dem Bereich ab- ein kleiner Segen für die inzwischen arg gebeutelte Seele. Denn der aufgezeichnete Baum glich inzwischen mehr einem sehr anarchischen Kunstwerk, das einem minder begabten Pseudo Josef Beuys zu Ehren gereichte.
Es blieben viele Fragen offen und es wurde eine mehrtägige Pause beschlossen, um Dinge sacken zu lassen und dann das Projekt mit neuem Esprit voranzutreiben.
1 Die Ermordung der Kriegslust
„Vor 5.500 Jahren fand die älteste bis hierhin bekannte Schlacht statt.“ Mit dieser Erläuterung empfing Eevi nach Beendigung der mehrtägigen Pause, die ihre Zeit des Nachdenkens vor allem zusammen mit den Metzgers verbracht hatte.
„Die Schlacht von Hamoukar“, warf Ralf lächelnd ein.
„Ah, ich sehe, wir haben einen Experten unter uns“, erwiderte Eevi in einer Mischung aus Anerkennung und leichtem Spott. Sie war offenbar davon ausgegangen, im Besitz des primären Wissens zu sein, und musste feststellen, dass sie es eben nicht hatte, was ihr offenbar nicht schmeckte.
Ralf winkte gleichmütig ab. „Ach, darüber bin ich nur zufällig gestolpert, weiß schon gar nicht mehr, in welchem Zusammenhang. Aber das ist auch egal- ich bin gespannt, was dieser uralte Konflikt mit unserer Sache zu tun hat!“
Das wollten wir alle und Eevi ließ uns nicht im Dunkeln.
„Avigea, Baruch und ich haben uns lange das Hirn zermartert, wie wir das Kuddelmuddel -sie deutete auf das vollgekritzelte Blatt- auflösen könnten. In dem Zuge kam Avigea auf die Idee, nach dem allerersten bekannten Krieg zu forschen, wobei wir auf das von Ralf erwähnte Ereignis in der Stadt Hamoukar gestoßen sind, deren Überreste auf dem Staatsgebiet des heutigen Syrien liegen.“
„Ja, wegen des großen zeitlichen Abstands ist nicht allzu viel bekannt. Nur so viel- es ging wohl um die Ausweitung der eigenen Macht, ein immer wiederkehrendes Merkmal in den verschiedenen Kriegen, die seit Menschengedenken diesen Planeten verseuchen!“ Ihr Gesicht verzog sich so, als hätte sie viele Zitronen auf einmal gegessen.
„Ja, der Handel blühte, war weit verbreitet und mit ihm kamen auch die bewaffneten Konflikte“, setzte Baruch hinzu. „Jedenfalls bedeutete der Fall der Stadt eine Ausweitung der Macht des südlichen Zweistromlandes. Später war es die Heimat solcher Großreiche wie das Babyloniens.“
„Ist ja schön und gut, aber was hat das mit Hitler zu tun?“, hakte Olivia Palm nach.
„Sehr viel, meine liebe Olivia“, sagte Eevi. „Denn dieser Krieg trägt eines der Hauptmerkmale in sich, dass vielleicht sogar der einzige triftige Grund eines jeden Krieges ist- Habgier. Egal ob es um Land geht, um Besitz, um Waren- immer hat der andere mehr und dieses Unrecht muss notfalls per Gewalt beendet werden.“
„Ja, klar- daran kannst du leider nichts ändern. Nicht generell, nur punktuell“, erklärte Volker.
„Damit denkst du zu kurz, mein Lieber!“, erwiderte Eevi.
„Ach ja?“ Volker zog die rechte Augenbraue hoch.
„Ja. Denn wir werden zu Mördern“, erklärte sie mit einem breiten Lächeln. „Wir werden die Kriegslust an sich ermorden.“
Es entstand eine länger Pause, in der jeder über das Unerhörte nachdachte, das soeben ausgesprochen worden war. Ralf war der erste, der danach sprach. „Ihr wollt den Menschen die Lust am Krieg ausmorden, um es mal so zu sagen?“
Alle drei nickten, sehr zufrieden lächelnd.
„Na, da muss ja ein verdammt guter Plan dahinterstecken!“, erklärte Volker. „Auf den bin ich jetzt sehr gespannt.“
„Der Plan“, rieb sich Baruch die Hände, „ist sehr einfach. Er funktioniert nach dem Prinzip „Der frühe Vogel fängt den Wurm“.
„Vergiss es!“, flötete da eine bekannte Stimme, ehe einer der drei mit der Erläuterung des Plans angefangen hatte.
Alle starrten Volker an, der völlig verwirrt aussah, als wüsste er nicht, was vor sich ging. Dabei hatte er gerade gesprochen.
„Was soll das, Volker? Du wolltest doch gerade noch den Plan hören!“ Avigea sah den mit großen Augen stehenden Volker mit den Händen in die Hüften gestemmt an.
„Das war ich nicht!“, sagte er.
„Bitte? Du beliebst zu scherzen, Freund!“, sagte Ralf.
„Nein, er beliebt nicht zu scherzen“, sagte die Stimme wieder- die zwar Volker gehörte, der aber nicht gesprochen hatte; das hatten wir ganz deutlich sehen können.
Und dann trat aus dem Schatten eine Figur- Volker. Er war „unserem“ Volker vollkommen identisch. Wir hatten unsere spezielle Version des „Dopplereffekts“.
Der zweite Volker grinste und winkte uns fröhlich zu. „Hallo Leute, schön euch zu sehen. Und ich möchte mich entschuldigen, weil ich gleich mit der Tür ins Haus falle und den schön gefassten Plan, ohne dass er erläutert worden ist, als gescheitert einstufen muss.“
Die Verwirrung blieb auf ihrem Niveau, nur dass sie sich anders verteilte. Einerseits muss jeder ein doppelt vorhandenes Individuum eingeordnet bekommen- sprich, zwei Versionen der gleichen Person.
Andererseits war er offensichtlich gekommen, um einen Fehlschlag anzumelden, was eine Arbeitsersparnis bedeutete.
Baruch, Avigea und Eevi sahen bedröppelt drein, was ja auch kein Wunder war. Sie hatten sich wohl ziemlich die Köpfe zerbrochen und sie hatten einen Plan, den sie nach diesem Volker in den Mülleimer werfen konnten. Er konnte sich ihrer Missbilligung sicher sein. „Warum kommst du jetzt damit an, nachdem wir uns die Köpfe heiß geplant haben, und bist nicht früher gekommen? Hast wohl einen besonderen Spaß daran, uns nach vielen Stunden harter Arbeit die wohlverdienten Früchte so richtig sauer werden zu lassen!“ Avigea sah aus, als wollte sie ihn lebendig verspeisen.
