Exobiologie

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Amadis

Mitglied
Dr. Jeffrey Durstig wischte sich schnaufend den Schweiß von der Stirn. Es war feuchtheiß und er musste sich immer wieder gegen Schwärme von Insekten verteidigen. Trotzdem wirkte der Exobiologe zufrieden. In dem metallenen Behälter, den er auf dem Rücken trug, hatte er heute eine ganze Reihe interessanter Lebensformen gesammelt. Inzwischen neigte sich der sechsundzwanzig Stunden währende Tag auf Varus II dem Ende entgegen und Durstig befand sich auf dem Rückmarsch zu seinem Shuttle.

Vor vier Tagen hatte der Frachter ZARATHUSTRA ihn mit seinem Shuttle im Orbit von Varus II abgesetzt und würde ihn in am nächsten Tag wieder aufnehmen. Durstig erforschte die Fauna des erdähnlichen Planeten im Varus Sigma System seit mehreren Monaten und hielt sich jetzt zum dritten Mal hier auf.

Diesmal hatte es der Exobiologe auf Kleinsäugetiere, Reptilienartige und Insekten abgesehen, die er in seinem Tornister sammelte, um sie später im Shuttle zu katalogisieren und zu sezieren.

Er war mit der Ausbeute der letzten Tage ausgesprochen zufrieden. Die Fauna des überwiegend von – aus riesigen Bäumen bestehendem - Dschungel bedeckten Planeten war vielfältig und fremdartig.

Nachdem er sich den Schweiß notdürftig mit den Händen abgewischt hatte, ging Durstig weiter in Richtung seines Shuttles. Er war ein kleingewachsener, drahtig wirkender Mann mit einem dünnen Schnurrbart, ebensolchem Haupthaar und den Knopfaugen eines Maulwurfs. Seine spitze Nase unterstützte diesen Eindruck noch.

Als er auf einem Ast zu seiner Rechten eine Bewegung wahrnahm, verhielt er und nahm den Fangstock vom Gürtel. Per Knopfdruck fuhr der Stock zu seiner vollen Länge von zwei Metern aus und das Paralysefeld wurde aktiviert. Fangnetze gehörten längst der Vergangenheit an. Der Fangstock paralysierte das Beutetier und Durstig konnte es dann in seinem Tornister verstauen.

Durstigs geübtes Auge entdeckte das kleine Tier fast sofort, obwohl es sich farblich nahezu perfekt an die Umgebung angepasst hatte. Es handelte sich um ein etwa zwanzig Zentimeter langes, echsenartiges Wesen, das allerdings sechs Beine hatte, wie alle Kleinlebewesen auf dieser Welt.

Vorsichtig näherte sich Durstig seiner Beute, die er mit den Augen fest fixiert hielt. Langsam brachte er den Fangstock in Position und schob ihn näher an das kleine Tier heran, das sich anscheinend auf seine Tarnung verließ. Durstig stieß den Fangstock nach vorn und das kleine Paralysefeld lähmte die Echse augenblicklich. Sie verlor den Halt am Ast und fiel hinunter in das hochstehende Gras. Durstig bückte sich und schob die Grashalme beiseite. Dann nahm er den Tornister vom Rücken, öffnete den Behälter und ergriff das kleine Tier vorsichtig mit einer Zange. Nachdem er seine Beute verstaut hatte, verschloss er den Tornister.

Er wollte sich gerade wieder auf den Weg machen, als plötzlich ein Schatten über ihn fiel. Bevor er sich umschauen konnte, traf ihn ein Schlag im Rücken, der ihn zu Boden warf. Sekundenbruchteile später verlor er das Bewusstsein.

