(f) Was macht das Faultier im Kühlschrank Oder Basiliskenbarbesucher

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Pinky

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Basilisken. Hässliche Ungetüme mit dem Kopf eines Hahns und dem Körper einer Schlange, ausgebrütet von einer Kröte und geschlüpft aus einem Ei, das ein siebenjähriger Hahn gelegt hat. Ihr Atem ist widerlicher Gestank, der einem Menschen Tod und Verderben bringt und wer sie ansieht, erstarrt zu kaltem, hartem Stein. Einzig mit einem Spiegel kann man dieser hässlichen Ungeheuer Herr werden, denn dann vergehen sie mit einem lauten Knall. Aber irgendwann haben auch sie Feierabend und gehen dann gerne noch einen trinken.
Die Basiliskenbar war kein sehr einladender Ort: Kahle Wände, ein vorsichtiger Kellner und eine zurückhaltende Bühnenshow auf die niemand recht achtete. Dazu spielte in einer Ecke ein Pianist auf allgemeinen Wunsch wie jeden Abend den schwermütigen Basiliken-Blues. Über ihm hing ein Schild auf dem stand: "Schauen Sie nicht auf den Pianisten!" Die Stimmung war gedrückt.
Kein Wunder, denn als einfacher Basilisk hatte man es auch nicht leicht unter Artgenossen, denn wer glaubte, man würde den Gestank anderer nicht wahrnehmen, nur weil man selbst dazugehörte und nicht unbedingt angenehm roch, der irrte. Doch weit schlimmer war die Gefahr, beim Anblick eines Artgenossen augenblicklich zu versteinern. So liefen auch die Gäste mit blickdichten Schleiern vorm Gesicht herum, da es hier andernfalls so ausgesehen hätte, wie in einer Single-Bar für Medusen. Mit Blickkontakt stand es so damit nicht gerade günstig, was die Partnersuche nicht unbedingt erleichterte. Kein Wunder also, dass die Zahl der Basilisken ständig im Schrumpfen begriffen war. Dazu noch der schon erwähnte Gestank machte die Sache auch nicht leichter.
Dennoch war die Bar gut gefüllt mit Basilisken, die nach getaner Arbeit aus Brunnenschächten und Abwasserkanälen gekrochen kamen um sich noch ein Bier zu genehmigen. Alle Tische waren besetzt und noch immer kamen einzeln neue Gäste zur Tür herein. So auch jetzt, doch niemand sah auf, um den Neuankömmling zu betrachten - zum einen, weil das relativ verhängnisvoll gewesen wäre, zum anderen, weil ohnehin niemand sonst ausser anderen Basilisken hierher kam. Der neue Gast begab sich etwas ungeschickt zur Bar, stieß dabei gegen ein, zwei Tische und fing an der Theke nur durch bloßes Glück den bestellten Drink, den ihm der Barmann geschickt zuschob. Unter vorsichtig gehobenem Schleier und mit fest geschlossenen Augen (auch Gläser konnten spiegeln), nahm der Basilisk einen tiefen Schluck und sah sich dann um. Oder hätte es zumindest getan, wäre der blickdichte Schleier nicht gewesen. Heute Abend wollte er etwas erleben, heute sollte es endlich so weit sein! Wahllos suchte er einen Tisch aus und stolperte unbeholfen darauf zu. Lässig den Drink in der Klaue hielt er am Ziel angekommen an und meinte mit verführerischer Stimme:
"Na, Süße, so alleine hier?"
"Verschwinde, Idiot!" kam die kratzige Antwort.
"Oh, Frank, du bist es! Hi! Darf ich mich trotzdem zu dir setzen?"
Und während die beiden alten Bekannten schweigend ihre Drinks schlürften, beklagten sich zwei Tische weiter zwei andere Basilisken über die miese Wirtschaftslage ihrer Branche im allgemeinen und die verheerenden Arbeitsbedingungen im besonderen.
"Heute wär ich fast erschlagen worden, als sie meinen Brunnen zugeschüttet haben. Bekommen jetzt das Wasser von der örtlichen Pumpstation, und da reinzukriechen, rentiert sich einfach nicht."
"Glaubst du, ich hab's leichter? Einen Basilisken in einem Abwasserkanal nimmt doch keiner ernst. Ich bin mir seit Jahren nicht sicher, wer mehr stinkt. Und was die Leute alles das Klo runterspülen - grauenhaft!"
"Ausserdem rufen sie ohnehin immer gleich die Stadtwerke an, wenn's mal ein bisschen stinkt, und beschweren sich, anstatt dass selbst jemand runterkommt und nachsieht. Und die Stadtwerke sagen bloß 'jaja' und legen auf. Also, seit ich das letzte Mal jemanden versteinert habe ..."
"Ich erwische auch immer bloß Ratten. Die verdammten, kleinen Biester werden auch immer frecher. Keinen Respekt mehr, die kleinen Viecher." Der Basilisk nahm einen tiefen, traurigen Schluck. "Da fragt man sich morgens manchmal wirklich, wozu man überhaupt noch aufsteht. Und seit es diese Raumsprays gibt, ist alles nur noch schlimmer."
Nahe der Bühne saß ein Basiliskenpärchen und turtelte verliebt. Sie hatten Glück, sie hatten sich durch glücklichen Zufall gefunden und bisher noch nie gesehen. Blickten sich andere Paare stundenlang tief in die Augen, so begnügten sie sich damit, ihre Schwänze eng ineinander zu verschlingen. Auf die Bühnenshow neben sich achteten sie gar nicht.
Ein anderer jedoch sah sie - oder achtete wenigstens darauf. Es war ein undankbarer Job und dass sie wenigstens einen Bewunderer hatten, half den drei Tänzern auch nicht wirklich weiter - sie merkten es ja nicht. Der Basilisk drehte sich mit einem Seufzen auf dem Barhocker herum und wandte sich an den Kellner hinter dem Tresen.
"Tja, eines Tages werde ich auch ein großer Star!" meinte er träumerisch und mit schon etwas schwerer Stimme. "Dann gehe ich zum Theater und werde in all den großen Monsterstücken mitspielen. Die Hauptrolle natürlich. Und das Publikum wird mir zujubeln und mich feiern." Der Basilik seufzte noch einmal.
"Mhm", brummte der Barmann zustimmend. Dass ein versteinertes Publikum nur selten viel Applaus spenden würde, erwähnte er rücksichtsvollerweise nicht. In den dreizehn Jahren, die er den Job hier schon machte, hatte er gelernt, auf die Träume seiner Gäste etwas Rücksicht zu nehmen. Das brachte höhere Trinkgelder.
Der Barmann war von Natur aus blind, was für einen Basilisken nur von Vorteil sein konnte, und so fand er sich hier auch ohne Schleier gut zurecht. Als er nun zum Kühlschrank ging, um neue Eiswürfel für die Drinks zu holen, hing darin ein Faultier. Es fror ein wenig, aber sonst ging es ihm ganz gut. Und der Barmann bemerkte es nicht.
Es war kein ganz einfacher Job, hier als Barmann zu arbeiten, denn wirkliche Stimmung, wie man sie sich in Lokalen vorstellte, herrschte nur selten, auch wenn sich der Pianist immer wieder redlich bemühte, ohne dass es ihm jemand dankte. Basilisken waren nicht unbedingt Partykanonen. Ausserdem hatte die Bar schon mehrere Male umgebaut werden müssen: Die großen Wandspiegel waren entfernt worden nachdem regelmäßig Stammgäste mit lautem Knall explodiert waren, und der Versuch, die Atmosphäre mit ein paar Grünpflanzen aufzulockern war konsequent gescheitert, weil es praktisch nichts gab, was diesen Gestank auf Dauer aushielt. So war die Bar ein stiller, bedrückter Ort, nur durchdrungen vom leisen Gemurmel einzelner Gespräche und der schweren Melodie des alten Pianos.
Umso lauter war daher der plötzliche Knall, als wieder einmal einer der Gäste seine Situation nicht mehr ertragen konnte und er zu tief ins Glas geschaut hatte - im wahrsten Sinne des Wortes.
Der Barmann holte einen Eimer und den Wischmop unter der Theke hervor und machte sich mit einem stillen Seufzer an die Arbeit.
 