„Und warum kommst du alleine? Wo sind die anderen?“, hakte Baruch nach.
Volker- der zweite Volker- hob beschwichtigend die Hände. Er sah aus, als täte ihm alles furchtbar leid, und seine Worte sagten genau das aus.
„Glaubt nicht, dass sich Zeitsprünge beliebig oft vornehmen lassen! Das gleich mal vorneweg; nehmt es als die wichtigste Warnung, weil das Reisen gegen den Zeitstrom den Körper enorm belastet. Ihr werdet es alle am eigenen Leib erfahren, denn ihr werdet alle die Reisen unternehmen müssen. Aber anders als wir- immer nur in kleinen Grüppchen und mit großem zeitlichem Abstand.“
„Ach, und deshalb bist du allein gekommen, weil die anderen am Kotzen sind, oder was?“
„Mensch Ralf, nicht immer gleich so drastisch! Aber ja, die anderen sind mies drauf und sie werden keine weiteren Zeitreisen mehr unternehmen. Also ihr werdet in Zukunft keine Reisen mehr unternehmen.“
„Na, da können wir es auch gleich lassen!“, rief Eevi mit einem ziemlich roten Kopf.
Volker zwei seufzte und schüttelte die Augen verdrehend den Kopf. „Nur weil euer Plan nicht aufgehen wird, heißt das nicht, dass wir es nicht versuchen sollten. Also, dass ihr es nicht versuchen solltet! Nur eben nicht… Ach, erklärt ihr, was ihr euch ausgedacht habt. Und ich sage euch schnell, bevor ich mich auflösen werde, weil es für mich zurück nach vorne geht, dass es festgesetzte Punkte gibt, zu denen man sich sozusagen materialisiert. Deshalb kam ich nicht früher. Und jetzt…“
Plötzlich war er verschwunden. Ohne Blitz oder irgendwelche anderen Effekte; er war einfach nur fort, von jetzt auf gleich, Puff!
Es brauchte Zeit, die "Erscheinung" zu verarbeiten. Sie hatten sich mit Zeitreisen beschäftigt und ein Stück Obst etwas in die Zeit zurückgeschickt, aber der Auftritt des zukünftigen Volkers war für sie dennoch sehr merkwürdig gewesen.
„Ich denke, wir sollten uns an so was gewöhnen“, erklärte Avigea nach einem längeren nachdenklichen Schweigen. „Wir sind im Begriff, etwas Bizarres anzustellen, also darf uns so was wie das gerade eben nicht aus der Bahn werfen.“
Alle nickten, im Bewusstsein, dass es kein richtiges Gewöhnen geben würde.
„Also, was war euer Plan?“, fragte Ralf.
„Spielt das jetzt noch eine Rolle?“
„Eevi, und ob!“ Das kam wie aus der Pistole geschossen und aus mehreren Richtungen gleichzeitig.
Die Finnin seufzte, ein langanhaltendes Geräusch und eine langgezogene Bewegung des Brustkorbs, als wolle er sich ewig anheben und abschwellen. Das war faszinierend anzusehen und Brauch wünschte sich, den Anblick auf Video zu haben, um ihn immer wieder abrufen zu können.
Sie öffnete den Mund, die Missbilligung so profund auf ihrem Gesicht, dass sie mit Händen zu greifen war.
Eevi kam aber nicht zum Erläutern, weil sich plötzlich der Bildschirm eines Laptops erleuchtete und ihre Stimme sagte, sie wolle uns zeigen, was sie sich ausgedacht hätten.
Die Missbilligung verschwand von jetzt auf gleich- Eevi sah aus, als hätte sie einen Geist gesehen und auch Avigea und Baruch wussten ganz offensichtlich nicht, was gespielt wurde.
Sie versammelten uns vor dem Computer, dessen Bildschirm Eevi zeigte, die wirkte, als müsse sie uns etwas sehr Bedauerliches zeigen. Ohne weitere Präambel veränderte sich das Bild und die Landschaft Afrikas tauchte auf.
Ralf, Volker, Eevi und Avigea liefen ins Bild, winkten in die Kamera.
„Was zum…“ Avigea hielt sich die Hand vor den Mund, die Gesichtsfarbe die der Kreidefelsen von Rügen.
Jeder hatte eine größere Tasche in der Hand; damit gingen sie auf eine Gruppe von Bäumen zu, auf denen mehrere Affen saßen, die dem Vernehmen nach die Besucher sehr neugierig anstarrten.
„Das wird doch nicht…“ Baruch hielt Eevi mit einer Handbewegung vom Weiterreden ab.
Als ob das ein Signal gewesen wäre, vervielfachte sich die Geschwindigkeit des Films- im Zeitraffer spielte sich ein Drama vor unseren Augen ab. Die vier traten auf die Bäume zu, lockten mit irgendwas die Affen an, die kamen zutraulich zu ihnen, sie fingerten an ihnen herum, Panik entstand, die Affen nahmen die Beine in die Hand und flohen über die Äste der Bäume, wobei ein Exemplar stürzte und da stockte das Bild.
Volker sprach in die Kamera: „Da seht ihr es- wir sind am Tod von Lucy schuld. Hätten wir sie nicht gehetzt und hätten wir erst gar nicht diesen wahnsinnigen Plan gefasst, hätte sie womöglich ein langes Leben vor sich gehabt. So kam sie zu Tode, weil wir dachten, wir müssten bei den allersten Menschen an der Amygdala Veränderungen vornehmen, sie sozusagen hochschrauben, dass von vorneherein jedem klar wird, dass seine Gewalt nur Schlechtes für ihn nach sich zieht und er das Gewaltausüben gleich bleiben lässt. Das ging gewaltig in die Hosen, wie ihr seht.“
Das Bild hielt an und der Schirm wurde schwarz.
„Das war euer Plan?“, fragte Ralf ungläubig.
Avigea, Baruch und Eevi schauten schuldbewusst drein.
Zum x-ten Mal wusste keiner, was er dazu sagen sollte. Nachdem sie Zeuge der dramatischen Ereignisse geworden waren, schien es nicht in Frage zu kommen, von einem guten Plan zu sprechen. Dabei war der Gedanke gut- wehret den Anfängen! Warum nicht gleich eingreifen, so früh wie nur möglich, den Gedanken an Gewalt gar nicht erst groß werden lassen, vielleicht würde ein direkt am Start verändertes Bewusstsein alles verändern, Kriege deshalb gar nicht erst entstehen, Millionen, wenn nicht Milliarden gewaltsam ausgelöschte Menschenleben blieben unbeklagt, weil es keinen Grund dazu gäbe.