*

T’an-Llir reckte ihren über sieben Meter hohen, insektenartigen Körper. Sie war bereits seit Sonnenaufgang unterwegs und wurde langsam müde. Trotzdem wirkte die Exobiologin zufrieden. In dem metallenen Behälter, den sie auf dem Rücken trug, hatte sie heute eine ganze Reihe interessanter Lebensformen gesammelt. Inzwischen neigte sich der Tag auf D’Ron II dem Ende entgegen und T’an-Llir befand sich auf dem Rückmarsch zu ihrem Shuttle.

Vor sechs Planetentagen hatte der Frachter R’UN-DRIM sie mit ihrem Shuttle im Orbit von D’Ron II abgesetzt und würde sie in zwei Planetentagen wieder aufnehmen. T’an-Llir erforschte die Fauna des Planeten im D’Ron Mar System seit mehreren Monaten und hielt sich jetzt zum zweiten Mal hier auf.

Diesmal hatte es die Exobiologin auf Kleinsäugetiere abgesehen, die sie in ihrem Tornister sammelte, um sie später im Shuttle zu katalogisieren und zu sezieren.

Sie war mit der Ausbeute der letzten Tage ausgesprochen zufrieden. Die Fauna des überwiegend von - aus niedrigen Pflanzen bestehendem - Dschungel bedeckten Planeten war vielfältig und fremdartig. Allerdings waren die meisten einheimischen Lebensformen winzig und es war nicht leicht, sie im Unterholz des Dschungels und dem Gras der wenigen freien Flächen zu entdecken.

Vor sich nahm sie plötzlich eine Bewegung wahr. Sie stand am Rande einer freien Fläche, die von Dschungel umgeben war. Die Fläche war mit dem üblichen, niedrigen Gras bedeckt und am gegenüberliegenden Rand konnte sie ein Lebewesen erkennen, wie sie es auf diesem Planeten noch nicht gesehen hatte. Es bewegte sich gebückt, als würde es sich an ein Beutetier heranschleichen. Außergewöhnlich war zum einen die Größe des Tiers und andererseits die Tatsache, dass es offensichtlich nur vier Extremitäten hatte. Die bisher studierten einheimischen Lebewesen waren ausschließlich sechs- oder mehrgliedrig.

Das Tier war offenbar so intensiv mit seiner Beute beschäftigt, dass es alle Wachsamkeit vermissen ließ, die ein in der Wildnis lebendes Tier sonst auszeichnet und die Annäherung der Exobiologin erst in dem Moment bemerkte, als ihr riesiger Schatten über das Wesen fiel. Noch bevor es allerdings fliehen oder angreifen konnte, hatte T’an-Llir es bereits mit dem Schocker betäubt.

Sie verstaute ihre Beute in ihrem Tornister und machte sich auf den Rückweg zum Shuttle.

*

T’an-Llir hatte sich eine Weile ausgeruht und machte sich dann an die Arbeit, die Funde des Tages zu untersuchen. Sie tötete die noch immer betäubten Tiere und legte als erstes das große Exemplar auf den Seziertisch. Ungewöhnlich war schon, dass sie zwei Schichten von Epidermis durchschneiden musste. Was sie dann feststellte, versetzte sie allerdings in helle Aufregung: das Blut des Wesens war rot!!! Die Analyse zeigte dann auch recht schnell den Grund für diese Färbung: es handelte sich um Blut auf Eisenbasis. Sämtliche bisher untersuchten Tiere, die auf diesem Planeten heimisch waren, hatten Blut auf Kupferbasis, das eine blau-grüne Farbe aufwies.

Die Exobiologin war verwirrt. Sie entnahm dem Kadaver eine Gewebeprobe und gab sie in den Genanalysator. Nach zehn Sekunden leuchtete die blaue Lampe auf: die Analyse war beendet. Sie betrachtete die Auswertungen auf dem kleinen Bildschirm und ließ sich dann nachdenklich auf die hinteren beiden ihrer sechs Beine nieder.

