Fantasy Erwachsen

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Der Druidenkreis

Der Druidenkreis

„Ceridwen! Ceridwen, wo bist du?“
Colum blickte aus zusammengekniffenen Augen über die verschneiten Hügel des Hochlandes. Auch ohne es sehen, wusste er, dass die Wellen auf dem nahe gelegenen Meer wütend peitschten. Eine düstere, graue Einöde. Grau wie die Vögel, die gerade über ihn hinweg zogen. Grau wie sein Herz.
„Ceridwen!!“
Sein langes, blondes Haar wehte im eisigen Wind. Es war ungepflegt und schmutzig. Genau so wie sein Bart, dem er seit Tagen keine Aufmerksamkeit mehr geschenkt hatte.
Eine drei Tage alte Narbe zog sich über sein breites, männliches Gesicht. Die juckende Kruste reichte von seiner rechten Augenbraue über seine Nase, bis zur Oberlippe. Der Schnitt auf seinem Nasenrücken wollte nicht heilen. Immer wieder begann er zu bluten. So wie jetzt. Colum wischte das rote Rinnsal mit dem Ärmel seines grauen Mantels ab.
„Ceridwen mein Weib!“
Bilder huschten vor seinem inneren Auge vorüber. Bilder des blutigen Kampfes vor drei Tagen. Weshalb hatte Ceridwen ihn nicht gewarnt. Sie, die alles im Voraus wusste.
Die beiden Clans, die seit drei Generationen miteinander verfeindet waren, hatten sich bei Nacht und Nebel einen erbitterten Kampf geliefert. Viele Männer waren gefallen, darunter auch Colums treuer Freund Irik.
Dieser lag, eine halbe Tagesreise von seinem jetzigen Standpunkt entfernt, auf einem der schneebedeckten Hügel. Colum hatte es nicht über sich gebracht, dessen toten Augen zu schliessen und den jungen Mann zu vergraben.


Colums Stiefel versanken bei jedem seiner ausladenden Schritte tief im Schnee. Er ging Richtung Westen. Sein Schwert schlug ihm gegen den rechten Oberschenkel und dessen blutige Klinge holte hervor, was Colum zu verdrängen suchte. Er fühlte sich in diesem Augenblick unsäglich alt. Nichts war mehr übrig von seiner früheren Verspieltheit. Er hatte seine Träume verloren.
Nur der Gedanke an seine Aufgabe liess ihn nicht innehalten, liess ihn weiter kämpfen - vermutlich bis ans Ende seiner Tage.
Die Sonne war hinter dem düsteren Nebel kaum auszumachen. Doch das tat nichts. Sie würde so oder so bald untergehen. Dann würde er in der Nacht weitermarschieren, solange, bis er Ceridwen gefunden hatte.
Er war wütend auf sie. Ceridwen, die eine Filidhs war, und sehen konnte, was die Zukunft für die Menschen bereithielt, kam ihm nicht einmal entgegen.

Als Colum drei weitere, trostlose Hügel hinter sich gebracht hatte, auf denen dieselbe Einöde herrschte, wie auf den vorhergehenden, blieb er stehen. Erst jetzt kam ihm der Gedanke, dass Ceridwen etwas zugestossen sein könnte. Er wusste nicht einmal, ob sie noch lebte, oder vielleicht ein Opfer des kargen und langen Winters geworden war. Auch diese Fähigkeit hatte er verloren.
Schnell ging er weiter, kam an einer Festung vorbei, die, als er vor Jahren das letzte Mal hier vorbeikam, erst zur Hälfte gebaut war. Auf der Wehr standen mehrere Gestalten und blickten ihm neugierig entgegen. Kurz überlegte Colum, ob er die Wachen um Einlass bitten sollte. Aber diesen Gedanken verwarf er schnell wieder.
Er wusste nicht, auf welcher Seite die Menschen dort drin standen. Vielleicht hatten sie den Christengott angenommen und betrachteten ihn als Feind. Vielleicht würde er dort auch willkommen geheissen, ein warmes Lager für die Nacht finden, etwas zu essen und Ruhe.
Colum machte einen Bogen um die Festung. Er ging erleichtert weiter, als ihn keiner der Wachen hiess, stehen zu bleiben. Er wusste, dass er in seiner jetzigen Aufmachung wohl kein Vertrauen erwecken würde. Seine Kleidung und sein Schwert waren voller Blut.

Dunkelheit legte sich über das Land und es begann zu schneien. Colum ging zielstrebig weiter, ohne auf den Hunger zu achten, der in seinem Inneren rumorte. Er würde das Dorf der Frauen erreichen, egal, was auch kommen mochte.
Er liess das hügelige Gebiet hinter sich und gelangte zum heiligen Wald. Seine Finger waren steif gefroren, genau so, wie seine Füsse.
Er betrat den Wald und spürte, dass es hier etwas wärmer, dafür aber auch dunkler war. Um die Einsamkeit zu vertreiben, fing Colum an ein Lied zu singen. Eines, das er schon oft vor Königen vorgetragen hatte. Damals, als diese noch seinen Rat wollten. Aber diese Zeit lag lange zurück. Nun war es nur noch eine blasse Erinnerung, so schwach, dass sie kaum noch wahrnehmbar war.