„Na ja, okay- das war offenbar ein Griff ins Klo. Was jetzt?“
Eevi sprang sofort darauf an. „Ja, Volker, was jetzt! Habt ihr euch etwa keine Gedanken gemacht?“ Sie hatte schon wieder das Aussehen eines unter Strom stehenden Stiers, dem man besser aus dem Weg ging.
„Doch, natürlich haben wir uns Gedanken gemacht, liebe Eevi! Und wir sind bei Bismarck gelandet- besser gesagt, bei der Gründung des Deutschen Reiches. Es müsste sich dabei doch machen lassen, ein paar Sonderposten einzuführen, die der Operation „Hitlers andere Karriere“ Vorschub leisten könnten.“
„Wer sind wir, Volker?“, hakte Baruch nach.
„Na, Ralf und Simone und ich.“
„Aha. Gut. Hm. Weitermachen.“
„Wir würden uns also einschleichen, Bismarck, natürlich unter größter Vorbereitung Gesetzesvorgaben vorlegen, die so was von überzeugend sind, dass er gar nicht anders kann, als sie in sein allgemeines Gedöns einzubeziehen, dann müssen wir nur noch dafür sorgen, dass der Gefreite Hitler einen dieser Posten ergattert- auch wenn Bismarck bis dahin natürlich kein Reichskanzler mehr ist, aber auch das müsste sich deichseln lassen.“
„Wenn du das sagst, Volker.“
„Sicher doch, Baruch.“
„Bismarck ist ein sturer Hund und eher kriegst du die Ostsee dazu, sich in eine Wüste zu verwandeln, als dass du diesem Menschen irgendetwas unterjubelst!“
„Wieso ist, Baruch? Hast du ihn etwa hergeholt?“
„Ich meinte natürlich, war ein sturer Bock. Sonst hätte sein Vorhaben womöglich nicht so gut funktioniert, zugegeben, aber ich halte es für äußerst schwierig, dem etwas unterzujubeln.“
Als wäre es ein besonderes Stichwort, verdunkelte sich plötzlich alles.
„Na, das passt ja!“, erklärte Ralf.
Mehrere kramten ihre Handys hervor und schalteten die Taschenlampenfunktion an. Der Raum wurde dadurch in ein gespenstisches Licht getaucht. Baruch ging in den Keller zum Sicherungskasten und gleich darauf hörten sie ihn in den wildesten Tönen fluchen. So hatte man ihn bis dato nie gehört, er war immer besonnen gewesen und es musste schon viel zusammenkommen, damit er dermaßen aus sich herausfuhr!
„Was ist denn los?“, fragte Avigea, hochbesorgt.
„Was los ist willst du wissen? Der Sicherungskasten ist weg, das ist los. Und überhaupt sieht das hier alles ganz merkwürdig aus!“
Volker und Ralf lachten laut auf. „Der Sicherungskasten ist weg! Na, das ist ja mal ne geile Sache!“, prustete Ralf und die beiden gaben sich „High Five“.
„Spinnt ihr? Was soll denn daran cool sein?“ Eevi konnte so schön angewidert aussehen, dass man am liebsten Fotos von ihr machen wollte.
„Darauf muss ich nicht wirklich antworten, oder?“ Ralf amüsiere sich prächtig. Eevi wandte sich kopfschüttelnd von ihm ab.
Das waren für die nächsten Minuten die letzten Dinge, die einen Sinn ergaben.
Von jetzt auf gleich zerfiel alles- buchstäblich. Ute schrie auf- sie starrte auf ihre rechte Hand, als hätte sie in glühende Lava gefasst, dabei musste sie zusehen, wie sich ihr Handy in Einzelteile auflöste. Es war nur das erste, der Vorreiter einer Parade des Zerfalls- nacheinander zerbröckelten die Geräte und mit ihnen verschwand das Licht und sie standen plötzlich in völliger Dunkelheit.
Sie war so allumfassend wie die Stille, denn die Ereignisse waren so außergewöhnlich und merkwürdig, dass selbst Ralf und Volker die Kommentare in den Hälsen stecken blieben und den anderen fehlte die Luft für die lauten Schreie. Der Moment schien ewig anzudauern, aber in Wahrheit purzelte die Welt in immer rapiderer Weise um sie herum in sich zusammen.
Splitternd und krachend machten sich die Wände und das Dach davon, in allerkürzester Zeit standen sie im Freien, unter einem brillanten Sternenhimmel und einem Mond, der so nah schien, dass man ihn beinahe fassen konnte.
Es war kühl geworden, ohne ein schützendes Obdach waren sie den Elementen ausgeliefert. Daran lag es aber nicht allein, dass eine fiese Gänsehaut alles überzog. Das fahle Licht des Mondes offenbarte alles- auch ihre völlige Nacktheit, die nun die Krone der ganzen Geschehnisse war!
„Was zum…“ Ralf fand nun doch seine Stimme, aber mehr brachte er nicht zustande. Er blickte genauso wie die anderen fassungslos auf die Welt, die von jetzt auf gleich eine komplett andere geworden war.
Dort, wo gerade noch Häuser gestanden hatten, Autos auf Straßen fuhren, Menschen auf breiten Gehwegen gelaufen waren, umringten sie jetzt endlose Reihen von Bäumen, und ihre nackten Füße standen in dichten Büscheln Gras, das die komplette Lichtung bedeckte.
Von überall her drangen verschiedenste Geräusche an ihre Ohren- das Heulen von Wölfen, Füchse, die sich austobten- das sagte zumindest Volker, die anderen hatten keine Ahnung, wie Füchse klange- eine Nachtigall, Dachse, Marder, die ganze Phalanx.
„Das ist doch nicht real, oder?“ Volker fragte das hoffnungsfroh in die Runde.
"Wenn das alles nur Einbildung ist, dann wirkt sie verflixt echt!", erwiderte Ralf.
„Was zum Teufel! Hat denn die ganze Scheißwelt ihren Verstand verloren?“ Baruch kam aus dem Fluchen nicht mehr heraus, aber klar, ihn traf es noch härter als uns- sein Haus hatte sich buchstäblich unter seinem Arsch in Luft aufgelöst. Und unter dem von Avigea natürlich.