Ihre Facettenaugen blickten starr auf den Bildschirm. Dieses Wesen hatte eine komplett andere Genstruktur, als alle anderen, die sie bisher auf D’Ron gefangen hatte. Es war ihr ein Rätsel, denn solche Unterschiede fand man sonst nur bei Wesen, die von unterschiedlichen Planeten stammten.

Sie beschloss, das merkwürdige Tier einzufrieren und im Labor der Universität auf ihrer Heimatwelt zusammen mit Professor S’lir-Ron gründlich zu untersuchen. Dort standen auch erheblich mehr Möglichkeiten für die Analyse zur Verfügung.

*

Am Morgen des übernächsten Planetentages wurde sie von der R’UN-DRIM angerufen, die mitteilte, dass sie den Orbit des Planeten erreicht hatte. Sie machte ihr Shuttle startklar und wurde kurze Zeit später von dem großen Frachtraumer aufgenommen.

Zu ihrer Überraschung begrüßte sie der Kapitän der R’UN-DRIM persönlich im Shuttlehangar.
„Ich grüße Sie, Wissenschaftlerin“, zischte er und hob grüßend das vordere Beinpaar. T’an-Llir erwiderte seinen Gruß.
„Wir haben eine Anfrage von der terranischen Union erhalten“, verkündete der Kapitän.

T’an-Llir erinnerte sich. Sie hatten seit einigen Monaten Kontakt zu diesen säugetierähnlichen Intelligenzen aus einem der Randsektoren der Galaxis. Allerdings hatte sie noch nie einen dieser Terraner zu Gesicht bekommen.

„Was hat das mit mir zu tun?“, fragte sie zurück.
„Die Terraner vermissen einen Wissenschaftler, der auf diesem Planeten zu Forschungszwecken abgesetzt wurde. Er hat sich seit mehreren Tagen nicht gemeldet und reagiert auch nicht auf Funksprüche.“
„Ich bin ihm nicht begegnet“, sagte T’an-Llir. „Wie sehen sie eigentlich aus, diese Terraner?“
„Warten Sie, die Terraner haben uns ein Bild des vermissten Wissenschaftlers geschickt. Aber erschrecken Sie nicht, diese Terraner sind ziemlich hässlich.“ Er schaltete ein kleines Computerterminal ein und ließ das Bild anzeigen.

Als er zur Seite trat, konnte die Exobiologin die dreidimensionale Aufnahme sehen. Sie wich zurück, hob die vorderen Extremitäten und stieß einen schrillen, markerschütternden Schrei aus.
 
T

Thys

Gast
Hallo,

die Geschichte liest sich interessant. Wenn das Ende noch einen Überraschungseffekt hätte, dann wär das Ganze so ziemlich rund.

Gruß

Thys
 
Hallo Amadis,

im Großen und Ganzen schließe ich mich Thys an. Dein Aufbau der Geschichte finde ich sehr gut. Die Prise Augenzwinkern gibt der Story ihren wirklichen Pfiff und leitet nahtlos auf das leicht gruselige Ende hin.
Den Schluss würde ich ein bisschen straffen. Der Kapitän des Frachters könnte die Wissenschaftlerin ja anfunken, vom vermissten Terraner berichten und ihn kurz beschreiben.
Was hältst du davon?

Grüße
Marlene
 

[aZrael]

Mitglied
Schade

Hallo Amadis!

Deine Story ist "Vom Handwerk her" gut geschrieben- aber leider sehr vorhersehbar. Das Szenario baust du gut auf, aber irgendwie vermisse ich einen großen Knall, um es mal überspitzt auszudrücken. Dadurch, dass du den Handlungsverlauf der beiden Stränge exakt annäherst, wirkt es zwar interessant aber zu gleichgeschaltet; der Handlungsbogen zeichnet sich zu deutliche ab. Dennoch von der Schilderung her eine ordentliche Geschichte und für einige Minuten gute Unterhaltung.