Als er zu einem Bach gelangte, füllte Colum sein Schlauchbeutel mit dem eisigen Wasser auf. Dann liess er sich auf die Knie sinken und trank. Ein kalter Schauer durchlief seinen Körper und liess ihn noch mehr frieren.
Gerade wollte er aufstehen, als er von der gegenüberliegenden Seite des Baches ein leises Knacken vernahm. Erst nahm er an, ein Reh aufgescheucht zu haben. Aber das Geräusch wiederholte sich, kam näher auf ihn zu.
Schnell stand Colum auf und zog sein Schwert.
„Wer immer Ihr seid, ich bin bewaffnet und zu allem bereit!“
„So seid ihr das?“, antwortete eine vertraute Stimme. „Dann kommt und lasst mich Euch ansehen!“
„Ceridwen? Bist du das?“ Colum übersprang den Bach und eilte das steile Ufer hinauf. Er konnte sie immer noch nicht sehen. „Sag, bist du es Ceridwen?“, wiederholte er leise.
„So ist es“, antwortete ihre Stimme hinter seinem Rücken.

Blitzartig drehte sich Colum um, und blickte auf die Gestalt Ceridwens. „Wie immer du das auch machst, es freut mich, dass du gekommen bist.“
„So, wie ich es versprochen habe“, antwortete sie leise. „Aber sag, wie ist es dir ergangen? Es ist dunkel und ich kann dich nicht recht erkennen. So muss ich mich auf deine Worte verlassen.“
Colum antwortete nicht. Stattdessen ging er auf die schlanke Silhouette zu und umarmte sie. „Mein Weib, lass dich berühren, dich riechen und umarmen. So lange ist es her, dass mir dies vergönnt war.“
Ceridwen schlang ihre Arme um Colums Hals. „Ja, du hast Recht. Für die Begrüssung sollte man sich immer Zeit lassen. Ich habe dich vermisst und oft an dich gedacht“, flüsterte sie in sein Ohr. „Und trotzdem habe ich vergessen, was für ein stattlicher Mann du bist.“ Sie liess seinen Hals wieder los und trat einen Schritt zurück. „Du riechst nach Blut und Krieg. Sag, wie schlimm ist es?“
Colum schüttelte betrübt seinen Kopf. „Schlimmer, als du es dir vorstellen kannst. Doch nun mein Weib, sollst du mich in dein Haus bringen und mir etwas zu Essen geben. Denn ansonsten werde ich nicht mehr dazu in der Lage sein, dir überhaupt etwas zu berichten.“

Ceridwen nahm Colums linke Hand in die ihre, und führte ihn durch die Dunkelheit. „So viel ist geschehen“, meinte sie leise. „So viel, ohne dass wir es verhindern konnten. Doch nun bist du da. Du, der zu den Göttern sprichst.“
Colums Körper versteifte sich. Wusste Ceridwen denn nicht, dass er auch diese Gabe verloren hatte?

Als sie das Dorf der Frauen erreichten, war es bereits sehr spät. Die fünfzehn, einfach gebauten Steinhäuser standen einsam auf der kleinen Lichtung im Wald. Sie waren in Form eines Kreises aufgebaut und sämtliche Eingänge waren so angelegt, dass man auf das grosse Feuer blicken konnte, das zwischen ihnen, bei Tag und Nacht, brannte. Eine einsame Frauengestalt sass auf einem Baumstrunk davor. Sie war in dieser Nacht dafür zuständig, dass das Feuer nicht ausging.
Sie nickte Ceridwen und Colum zu, als diese aus dem Wald heraustraten.
Ceridwen winkte der Frau kurz zu und führte Colum in ihr einfaches Haus.

Ein einfaches Lager aus Stroh und einigen groben Decken, lag in der hinteren rechten Ecke. Ein kleines Regal mit einige Töpfen und Krügen stand an der gegenüberliegenden Wand. In der Mitte des Hauses war eine kleine Feuerstelle, umkreist von vier Steinen, die als Sitzgelegenheit dienten.
„Setzt dich“, sagte Ceridwen freundlich und zeigte zur Feuerstelle.
Colum nickte, und nahm auf dem grössten der vier Steine platz. Vor ihm in der Feuerstelle glühte noch ein wenig Holz und Colum streckte seine steifen Finger dankbar darüber aus.
Ceridwen legte Holz nach und setzte sich Colum gegenüber auf einen der Steine. Fragend blickte sie in Colums Gesicht.
„Willst du darüber sprechen, oder für immer in Schweigen verfallen? Einiges habe ich gesehen, so wie ich dein Kommen gesehen habe. Anderes wurde mir zugetragen und ich weiss nicht, ob ich diesen Geschichten glauben schenken soll. Nun will ich aus deinem Mund hören, was geschehen ist.“
Colum blickte lange in die dunklen Augen Ceridwens, auf ihr schmales Gesicht, das in seiner langen Abwesenheit die ersten Fältchen bekommen hatte.
„Du bist schön, weißt du das? Du hast mir in all den Monden gefehlt die wir getrennt waren. Nie hatte ich die Möglichkeit, dich zu treffen. Ich weiss nicht, was du gehört oder gesehen hast. Deshalb versuche ich dir mit wenigen Worten zu erklären, was von Bedeutung ist.“