Ein Wolfsrudel fühlte sich wohl herausgefordert, denn es „antwortete“ mit lautem Heulen. Die Tiere, das verstanden sie auch unerklärt, befanden sich in allernächster Nähe, wodurch sie sich noch nackter fühlten, als sie per se waren.
"So in etwa mussten sich die Urmenschen gefühlt haben, die die Sicherheit von Häusern nicht hatten", sagte Olivia.
„Was jetzt? Hat jemand einen guten Vorschlag, außer dem, irgendwie auf die nächsten Bäume zu klettern?“ Ute sah von einem zum anderem, doch da kam nichts, weil unsere Handlungsmöglichkeiten stark begrenzt waren.
„Wenn ich den erwische, der für diesen Scheiß verantwortlich ist!“, knurrte Ralf.
Das Heulen drang erneut durch die Nacht. Das Rudel war näher gekommen und selbst der naturentfremdeste Mensch unter ihnen wusste, dass sie längst ihren Geruch in den Nasen trugen. Fragte sich nur, ob sie hungrig waren und auf der Jagd.
„Das kann doch nicht wahr sein- wir wollten den zweiten Weltkrieg verhindern und enden hier als leckere Beute für ein Haufen stinkende Fellbündel!“ Volker schüttelte den Kopf.
„Na ja, ob du so lecker bist, weiß ich nicht…“ Woher Ralf die Ruhe hatte, seine blöden Scherze zu treiben, wussten er allein.
Baruch nahm Avigea bei der Hand und führte sie zum nächsten Baum. Er half ihr nach oben und schwang sich hinterher. Ehe die ersten Tiere sichtbar wurden, befanden wir sich alle oben. Die rauen Rinden der Bäume forderten ihren Tribut. Kratzer und Schrammen säumten ihre Leiber, aber die waren ein notwendiges Übel, wie sich bald zeigte.
Die Mitglieder des Rudels kamen herangestürmt, als würden sie selbst verfolgt und umringten die Bäume, auf denen sie saßen. Das Mondlicht offenbarte alles; mitleidlos zeigte es die Erregung, die das Rudel befallen hatte und die konnte nur daher rühren, dass sie sich auf eine leckere Mahlzeit freuten. Wenn kein Wunder geschah, brauchten sie nicht lange zu warten. Unter diesen Umständen würden sie nicht allzu lange durchhalten.
„Wer hatte noch einmal die famose Idee mit dem Zeitreisen? Bei dem möchte ich mich herzlich bedanken!“, rief Ralf fröhlich aus. Wenn nichts mehr ging, half Galgenhumor.
„Wer wollte noch mal die Kriegslust ermorden? Könnte derjenige bitte bei den Wölfen anfangen?“
„Ach Volker, Herzchen- wo wären wir nur ohne deinen lieblichen Worte!“, rief Baruch.
Danach sagte keiner mehr etwas. Die Wölfe füllten die Stille, als wollten sie sich in Erinnerung rufen. Den Gestrandeten am Rande der Zeit.
Wird fortgesetzt…
Die Idee war gut. Der Coup sollte über fünfundfünfzig Millionen Menschen das Leben retten. Altes Kulturgut, alte Städte, die Hinterlassenschaften der Vorfahren bewahren, und Deutschland noch dazu vor zwölf trostlosen Jahren; vierzig Jahre Kalter Krieg und Trennung gar nicht erst aufkommen lassen. Allesamt hehre Ziele, die jegliche Mühe lohnen und die Schmerzen wert sind, die im Zusammenhang mit der Mission unvermeidlich sind.
Das waren die Punkte, bei denen Einigkeit herrschte.
Die Kontroversen begannen, als die Pläne konkreter wurden. Sie spitzten sich zu, als die ersten Versuche glückten und eine Orange zehn Minuten in die Vergangenheit reiste.
Quintessenz aller Kontroversen war, dass es nicht reiche, Hitler von der Machtübernahme abzuhalten. Es hätten schließlich viele weitere Kräfte gewirkt zu diesen Zeiten, man nehme nur Stalin, Franko, Mussolini. Vor allem Stalin müsse man ebenso von der Macht fernhalten, wolle man echten Frieden. Er sei kein Unschuldslamm, das wisse jeder.
Die Sache wurde lange und sehr hitzig diskutiert; am Ende bestand die Einigung darin, einen Weg zu finden, der möglichst allen Diktatoren der damaligen Zeit das Kriege führen tunlichst verleiden soll.
Das war ein harter Brocken und gleichzeitig der Auftakt zu einem sehr viel komplizierter werdenden Unterfangen. Stündlich, so schien es, tauchten neue Hindernisse auf, Sackgassen und Herausforderungen, die sich auf dem Blatt Papier, auf dem alle Ideen und Vorschläge notiert wurden, immer weiter verzweigten.
Baruch und Avigea Metzger, die Initiatoren des Projekts, versuchten alles möglichst übersichtlich darzustellen, doch je weiter die Überlegungen gediehen, desto schwieriger gestaltete sich das.
Zeitliche Abläufe, geographische Besonderheiten, Ereignisse, die in Betracht gezogen werden mussten- alles verästelte immer mehr zu einem chaotischen Gemälde, dessen bloße Ansicht die Lust auf ein Zeitreiseabenteuer austrieb.
„Na ja, was habt ihr erwartet- ihr wollt nichts weiter, als eine riesige rollende Kugel aufhalten; es ist doch nur natürlich, dass das nicht einfach so zu machen ist!“, kommentierte Eevi Gomela, finnische Professorin für Mathematik. „Ich denke, dass wir erst am Anfang stehen und wahrscheinlich noch viel mehr zu bedenken haben- womöglich müssen wir um einiges früher in die Geschichte eingreifen.“
„Am besten gleich am 20.April1889 in Braunau am Inn!“, rief Volker Baer, der ein Faible für die ganz einfachen Lösungen hatte.
„Damit erreichst du nichts!“, erklärte Baruch; „und zum Glück weiß ich, dass du nicht zu einem Mord fähig bist. Schon gar nicht an einem Säugling.“
„Es handelt sich dabei um Hitler!“
„Ja, und trotzdem wird er da gebor…“ Baruch winkte ab. Es machte keinen Sinn, sich die Köpfe diesbezüglich heiß zu diskutieren. Es gab genügend andere Punkte, an denen wir uns abzuarbeiten hatten. Da brauchte es keinen Nebenschauplatz!
