Ex flammis

4,60 Stern(e) 5 Bewertungen

sufnus

Mitglied
Ex flammis

Noch kräht der Männerchor "Kein schöner Land ... ",
da flammts im Pappmaschee: Das Seinstheater
gibt phönixgleich Akt fünf. Den Weltenbrand.
Mon dieu, da hilft auch kein PR-Berater.

Die Politik im Macht- und Macherwahn
spielt ungerührt die letzten Karten aus,
doch sind wir nicht bei "Siedler von Catan",
game over heißt nicht: Jeder geht nach Haus.

Wenn aus dem Dach die schönsten Flammen scheinen,
gibts zwar Erleuchtung (Lernen am Objekt);
nur perspektivisch, will ich leider meinen,
siehts duster aus, die Future ist defekt.

Vielleicht ist nach humaner Pyrolyse
der Globus aber wieder beinah neu?
Ein Phönixküken, eine grüne Wiese:
So schön und gaiajung. Wie einst im Mai.
 
Zuletzt bearbeitet:

fee_reloaded

Mitglied
Es ist tatsächlich entweder das Pappmaché oder das ver-deutschte Pappmaschee. ;)

Als Papiertheater-Sammlerin hat dein Gedicht für mich natürlich doppelte Wirkung, lieber sufnus.
Tatsächlich gingen diese hübschen Spielzeuge der besser betuchten Bürgerschicht des 19. Jahrhunderts schon mal in Flammen auf, wenn Papi bei der weihnachtlichen Familienaufführung (Oma spielte dazu die für den Hausgebrauch adaptierten Stücke am Klavier) die pyrotechnischen Effekte zu sehr übertrieb.

Die Siedler von Catan - auch damit hast du mich voll erwischt. *grins

Das alles trägt nun für mich noch einmal zur Wirkung deines Gedichts bei. Auch die gerade aktuelle Signa-Insolvenz, wo man sich als Ottilie Normalverbräuchlerin nur noch kopfschüttelnd fragen kann, wie milliardenschwere Bonzen ihren Privatgewinn einstreichen (und behalten anstatt selbst wieder zu investieren), während das, was sie aufgebaut haben, in sich zusammenbricht...DKT ("Das kaufmännische Talent") in echt an dem Punkt, wo meine Schwester und ich (weil das Papiergeld und die Häuslein und Hotels ausgingen) damals mit Legosteinen und mit Buntstift gekritzelten Schuldscheinen über astronomische Summen weiterspielten (und fühlten, dass etwas am Kippen war und eigentlich nicht mehr so recht Spaß machte)...

Sehr bildhaft und packend in Szene gesetzt!!!! Weltenbrand und Phönixküken - eine schmunzelfeinere Gegenüberstellung kann ich mir nicht wünschen (und auch nicht ausdenken)! Sehr gerne gelesen. Und die letzte Strophe hat mich nicken lassen.

Liebe in Begeisterung entbrannte Grüße,
fee
 

sufnus

Mitglied
Hey Petra, Fee und - besternenderweise - Schwedenfreund! :)

Vielen Dank für Eure Textzuwendung!!! Das Pappmasché ist tatsächlich ein komiches ;) Hybrid... ich bleib mal bei der etwas breiteren, eingeteutschten Schreibweise und belasse folglich das s bei liebevoller Entaccentisierung.
Und Deine feurige Begeisterung, liebe Fee, lässt mich enthusiastisch auf dem Schreibtischstuhl auf- und niederhüpfen und augsburgerpuppenkistigerweise aufgeregt mit den Armen in der Luft wedeln! Dass Du so vielfältige Assoziationsebenen und Vertrautheiten in dem Text aufgespürt hast, macht mich lutig glodern, lodernd fluten & glodernd gluten! :)
LG!
S.
 

Scal

Mitglied
Andersperpektivisch:

Ein wohlgeordnetes Feuerwerk der Phantasie,
geformt zu Bedenkfiguren,
regnet, klopft,
glitzrig erhellend,
auf die Dächer gegenwärtiger Architektur.

LG
Scal
 
G

Gelöschtes Mitglied 24962

Gast
Hey sufnus,

dein Gedicht erinnert mich an den Film Magnolia, der amerikanische (bei dir anscheinend allgemein) Gesellschaftsschichten und auch polit kritisiert. Am Ende des Films regnet es Frösche: Der Zerfall/Doomsday der Gesellschaft. (Dein Phoenixküken verhindert die Mätopie, ein Aufruf zur Veränderung)

Mir gefällt wie du Bilder aufbaust. Was mich an E.Geibel erinnert:

Das ist des Lyrikers Kunst, aussprechen was allen gemein ist,
Wie er's im tiefsten Gemüth neu und besonders erschuf;
Oder dem Eigensten auch solch allverständlich Gepräge
Leihn, daß jeglicher drin staunend sich selber erkennt.

Emanuel Geibel: Neue Gedichte.
Stuttgart u. Augsburg: Cotta 1856, S. 216.
Aus der Abteilung "Distichen" (ebd. S. 209-228).

Ich merke schon, dass deine Schreiberfahrung ein Buckelwal ist, der mit seinem Rücken das Firmament aufwölbt und spannt. Das lässt Ehrgeiz in mir aufkeimen. Geibel schrieb auch „was allen gemein ist“. Du schlägst das Ungemeine auf und machst es gemein. Für mich ist jedes Gedicht von dir ein Lehrbuch, das mich tiefer in die Lyrik treibt. Bist fast wie ein Lehrer. ;) (Jedoch muss man aufpassen, dass man sich nicht in der Publikumsdichterei verliert, nach Schopenhauer eine Sünde)

lg EV
 
Zuletzt bearbeitet von einem Moderator:

sufnus

Mitglied
Hey EV!
Also... für Dein wirklich außergewöhnliches, ceteceisches Lob kann ich mich nur in Selbstbescheidung gehüllt bedanken... was soll ich sagen... auf alle Fälle geb ich mir Mühe... :)

Und lieben Gruß auch an Scal!
Wohlgeordnet & Fantasie sind zwei Stichworte, die mir sehr gefallen... im wirklichen Leben bin ich, denke ich, eigentlich nicht so arg fantasievoll und auf keinen Fall wohlgeordnet... aber gerade bei gereimten Gedichten übernimmt die Sprache ja oft eine gewisse Eigenregie bei der Reimwortsuche und in obigem Beispiel sind wohl einige Reimwörter auch recht "signifikant" (ggf. könnte man auch sagen... fantasievoll... ). Hier hat also das Sprachmaterial ein Angebot gemacht, das ich, um einen Reim verlegen, nicht ablehnen konnte. Die "Kunst" (mal in sehr weitem Sinn gebraucht) ist halt, offen für Angebote aus dem lingualen Selbstbedienungsladen zu bleiben ohne komplett die Kontrolle zu verlieren.

LG!
S.
 
Zuletzt bearbeitet:



 
Oben Unten