Fachkräftemangel (Substantiv, feminin)

Grammatik ist wichtig!
Allzu leicht gibt es Missverständnisse, wenn auf der sprachlichen Ebene nicht sorgfältig gearbeitet wird.
Derlei Schlampigkeiten kommen sogar in den hochgebildeten Kreisen vor, das fällt schon auf.
Wie oft habe ich nun schon gehört und gelesen, wie so mancher Begriff irrtümlich verwendet wird von Politikern, Redakteuren, Journalisten…

Bestes Beispiel:
Immer wieder hört man nun: „Fachkräftemangel“ – und dann wird diesem Wort meist der komplett falsche Artikel vorangestellt.
Dabei ist die Sache klar wie Kloßbrühe:
DIE, es heißt DIE Fachkräftemangel.
„Die“, nicht „der“ oder „das“.
Es bedeutet eben, dass Fachkräfte brutal durch die Mangel, also durch eine erbarmungslose Walzmaschine gedreht und möglichst heftig ausgepresst werden.

Darum geht es in puncto Fachkräftemangel: Dass der Markt mal ausnahmsweise nicht zugunsten des Kapitals funktioniert.
Wo es einen erhöhten Bedarf an Fachkräften gibt und demgegenüber ein begrenztes Angebot, müssten die sogenannten Arbeit-Geber auf der Kapitalseite eigentlich höhere Löhne, bessere Arbeitsbedingungen anbieten, aber nein. Lieber lamentieren sie, dass sich niemand findet, der zu den gegebenen Konditionen schuftet und rufen (gern mit dem pathetischen Zusatz „händeringend!“) nach billigeren, willigeren Lohnabhängigen, die sie sich im Zweifelsfall von dort importieren, wo die allgemeine Lohnquote nochmal niedriger ist.
So hebeln sie die Marktgesetze aus, wenn diese mal nicht zu ihren Gunsten arbeiten. Sie, die sonst unablässig die „unsichtbare Hand“ des Marktes und dessen zauberhaften Mächte beschwören.

Wer „Fachkräftemangel“ sagt, ist meist nicht redlich.
Er meint: Einmal mehr jemanden in die Mangel nehmen, Druck ausüben.
Von daher heißt es auch: DIE Fachkräftemangel. Die.
Substantiv, feminin.
Merkt euch das.
Grammatik ist wichtig.
 

Matula

Mitglied
Das stimmt schon, @Dichter Erdling, aber es schaut so aus, als ob auch höhere Löhne in manchen Branchen nichts ausrichten. Denk nur an die Gastronomie. Jeder will essen, aber keiner will kochen. Im Westen Österreichs lässt sich im Winter gutes Geld verdienen, und dennoch waren verschiedene Initiativen, arbeitsuchende Köche zB von Wien nach Tirol zu vermitteln, kaum erfolgreich. Es gibt eben auch andere Faktoren als den Lohn. Zum Beispiel das Ansehen eines Berufes, die Freizeitmöglichkeiten, die Nähe zu Freunden und Verwandten etc. Und leider lassen sich Fachkräfte ja auch nicht in beliebiger Zahl heranzüchten.

Schöne Grüße,
Matula
 
Grüß dich, Matula!

Das stimmt, dass sich die Sache nicht nur durch höhere Löhne lösen lässt – das steht ja auch so in meinem Text.
Arbeitszeit, Ansehen, Entfernung zum eigentlichen Wohnort (Lebensmittelpunkt) etc., was du zu diesem Punkt näher ausgeführt hast, habe ich unter dem Überbegriff „bessere Arbeitsbedingungen“ zusammengefasst.

Ob sich Fachkräfte nicht auch „heranzüchten“ lassen, ist wieder eine andere Frage. Viele Betriebe wollen sich die Heranbildung von Fachkräften (z. B. Lehrlinge) gar nicht erst antun, sondern wollen die Fachkraft fixfertig geliefert bekommen, von wo auch immer.
Das ist oft auch das Problem.

Schwieriges Thema, ich weiß.
Es betrifft die ganze Welt.
Ich fürchte halt, in einem System, das nur dann funktioniert, wenn sich die Masse der Lohnabhängigen immer billiger hergibt, können Mehrheiten nicht gewinnen.
So ist denn auch meine kleine Posse als humoristischer Seitenschlag auf dieses System zu lesen.

Mit liebem Gruß,

Erdling
 

petrasmiles

Mitglied
Liebe Dichter Erdling,

ja, eine feine Satire und so ... 'intelligent' - fällt mir jetzt ein anderes Wort ein.

Ein großer Arbeitgeber in meiner (organisatorischen) Nähe hat sich Berater ins Haus geholt, einen schicken Plan aufgestellt und outgesourced. dann hat es nicht funktioniert, weil ziemlich viel von dem, was man so zu tun hat, lässt sich nicht konkret anweisen - und schon gar nicht von fachfremden Managern als Auftrag vermitteln. Die Leute waren entlassen worden, die Stellen abgebaut und nun muss man wieder neue Stellen schaffen und die Leute, die man jetzt noch bekommt, sind die, die woanders schon Probleme hatten, weil natürlich nicht mehr bezahlt werden soll. Es gibt da diesen klugen Spruch: Wer mit Bananen bezahlt, bekommt Affen.
Diese Beraterbesuche begleiten mich schon mein ganzes Berufsleben, und nie, wirklich nie, ist im Sinne der Verbesserung etwas dabei herausgekommen. da werden den Entscheidern in kurzen Präsentationen Zahlen für Einsparpotentiale genannt, und dann gibt es grünes Licht. Vielleicht stimmten da dann Kennzahlen, was weiß ich schon. Aber wenn man bedenkt, dass das Bankenranking-System Basel II Punktabzug gibt für 'zu viele' Mitarbeiter, dann braucht man nicht mehr viel Phantasie, welchen Stellenwert Facharbeiter haben.
Meinen Mann wurde mal gesagt: Sie werden nicht fürs Denken bezahlt! Hat er dann möglichst bleiben lassen. Klappt aber nicht immer.

Liebe Grüße
Petra
 



 
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