„Was würde für dich denn früher bedeuten?“, fragte Avigea Eevi, die daraufhin die Schultern zuckte und eine weit ausladende Armbewegung machte. „Womöglich gäbe es ohne einen ersten auch keinen zweiten Weltkrieg, vielleicht würde ein Zar in Russland auf seine Weise für halbwegs friedliche Verhältnisse sorgen, hätten sich die Franken damals aufteilen sollen oder das römische Reich? Pangäa? Hätte Eva Adam zuerst in die Frucht beißen lassen sollen- wer weiß, vielleicht wäre dann auch alles anders gekommen.
Einige kicherten, andere schauten sie verunsichert an. „Ist das dein Ernst?“, hakte Baruch nach.
Für einen Moment wirkte Eevi so, als müsse sie über die Antwort nachdenken. In Wirklichkeit hatte sie sie längst formuliert. „Ich will damit nur sagen, dass wir nicht zu kurz denken dürfen- im wahrsten Sinne des Wortes! Einen Fluss, der eine Stadt bedroht, kann man kurz vorher umleiten oder weit davor. Der Effekt könnte derselbe sein oder dramatisch anders.“
Damit hatte sie ein Fass aufgemacht. Neue Kontroversen entstanden, die sich noch schwerer auflösen ließen als die vorherigen. Die Zeitschiene wurde hin und hergeschoben, immer neue ideale Einstiege für die Veränderungen gefunden, was natürlich die Entscheidung weiter erschwerte; obendrauf kam die Grundsatzdiskussion, ob nicht gleich versucht werden solle, von Anfang an mehrheitlich eine Frauenherrschaft in den verschiedenen Ländern aufzubauen, oder, besser noch, eben gar keine verschiedenen Länder entstehen zu lassen.
Ein bisschen wirkte das so, als wollten sie gleich die komplette Erde umkrempeln. Also, am liebsten gleich nach dem Abkühlen alles so zementieren, dass erst gar keine Unterschiede entstehen können. Und weil das nicht zu machen war, sollte es wenigstens von Anfang an so etwas wie eine globale Gleichstellungsbeauftragte oder einen Gleichstellungsbeauftragten geben.
„Na, das würde doch alle Kriege überflüssig machen, oder zumindest im Ansatz ersticken!“, jubelte Eevi.
„Wenn es technisch möglich wäre, sicherlich, aber das ist ja eher…“
„Nicht gleich abschmettern, Ralf!“, mahnte Avigea. Ralf Lohmann war der Skeptiker in der Runde und der, dem nur pragmatische Lösungen zusagten. Alles, was auch nur ansatzweise danach roch, dass es nie dagewesene technische Lösungen bedurfte, die erst noch neu erfunden werden mussten und das mit einigem an Fantasie, hatte bei ihm das „Gschmäckle“ von Science-Fiction. Das bedeutete bei ihm, dass ein Vorschlag in die „Rundablage“ gehörte.
„Es stellt sich doch die Frage, wie aus Lucy so viele verschiedene Rassen entstehen konnten“, sagte Ute Gerlach. Sie nahm das verpönte Wort bewusst in den Mund, weil es unser Dilemma sehr deutlich machte. "Stichwort: Alles reiner Zufall oder doch geplante Schöpfung."
„Na ja, wie kam es zu den Neandertalern, dem Cro Magnon, um nur zwei bekannte Steinzeitmenschenarten zu nennen.“
„Leute, wir können die Aufteilung in verschiedene Menschentypen nicht verhindern!“, stöhnte Ralf. „Das führt nun wirklich zu weit!“
In dem Punkt gaben ihm alle recht. Es kürzte die Diskussion in dem Bereich ab- ein kleiner Segen für die inzwischen arg gebeutelte Seele. Denn der aufgezeichnete Baum glich inzwischen mehr einem sehr anarchischen Kunstwerk, das einem minder begabten Pseudo Josef Beuys zu Ehren gereichte.
Es blieben viele Fragen offen und es wurde eine mehrtägige Pause beschlossen, um Dinge sacken zu lassen und dann das Projekt mit neuem Esprit voranzutreiben.
1 Die Ermordung der Kriegslust
„Vor 5.500 Jahren fand die älteste bis hierhin bekannte Schlacht statt.“ Mit dieser Erläuterung empfing Eevi nach Beendigung der mehrtägigen Pause, die ihre Zeit des Nachdenkens vor allem zusammen mit den Metzgers verbracht hatte.
„Die Schlacht von Hamoukar“, warf Ralf lächelnd ein.
„Ah, ich sehe, wir haben einen Experten unter uns“, erwiderte Eevi in einer Mischung aus Anerkennung und leichtem Spott. Sie war offenbar davon ausgegangen, im Besitz des primären Wissens zu sein, und musste feststellen, dass sie es eben nicht hatte, was ihr offenbar nicht schmeckte.
Ralf winkte gleichmütig ab. „Ach, darüber bin ich nur zufällig gestolpert, weiß schon gar nicht mehr, in welchem Zusammenhang. Aber das ist auch egal- ich bin gespannt, was dieser uralte Konflikt mit unserer Sache zu tun hat!“
Das wollten wir alle und Eevi ließ uns nicht im Dunkeln.
„Avigea, Baruch und ich haben uns lange das Hirn zermartert, wie wir das Kuddelmuddel -sie deutete auf das vollgekritzelte Blatt- auflösen könnten. In dem Zuge kam Avigea auf die Idee, nach dem allerersten bekannten Krieg zu forschen, wobei wir auf das von Ralf erwähnte Ereignis in der Stadt Hamoukar gestoßen sind, deren Überreste auf dem Staatsgebiet des heutigen Syrien liegen.“
„Ja, wegen des großen zeitlichen Abstands ist nicht allzu viel bekannt. Nur so viel- es ging wohl um die Ausweitung der eigenen Macht, ein immer wiederkehrendes Merkmal in den verschiedenen Kriegen, die seit Menschengedenken diesen Planeten verseuchen!“ Ihr Gesicht verzog sich so, als hätte sie viele Zitronen auf einmal gegessen.
„Ja, der Handel blühte, war weit verbreitet und mit ihm kamen auch die bewaffneten Konflikte“, setzte Baruch hinzu. „Jedenfalls bedeutete der Fall der Stadt eine Ausweitung der Macht des südlichen Zweistromlandes. Später war es die Heimat solcher Großreiche wie das Babyloniens.“
„Ist ja schön und gut, aber was hat das mit Hitler zu tun?“, hakte Olivia Palm nach.
