Fake News

G

Gelöschtes Mitglied 21114

Gast
Beim Zitieren bin ich auf die Schnelle
Nur ein Ass bei klarer Quelle.


Diesen Zweizeiler wähle ich zum Anlass, hier eine Rehabilitierung von Karl Kraus unterzubringen. An anderer Stelle im Forum habe ich das Falsch-Zitat eines LL-Mitglieds folgendermaßen kommentiert:

Abschreiben will gelernt sein
Es genügt nicht, irgendwo abzuschreiben, man muss auch eine verlässliche Quelle haben. Karl Kraus, der oben von einem LL-Mitglied Zitierte, hat folgendes gesagt:
Das Berufsgeheimnis: „Viele würden in Redaktionen rennen, bedürfte es nicht die spezialste der Gaben. Es genügt nicht keinen Gedanken zu haben: man muß ihn auch ausdrücken können.“ (Fackel 697, Seite 60)
Das Zitat oben – irgendwo als Kokolores in die Welt gesetzt – sagt genau das Gegenteil dessen, was Karl Kraus ausdrücken wollte. JF
Hier das Falsch-Zitat:

"Tja, was kann man dazu sagen? Vielleicht Karl Kraus, lassen wir ihn sprechen:

"Es genügt nicht, keine Gedanken
zu haben; man muss auch unfähig sein,
sie auszudenken."


Und hier noch der Screenshot der Original-Seite mit dem Zitat:

 
Zuletzt bearbeitet von einem Moderator:

James Blond

Mitglied
Hm, warum dann nicht auch:

Ein Zitat wird auf die Schnelle
Opfer der Gedächtnisquelle.


Ich glaube nicht, dass es sich bei den meisten Fehlzitaten um absichtliche Fälschungen handelt. Denn häufig arbeitet die Erinnerung gegen uns, oder besser: für uns, indem sie zurecht biegt, bis es uns besser (in den Kram) passt. So arbeitet Wahrnehmung stets, vor allem auch die innere Wahrnehmung der Erinnerung. Fake News bilden somit den Hintergrund allen Verstehens. Dabei gehen Selektion und Modifikation von Information Hand in Hand.

Was den schönen Spott-Aphorismus des so häufig falsch zitierten Karl Kraus anbelangt: Ich finde beide Versionen gut, wenngleich die Betonung sich verändert. Kraus hatte, wie so häufig, die "Journaille" aufs Korn genommen und ihr ein böses Kompliment gemacht: die Fähigkeit zum gedankenlosen (inhaltsfreien) Ausdruck, also zum Geschwafel.

Die mittlerweile im Netz sogar häufiger anzutreffende Version

"Es genügt nicht, keine Gedanken [auch: Meinung/Idee] zu haben, man muss auch unfähig sein, sie auszudrücken."

gefällt mir ebenfalls, weil sie mit der doppelten Negation die Absurdität der Aussage noch stärker betont und damit ihren homologen Charakter herausstellt. Ein falsches Zitat gilt zwar als böser Fauxpas, zugleich offenbart es den Aspekt einer gemeinsamen Sprachkreativität, die sich einen Stein so lange zurecht klopft, bis er ins Gebäude passt.

Grüße
JB
 
G

Gelöschtes Mitglied 15780

Gast
Interessant, wie der alte Sprachreflektor statt den Gehnietief (nach "bedürfen") ein Akkusativobjekt setzt ("die spezialste").
Der Akkusativ ist den Genetiv zu Tod.
 



 
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