Ceridwen stand auf und holte etwas Brot und Käse, das sie sorgsam in Tücher eingepackt hatte.
„Vielleicht fällt es dir einfacher, wenn dein Magen gefüllt ist“, meinte sie lächelnd. Während sie Colum das Brot gab, beugte sie sich über ihn und küsste ihn auf die die Stirn.
Colum streckte seine Arme aus und zog Ceridwen an sich heran. Fest drückte er sie an sich, und hätte sie am liebsten nie mehr losgelassen. Doch dafür war keine Zeit.
Ihr Zusammentreffen war nicht das eines Paares. Vielmehr standen sie sich als Druidenpriester gegenüber, die sie beide waren.
„Ich war viele Monde lang in Britannien. Dort habe ich dem König mit meinen Ratschlägen zur Seite gestanden, ihm geholfen soweit mein Wissen dies zuliess. Viele Male musste ich Streit schlichten, zwischen ihm und seinen Untertanen. Der König will den neuen Glauben annehmen, so, wie es schon einige vor ihm getan haben. Er breitet sich aus wie ein Geschwür und lässt sich mit nichts verhindern. Anstatt gegen die Priester zu kämpfen, die unsere heiligen Feste verhindern wollen, begann der König in ihrem Buch zu lesen, das sie die Bibel nennen. Verstehst du? Sie wollen unsere Götter verleugnen! Behaupten, dass es sie nicht gibt, nie existiert haben! Jedem, der an dem alten Glauben festhält, drohen sie mit dem Tod. Es wird nicht mehr lange dauern, dann werden sie auch in unser Land kommen. Verlangen, dass wir den wahren Glauben verleugnen.“
„Aber wir wussten doch schon lange, dass dies eines Tages eintreffen würde“, bemerkte Ceridwen. „Diese Gefahr besteht lange und betrifft nur Britannien.“
„Eben nicht!“, schimpfte Colum. „Was sie dort tun, werden sie auch in unserem Land tun.
Sie werden mit Schiffen voller Krieger in unser Land kommen, uns Druiden bekämpfen, als wären wir das Böse. Jedem von uns droht der Tod, wenn es uns nicht gelingt, die Verbreiter des Christengottes von unserer Insel fernzuhalten.
Die beiden mächtigsten Clans sind verfeindet, bekämpfen sich aufs Blut, anstatt zusammenzuhalten. Jetzt, wo es nötig ist!“
„Dann müssen wir eben dafür sorgen, dass sie sich wieder vertragen“, überlegte Ceridwen laut.
„Und wie willst du das bewerkstelligen? Einen Krieg beenden, der seit Generationen seine Opfer fordert?“
„Wie ich sehe, hast selbst du den Glauben an unsere Götter verloren“, bemerkte Ceridwen betrübt. „Es wird Zeit, dass du als Vorbild dienst, egal was dir auch widerfahren ist. Du bist der mächtigste Druide in unserem Land. Du bist es, der die Clans vereinigen muss. Wenn nötig, auch mit Zauberei!“





Fortsetzung folgt....

Hallo zusammen. Dies ist der Anfang meiner neuen Geschichte. Kritik und Anregungen sind mir jederzeit willkommen.
Danke Claudia


Besten Dank für Eure Anregungen. Ich habe noch etwas Text angehängt und den vorhergehenden korrigiert.

Gruss Claudia
 

Greenlia

Mitglied
lange her...

Ailtta Claudia!

Ist ja lange her, dass ich etwas von dir gelesen habe, obwohl mir deine Werke doch so gut gefallen hatten.
Jedenfalls lässt mich der Anfang deiner neuen Story auf mehr hoffen. Und ich hoffe wirklich, dass da noch etwas kommt, denn aus diesem Abschnitt ist leider nicht viel Information über den weiteren Verlauf der Geschichte herauszuholen.

Auf bald,

~Aileen~
 
G

Gelöschtes Mitglied 4259

Gast
Hallo Claudia,

die Story beginnt sehr gekonnt, die Neugier des Lesers wird geschickt geweckt... Man kann wirklich auf die Fortsetzung gespannt sein.
Allerdings sind mir einige Kleinigkeiten aufgefallen:
- Warum schreibst Du das Adjektiv "ungepflegt" groß?
- "Bilder huschten [red]von[/red] seinem inneren Auge...": soll sicher "vor" heißen.
- "Colum hatte es nicht [red]hinter[/red] sich gebracht...": besser wäre "über" sich.
- "Gerade wollte er aufstehen, als er von der gegenüberliegenden Seite[red],[/red] des Baches...": Komma nicht nötig.
- Was ist eine "dunkle Silhouette"? Ist eine S. nicht zwangsläufig schemenhaft, also auch dunkel (Pleonasmus bzw. Tautologie...)

LG

P.
 



 
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