„Sehr viel, meine liebe Olivia“, sagte Eevi. „Denn dieser Krieg trägt eines der Hauptmerkmale in sich, dass vielleicht sogar der einzige triftige Grund eines jeden Krieges ist- Habgier. Egal ob es um Land geht, um Besitz, um Waren- immer hat der andere mehr und dieses Unrecht muss notfalls per Gewalt beendet werden.“
„Ja, klar- daran kannst du leider nichts ändern. Nicht generell, nur punktuell“, erklärte Volker.
„Damit denkst du zu kurz, mein Lieber!“, erwiderte Eevi.
„Ach ja?“ Volker zog die rechte Augenbraue hoch.
„Ja. Denn wir werden zu Mördern“, erklärte sie mit einem breiten Lächeln. „Wir werden die Kriegslust an sich ermorden.“
Es entstand eine länger Pause, in der jeder über das Unerhörte nachdachte, das soeben ausgesprochen worden war. Ralf war der erste, der danach sprach. „Ihr wollt den Menschen die Lust am Krieg ausmorden, um es mal so zu sagen?“
Alle drei nickten, sehr zufrieden lächelnd.
„Na, da muss ja ein verdammt guter Plan dahinterstecken!“, erklärte Volker. „Auf den bin ich jetzt sehr gespannt.“
„Der Plan“, rieb sich Baruch die Hände, „ist sehr einfach. Er funktioniert nach dem Prinzip „Der frühe Vogel fängt den Wurm“.
„Vergiss es!“, flötete da eine bekannte Stimme, ehe einer der drei mit der Erläuterung des Plans angefangen hatte.
Alle starrten Volker an, der völlig verwirrt aussah, als wüsste er nicht, was vor sich ging. Dabei hatte er gerade gesprochen.
„Was soll das, Volker? Du wolltest doch gerade noch den Plan hören!“ Avigea sah den mit großen Augen stehenden Volker mit den Händen in die Hüften gestemmt an.
„Das war ich nicht!“, sagte er.
„Bitte? Du beliebst zu scherzen, Freund!“, sagte Ralf.
„Nein, er beliebt nicht zu scherzen“, sagte die Stimme wieder- die zwar Volker gehörte, der aber nicht gesprochen hatte; das hatten wir ganz deutlich sehen können.
Und dann trat aus dem Schatten eine Figur- Volker. Er war „unserem“ Volker vollkommen identisch. Wir hatten unsere spezielle Version des „Dopplereffekts“.
Der zweite Volker grinste und winkte uns fröhlich zu. „Hallo Leute, schön euch zu sehen. Und ich möchte mich entschuldigen, weil ich gleich mit der Tür ins Haus falle und den schön gefassten Plan, ohne dass er erläutert worden ist, als gescheitert einstufen muss.“
Die Verwirrung blieb auf ihrem Niveau, nur dass sie sich anders verteilte. Einerseits muss jeder ein doppelt vorhandenes Individuum eingeordnet bekommen- sprich, zwei Versionen der gleichen Person.
Andererseits war er offensichtlich gekommen, um einen Fehlschlag anzumelden, was eine Arbeitsersparnis bedeutete.
Baruch, Avigea und Eevi sahen bedröppelt drein, was ja auch kein Wunder war. Sie hatten sich wohl ziemlich die Köpfe zerbrochen und sie hatten einen Plan, den sie nach diesem Volker in den Mülleimer werfen konnten. Er konnte sich ihrer Missbilligung sicher sein. „Warum kommst du jetzt damit an, nachdem wir uns die Köpfe heiß geplant haben, und bist nicht früher gekommen? Hast wohl einen besonderen Spaß daran, uns nach vielen Stunden harter Arbeit die wohlverdienten Früchte so richtig sauer werden zu lassen!“ Avigea sah aus, als wollte sie ihn lebendig verspeisen.
„Und warum kommst du alleine? Wo sind die anderen?“, hakte Baruch nach.
Volker- der zweite Volker- hob beschwichtigend die Hände. Er sah aus, als täte ihm alles furchtbar leid, und seine Worte sagten genau das aus.
„Glaubt nicht, dass sich Zeitsprünge beliebig oft vornehmen lassen! Das gleich mal vorneweg; nehmt es als die wichtigste Warnung, weil das Reisen gegen den Zeitstrom den Körper enorm belastet. Ihr werdet es alle am eigenen Leib erfahren, denn ihr werdet alle die Reisen unternehmen müssen. Aber anders als wir- immer nur in kleinen Grüppchen und mit großem zeitlichem Abstand.“
„Ach, und deshalb bist du allein gekommen, weil die anderen am Kotzen sind, oder was?“
„Mensch Ralf, nicht immer gleich so drastisch! Aber ja, die anderen sind mies drauf und sie werden keine weiteren Zeitreisen mehr unternehmen. Also ihr werdet in Zukunft keine Reisen mehr unternehmen.“
„Na, da können wir es auch gleich lassen!“, rief Eevi mit einem ziemlich roten Kopf.
Volker zwei seufzte und schüttelte die Augen verdrehend den Kopf. „Nur weil euer Plan nicht aufgehen wird, heißt das nicht, dass wir es nicht versuchen sollten. Also, dass ihr es nicht versuchen solltet! Nur eben nicht… Ach, erklärt ihr, was ihr euch ausgedacht habt. Und ich sage euch schnell, bevor ich mich auflösen werde, weil es für mich zurück nach vorne geht, dass es festgesetzte Punkte gibt, zu denen man sich sozusagen materialisiert. Deshalb kam ich nicht früher. Und jetzt…“
Plötzlich war er verschwunden. Ohne Blitz oder irgendwelche anderen Effekte; er war einfach nur fort, von jetzt auf gleich, Puff!
Es brauchte Zeit, die "Erscheinung" zu verarbeiten. Sie hatten sich mit Zeitreisen beschäftigt und ein Stück Obst etwas in die Zeit zurückgeschickt, aber der Auftritt des zukünftigen Volkers war für sie dennoch sehr merkwürdig gewesen.
„Ich denke, wir sollten uns an so was gewöhnen“, erklärte Avigea nach einem längeren nachdenklichen Schweigen. „Wir sind im Begriff, etwas Bizarres anzustellen, also darf uns so was wie das gerade eben nicht aus der Bahn werfen.“
Alle nickten, im Bewusstsein, dass es kein richtiges Gewöhnen geben würde.
„Also, was war euer Plan?“, fragte Ralf.
„Spielt das jetzt noch eine Rolle?“
„Eevi, und ob!“ Das kam wie aus der Pistole geschossen und aus mehreren Richtungen gleichzeitig.
