"Ewig diese Erdbeermarmelade!"

Marc Hecht1

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Ja, die Dinge hatten einen neuen Verlauf genommen. Seine Arbeit, die Umgebung – alles war anders geworden.
In Hamburg war er ein kleiner König gewesen, mit seinen schicken Anzügen. Er hatte Robert Redford interviewt, Ringo Starr. Man kannte ihn.
Hier jedoch, in der Provinz, war es anders. Ganz anders.
„Hab‘ ich was verpasst? Is‘ Fasching?“, hatte der örtliche Bäcker gefragt, als Tom das erste Mal in seinen Laden trat. Und alle Kunden vor ihm drehten sich um, musterten ihn, in seinem Anzug, mit Krawatte und Einstecktuch, und kicherten.
Er hatte empört geschwiegen. Doch trotzig war er am nächsten Morgen wieder in die Bäckerei marschiert, diesmal besonders chic, in hellbraunem Flanell. Und hatte sich vorgenommen, den Bäcker auf den Topf zu setzen, sollte der noch einmal anzüglich werden.
Doch der Bäcker war offenbar ein Witzbold.
„Na, was darf’s denn sein, für die Mainstreampresse“, hatte er gefragt, und sich wieder beifallheischend umgesehen. Und wiederum hatten die Kunden gekichert.
Tom hatte auf die Berliner in der Auslage gezeigt. „Sind die mit Erdbeermarmelade?“
Der Bäcker nickte und wollte einen einpacken.
Doch Tom donnerte: „Dann sind Sie ja ein Mainstream-Bäcker!“
„Was bin ich?“ Der Mann sah erschrocken auf. Und wurde jetzt überschüttet: „Ewig diese Erdbeermarmelade! Das ist ja so was von Mainstream! Das machen doch alle!“
Der Bäcker war jetzt sehr verblüfft.
„Spritzen Sie doch mal ein bisschen Lebertran rein! Das schmeckt zwar scheiße – aber dafür sind Sie dann auch kein Mainstream-Bäcker mehr!“
Es entstand ein verlegenes Schweigen.
„Wollen Sie jetzt den Berliner?“
„Ja. Geben Sie her!“ Tom bezahlte und verließ den Laden.
 



 
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