jon

Mitglied
Teammitglied
Die andere Faultier-Geschichte (war das 'ne Schreibübung??) ist um Längen – wegen der Längen hier – besser. Das Spiel mit "Gestank" und "Versteinern durch Blickkontakt" erschöpft sich zu schnell in bloßen Wiederholungen. Der mit Abstand beste Gag ist der Satz: "Schauen Sie nicht auf den Pianisten!". Dann kommt ein Weilchen nichts, dann kommt die Sache mit „Frank“, dann kommt wieder eine ganze Weile nichts und dann kommt die (Gesamt-)Idee mit der Bar.
Schade.
 
Mir gefällt diese Faultier-Story besser als die davor, obwohl das Motiv mit den Gerüchen sich schon ein wenig aufdrängt. Aber dieser Ideenreichtum ist einfach top! By the way: Wird die geschichte mit dem Faultier im Kühlschrank an sich noch mal näher beleuchtet oder ist es "nur" ein roter Faden? Jetzt bin ich neugierig! :)
 

Pinky

Mitglied
Schönen Dank für das allgemeine Lob - für welche Geschichte dann auch immer. Das Faultier ist mehr ein roter Faden, der sich durch die Geschichten dieser Art ziehen soll. Ein Begründung braucht es eigentlich nicht. Es war nur zur richtigen Zeit am richtigen Ort und ist deshalb da hineingeraten. Sowas geschieht.
 



 
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