Die Finnin seufzte, ein langanhaltendes Geräusch und eine langgezogene Bewegung des Brustkorbs, als wolle er sich ewig anheben und abschwellen. Das war faszinierend anzusehen und Brauch wünschte sich, den Anblick auf Video zu haben, um ihn immer wieder abrufen zu können.
Sie öffnete den Mund, die Missbilligung so profund auf ihrem Gesicht, dass sie mit Händen zu greifen war.
Eevi kam aber nicht zum Erläutern, weil sich plötzlich der Bildschirm eines Laptops erleuchtete und ihre Stimme sagte, sie wolle uns zeigen, was sie sich ausgedacht hätten.
Die Missbilligung verschwand von jetzt auf gleich- Eevi sah aus, als hätte sie einen Geist gesehen und auch Avigea und Baruch wussten ganz offensichtlich nicht, was gespielt wurde.
Sie versammelten uns vor dem Computer, dessen Bildschirm Eevi zeigte, die wirkte, als müsse sie uns etwas sehr Bedauerliches zeigen. Ohne weitere Präambel veränderte sich das Bild und die Landschaft Afrikas tauchte auf.
Ralf, Volker, Eevi und Avigea liefen ins Bild, winkten in die Kamera.
„Was zum…“ Avigea hielt sich die Hand vor den Mund, die Gesichtsfarbe die der Kreidefelsen von Rügen.
Jeder hatte eine größere Tasche in der Hand; damit gingen sie auf eine Gruppe von Bäumen zu, auf denen mehrere Affen saßen, die dem Vernehmen nach die Besucher sehr neugierig anstarrten.
„Das wird doch nicht…“ Baruch hielt Eevi mit einer Handbewegung vom Weiterreden ab.
Als ob das ein Signal gewesen wäre, vervielfachte sich die Geschwindigkeit des Films- im Zeitraffer spielte sich ein Drama vor unseren Augen ab. Die vier traten auf die Bäume zu, lockten mit irgendwas die Affen an, die kamen zutraulich zu ihnen, sie fingerten an ihnen herum, Panik entstand, die Affen nahmen die Beine in die Hand und flohen über die Äste der Bäume, wobei ein Exemplar stürzte und da stockte das Bild.
Volker sprach in die Kamera: „Da seht ihr es- wir sind am Tod von Lucy schuld. Hätten wir sie nicht gehetzt und hätten wir erst gar nicht diesen wahnsinnigen Plan gefasst, hätte sie womöglich ein langes Leben vor sich gehabt. So kam sie zu Tode, weil wir dachten, wir müssten bei den allersten Menschen an der Amygdala Veränderungen vornehmen, sie sozusagen hochschrauben, dass von vorneherein jedem klar wird, dass seine Gewalt nur Schlechtes für ihn nach sich zieht und er das Gewaltausüben gleich bleiben lässt. Das ging gewaltig in die Hosen, wie ihr seht.“
Das Bild hielt an und der Schirm wurde schwarz.
„Das war euer Plan?“, fragte Ralf ungläubig.
Avigea, Baruch und Eevi schauten schuldbewusst drein.
Zum x-ten Mal wusste keiner, was er dazu sagen sollte. Nachdem sie Zeuge der dramatischen Ereignisse geworden waren, schien es nicht in Frage zu kommen, von einem guten Plan zu sprechen. Dabei war der Gedanke gut- wehret den Anfängen! Warum nicht gleich eingreifen, so früh wie nur möglich, den Gedanken an Gewalt gar nicht erst groß werden lassen, vielleicht würde ein direkt am Start verändertes Bewusstsein alles verändern, Kriege deshalb gar nicht erst entstehen, Millionen, wenn nicht Milliarden gewaltsam ausgelöschte Menschenleben blieben unbeklagt, weil es keinen Grund dazu gäbe.
„Na ja, okay- das war offenbar ein Griff ins Klo. Was jetzt?“
Eevi sprang sofort darauf an. „Ja, Volker, was jetzt! Habt ihr euch etwa keine Gedanken gemacht?“ Sie hatte schon wieder das Aussehen eines unter Strom stehenden Stiers, dem man besser aus dem Weg ging.
„Doch, natürlich haben wir uns Gedanken gemacht, liebe Eevi! Und wir sind bei Bismarck gelandet- besser gesagt, bei der Gründung des Deutschen Reiches. Es müsste sich dabei doch machen lassen, ein paar Sonderposten einzuführen, die der Operation „Hitlers andere Karriere“ Vorschub leisten könnten.“
„Wer sind wir, Volker?“, hakte Baruch nach.
„Na, Ralf und Simone und ich.“
„Aha. Gut. Hm. Weitermachen.“
„Wir würden uns also einschleichen, Bismarck, natürlich unter größter Vorbereitung Gesetzesvorgaben vorlegen, die so was von überzeugend sind, dass er gar nicht anders kann, als sie in sein allgemeines Gedöns einzubeziehen, dann müssen wir nur noch dafür sorgen, dass der Gefreite Hitler einen dieser Posten ergattert- auch wenn Bismarck bis dahin natürlich kein Reichskanzler mehr ist, aber auch das müsste sich deichseln lassen.“
„Wenn du das sagst, Volker.“
„Sicher doch, Baruch.“
„Bismarck ist ein sturer Hund und eher kriegst du die Ostsee dazu, sich in eine Wüste zu verwandeln, als dass du diesem Menschen irgendetwas unterjubelst!“
„Wieso ist, Baruch? Hast du ihn etwa hergeholt?“
„Ich meinte natürlich, war ein sturer Bock. Sonst hätte sein Vorhaben womöglich nicht so gut funktioniert, zugegeben, aber ich halte es für äußerst schwierig, dem etwas unterzujubeln.“
Als wäre es ein besonderes Stichwort, verdunkelte sich plötzlich alles.
„Na, das passt ja!“, erklärte Ralf.
Mehrere kramten ihre Handys hervor und schalteten die Taschenlampenfunktion an. Der Raum wurde dadurch in ein gespenstisches Licht getaucht. Baruch ging in den Keller zum Sicherungskasten und gleich darauf hörten sie ihn in den wildesten Tönen fluchen. So hatte man ihn bis dato nie gehört, er war immer besonnen gewesen und es musste schon viel zusammenkommen, damit er dermaßen aus sich herausfuhr!
„Was ist denn los?“, fragte Avigea, hochbesorgt.
