Hallo, liebe Märchenhexe,
als Dank für Dein hübsches Farbenspiel sende ich Dir - und nur Dir - eine von meinen Perlen.
Grüßlein
AI
Aschenputtels Perlen...
Detail zum Erbsensortieren
Dass Aschenputtel unsäglich unter den Gehässigkeiten ihrer Stiefmutter und deren leiblichen Töchtern litt und trotzdem ein ganz ganz liebes Mädchen war, ist hinlänglich bekannt. Dass aber auch ihr Vater ein ganz lieber Mann war, beweist nur ein – kaum je erwähntes – Detail dieses Wundermärchens vom endlichen Sieg der guten Tugenden über die Mächte des Bösen und ihrer Stellvertreterinnen auf Erden.
Er, ihr lieber Vater, hatte wohl bemerkt, dass er mit der Heirat dieser frühverwitweten Bissgurrn seinem geliebten Kind keinen besonderen Gefallen erwiesen hatte und hatte dennoch treulich für sein Mädelchen vorgesorgt, welches er zärtlich ’mein Täubchen’ zu nennen pflegte. Er hatte nämlich in einem der Erbsensäcke in der Vorratskammer ein ’Pfündchen’ Perlen unter die Erbsen gemischt; in der nicht gänzlich unbegründeten Hoffnung, dass einzig sein Kind, das bekanntlich alle Hausarbeiten zu erledigen hatte, dieselben zu gegebener Zeit finden würde. Er hatte ihr das vor Antritt einer seiner langen Geschäftsreisen sogar tröstlich ins Öhrchen geflüstert, aber das gute Kind hatte das wohl über dem Kummer der täglichen, erniedrigenden Küchen-, Kehr- und Kocharbeiten und der ständigen Abwesenheit ihres geliebten Vaters einfach vergessen.
Eines traurigen Tages erhielt sie nun wieder einmal den Befehl, einen Sack Erbsen zu sortieren und eine Erbsensuppe für eine höher-gestellte Persönlichkeit zu kochen, der wegen seiner Vorliebe für etwas rustikalere Genüsse bekannt war und am besagten Tag um die Hand eines der Stiefi-Girls anhalten wollte.
Und kaum hatte sich Aschenputtel zum Erbsensortieren in den Küchenhof gesetzt und den Sack ausgeschüttet, kamen auch schon die lieben Täubchen angeflattert, um ihrer Freundin zu helfen: „die guten ins Töpfchen, die schlechten ins Kröpfchen...“
Nun hat es aber der Vorsehung gefallen, weder schuftende Aschen-puttels noch hilfsbereite Tauben mit besonderer Kenntnis über Perlen auszustatten; schon gar nicht mit dem nötigen Expertenwissen vom besonderen Wert jener Perlen, die Väterchen in aller Welt zusam-mengesammelt hatte.
Zu jener Zeit hatte nämlich ein starker August (König von Polen) an alle global tätigen Händler seines Reiches die Order erlassen, ihm für seine Skurrilitäten-Sammlung (dem heutigen ’Grünen Gewölbe’ in Dresden) alle denkbaren Fehlbildungen der Natur herbeizuschaffen. Nebst anderem eben auch Fehl- und Missbildungen von Perlen.
Und nun landeten die wertvollsten Perlen, die aussahen wie schlechte Erbsen, in diversen Kröpfchen. Diese wertvollen Stücke waren nun aber selbst für Tauben – böse Menschen nennen sie gar Ratten der Lüfte – so gut wie unverdaulich und bereiteten den lieben Tierchen arge Kropf- und/oder Darmbeschwerden. Um sich zu erleichtern, flogen sie öfter mal zum Schweinekoben.
Und so haben Aschenputtels beste Freunde deren väterliches Erbe, die Perlen, buchstäblich vor die Säue gesch(m)issen.
Der Vollständigkeit halber sollte noch erwähnt werden, dass eine einzige Perle im Töpfchen und also in der Suppe landete. Und ausgerechnet an der hat sich Geheimrat Ehteog Gang von Wolf den vorletzten Zahn ausgebissen und demzufolge das Stiefi-Girl doch nicht genommen.
Wie sich das Girly bis ans gute Ende des Märchens von der ausgleichenden Gerechtigkeit an Aschenputtel rächte, ist auch bekannt genug.
Weniger bekannt dagegen ist, dass wegen dieses historisch verbürgten Details des Märchens ’nur’ so wenige ’Krüppel-Perlen’ – meist in Gestalt von kleinen Narren und Gauklern – heute im grünen Gewölbe zu bewundern sind.