In diesem Sinne,
aZrael
 

dan

Mitglied
hi!

endlich wieder eine geschichte nach meinem geschmack! auch wenn das ende schon vorher bekannt ist (wie sonst sollte es auch sein), finde ich den anfang aus den zwei verschiedenen perspektiven sehr gelungen. (erinnert mich etwas an den film 'jackie brown' von quentin tarantino.)
eigentlich könnte die geschichte schon damit enden, dass die exobiologin ihren 'kollegen' in den tornister steckt.

mehr davon!

gruß dan
 

jon

Mitglied
Teammitglied
Auch wenn's wehtut:

Tipp, um die „Würze der Idee" so richtig auszuprägen: Entweder nur die beiden "parallelen" Abschnitte (1&2) oder nur die „T’an-Llir“-Geschichte. Variante eins gefiele mir am besten, Variante zwei wäre "literarisch runder".
 

Nina H.

Mitglied
Mir gefällt die Geschichte auf jeden Fall sehr gut! Hier nur eine Kleinigkeit:

Diesmal hatte es der Exobiologe auf Kleinsäugetiere, Reptilienartige und Insekten abgesehen, die er in seinem Tornister sammelte, um sie später im Shuttle zu katalogisieren und zu sezieren.

Das „diesmal“ klingt so, als würde der Biologe heute dies, morgen das sammeln. An und für sich ist es jedoch so, daß sich ein solcher Wissenschaftler auf ein Gebiet spezialisiert hat und in entweder nur oder hauptsächlich innerhalb dieses Gebietes sammelt, auf keinen Fall jedoch dauernd herumwechselt.
 

dan

Mitglied
@ nina

Ursprünglich veröffentlicht von Nina H.

hi nina!

eine anmerkung zu deinem kommentar:

ich glaube kaum, dass sich ein EXObiologe auf irgendwas spezialisiert hat (außer auf EXObiologie) - wenn er alleine an der 'front' arbeitet, weiß er ja gar nicht, auf WAS er als nächstes stoßen wird.
("oh, ein insekt, da warte ich mal lieber bis die 'EXOinsektologen' vorbeikommen. ich glaube die hatten eine mission in 350 jahren geplant...")
der gute mann wird einfach alles mitnehmen, was er zwischen die finger bekommt! (den tag vorher hat er vielleicht pflanzen gesammelt: also durchaus heute dies und morgen das)

mfg
dan
 

Nina H.

Mitglied
Klar, so ein Biologe wird vermutlich auch mal was interessantes mitnehmen, das nicht so ganz zu dem Gebiet paßt, wenn es ihm zwischen die Finger kommt, außer es ist völlig am Fachgebiet vorbei. Das, was mich stört, ist nur das kleine Wörtchen "diesmal" - denn wie auch immer es jemand mit dem Sammeln hält, die Gewohnheiten, was nun mitgenommen wird, ändern sich nicht täglich. (Bei "diesmal" nimmt man ja automatisch an, letztes Mal wäre etwas anderes gesucht worden.)
 

[aZrael]

Mitglied
hmmm

Außerdem, um jetzt mal von der wissenschaftlichen Sicht aus zu argumentieren, würde er jedes Exemplar erstmal in eine eigene Umhüllung verpacken und dann in seinen Tornister stecken. Denn sonst hätte er ein unsagbares Mischmasch in seinem Tornister am Ende des Tages: "Gehört jetzt dieser Fühler zu Insekt A oder B oder...?". Dazu kommt ja auch noch die Verwesung. Es sei denn, seinen Sammelbehälter umgibt ein Null-Entropie-Feld :)

Mit freundlichen Grüßen,
Sebastian
 

Amadis

Mitglied
was ich ...

... mit diesmal verdeutlichen wollte ist einfach die tatsache, dass er bereits mehrmals diesen planeten besucht hat und sich bei jedem seiner besuche hauptsächlich mit einem bestimmten gebiet der einheimischen fauna bzw. flora beschäftigt. einen tieferen sinn habe ich damit nicht verfolgt.
 



 
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