„Was los ist willst du wissen? Der Sicherungskasten ist weg, das ist los. Und überhaupt sieht das hier alles ganz merkwürdig aus!“
Volker und Ralf lachten laut auf. „Der Sicherungskasten ist weg! Na, das ist ja mal ne geile Sache!“, prustete Ralf und die beiden gaben sich „High Five“.
„Spinnt ihr? Was soll denn daran cool sein?“ Eevi konnte so schön angewidert aussehen, dass man am liebsten Fotos von ihr machen wollte.
„Darauf muss ich nicht wirklich antworten, oder?“ Ralf amüsiere sich prächtig. Eevi wandte sich kopfschüttelnd von ihm ab.
Das waren für die nächsten Minuten die letzten Dinge, die einen Sinn ergaben.
Von jetzt auf gleich zerfiel alles- buchstäblich. Ute schrie auf- sie starrte auf ihre rechte Hand, als hätte sie in glühende Lava gefasst, dabei musste sie zusehen, wie sich ihr Handy in Einzelteile auflöste. Es war nur das erste, der Vorreiter einer Parade des Zerfalls- nacheinander zerbröckelten die Geräte und mit ihnen verschwand das Licht und sie standen plötzlich in völliger Dunkelheit.
Sie war so allumfassend wie die Stille, denn die Ereignisse waren so außergewöhnlich und merkwürdig, dass selbst Ralf und Volker die Kommentare in den Hälsen stecken blieben und den anderen fehlte die Luft für die lauten Schreie. Der Moment schien ewig anzudauern, aber in Wahrheit purzelte die Welt in immer rapiderer Weise um sie herum in sich zusammen.
Splitternd und krachend machten sich die Wände und das Dach davon, in allerkürzester Zeit standen sie im Freien, unter einem brillanten Sternenhimmel und einem Mond, der so nah schien, dass man ihn beinahe fassen konnte.
Es war kühl geworden, ohne ein schützendes Obdach waren sie den Elementen ausgeliefert. Daran lag es aber nicht allein, dass eine fiese Gänsehaut alles überzog. Das fahle Licht des Mondes offenbarte alles- auch ihre völlige Nacktheit, die nun die Krone der ganzen Geschehnisse war!
„Was zum…“ Ralf fand nun doch seine Stimme, aber mehr brachte er nicht zustande. Er blickte genauso wie die anderen fassungslos auf die Welt, die von jetzt auf gleich eine komplett andere geworden war.
Dort, wo gerade noch Häuser gestanden hatten, Autos auf Straßen fuhren, Menschen auf breiten Gehwegen gelaufen waren, umringten sie jetzt endlose Reihen von Bäumen, und ihre nackten Füße standen in dichten Büscheln Gras, das die komplette Lichtung bedeckte.
Von überall her drangen verschiedenste Geräusche an ihre Ohren- das Heulen von Wölfen, Füchse, die sich austobten- das sagte zumindest Volker, die anderen hatten keine Ahnung, wie Füchse klange- eine Nachtigall, Dachse, Marder, die ganze Phalanx.
„Das ist doch nicht real, oder?“ Volker fragte das hoffnungsfroh in die Runde.
"Wenn das alles nur Einbildung ist, dann wirkt sie verflixt echt!", erwiderte Ralf.
„Was zum Teufel! Hat denn die ganze Scheißwelt ihren Verstand verloren?“ Baruch kam aus dem Fluchen nicht mehr heraus, aber klar, ihn traf es noch härter als uns- sein Haus hatte sich buchstäblich unter seinem Arsch in Luft aufgelöst. Und unter dem von Avigea natürlich.
Ein Wolfsrudel fühlte sich wohl herausgefordert, denn es „antwortete“ mit lautem Heulen. Die Tiere, das verstanden sie auch unerklärt, befanden sich in allernächster Nähe, wodurch sie sich noch nackter fühlten, als sie per se waren.
"So in etwa mussten sich die Urmenschen gefühlt haben, die die Sicherheit von Häusern nicht hatten", sagte Olivia.
„Was jetzt? Hat jemand einen guten Vorschlag, außer dem, irgendwie auf die nächsten Bäume zu klettern?“ Ute sah von einem zum anderem, doch da kam nichts, weil unsere Handlungsmöglichkeiten stark begrenzt waren.
„Wenn ich den erwische, der für diesen Scheiß verantwortlich ist!“, knurrte Ralf.
Das Heulen drang erneut durch die Nacht. Das Rudel war näher gekommen und selbst der naturentfremdeste Mensch unter ihnen wusste, dass sie längst ihren Geruch in den Nasen trugen. Fragte sich nur, ob sie hungrig waren und auf der Jagd.
„Das kann doch nicht wahr sein- wir wollten den zweiten Weltkrieg verhindern und enden hier als leckere Beute für ein Haufen stinkende Fellbündel!“ Volker schüttelte den Kopf.
„Na ja, ob du so lecker bist, weiß ich nicht…“ Woher Ralf die Ruhe hatte, seine blöden Scherze zu treiben, wussten er allein.
Baruch nahm Avigea bei der Hand und führte sie zum nächsten Baum. Er half ihr nach oben und schwang sich hinterher. Ehe die ersten Tiere sichtbar wurden, befanden wir sich alle oben. Die rauen Rinden der Bäume forderten ihren Tribut. Kratzer und Schrammen säumten ihre Leiber, aber die waren ein notwendiges Übel, wie sich bald zeigte.
Die Mitglieder des Rudels kamen herangestürmt, als würden sie selbst verfolgt und umringten die Bäume, auf denen sie saßen. Das Mondlicht offenbarte alles; mitleidlos zeigte es die Erregung, die das Rudel befallen hatte und die konnte nur daher rühren, dass sie sich auf eine leckere Mahlzeit freuten. Wenn kein Wunder geschah, brauchten sie nicht lange zu warten. Unter diesen Umständen würden sie nicht allzu lange durchhalten.
„Wer hatte noch einmal die famose Idee mit dem Zeitreisen? Bei dem möchte ich mich herzlich bedanken!“, rief Ralf fröhlich aus. Wenn nichts mehr ging, half Galgenhumor.
„Wer wollte noch mal die Kriegslust ermorden? Könnte derjenige bitte bei den Wölfen anfangen?“
„Ach Volker, Herzchen- wo wären wir nur ohne deinen lieblichen Worte!“, rief Baruch.
Danach sagte keiner mehr etwas. Die Wölfe füllten die Stille, als wollten sie sich in Erinnerung rufen. Den Gestrandeten am Rande der Zeit.
Wird fortgesetzt…
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