Feder auf dem Mond

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ENachtigall

Mitglied
Version 2

Feder auf dem Mond



fallen können

wie ein Entschluss
in letzter Minute

das Ausgleichstor
in der Nachspielzeit

ein Traum
ins Abseits
von Zeit und Raum

der Tropfen
auf den heißen Stein

fallen

wie der Glückliche
am Meer
in den Sand

im Wind
die Flugsamen
des Ahornbaums

der Bär
in die Geduld
des verschlafenen Winters

aus allen Wolken
das Schweigen
der Wortgewitter

der schwarze Schleier
der Novembernacht
wenn Schnee sie bedeckt

Flocke
für
Flocke




© Elke Nachtigall
18. November 2006






Version 1

Feder auf dem Mond


fallen
will ich
können

wie ein Entschluss
in letzter Minute

das Ausgleichstor
in der Nachspielzeit

ein Traum
ins Abseits von Zeit und Raum

der Tropfen
auf den heißen Stein


fallen


wie der Glückliche
am Meer in den Sand

im Wind
die Flugsamen des Ahornbaums

der Bär
in die Geduld des verschlafenen Winters

aus allen Wolken
das Schweigen der Wortgewitter

der Brautschleier
einer knochenschwarzen Nacht

wenn der Schneegemahl
sie bedeckt
Flocke für Flocke



© Elke Nachtigall
 

JoteS

Foren-Redakteur
Teammitglied
...Du weisst aber schon, dass eine Feder auf dem Mond fällt wie ein Stein?!

Hallo Elke

Bis kurz vor Schluss gefällt mir Dein Gedicht gut, dann gleitet es in Kitsch ab. Schade, sehr schade sogar.

Gruss

J.
 

ENachtigall

Mitglied
Hallo Jürgen,

das wäre dann ein großer Zufall gewesen, hätte ich es nicht gewußt und mir so einen Titel ausgedacht ...

Das Fallen ist eben sehr vielseitig; um diese Darstellung ging es mir. Dass ich Deinen Geschmack zumindest teilweise getroffen habe, grenzt ja schon an Völkerverständigung :)

Danke für Deinen Kommentar.

Elke
 

Perry

Mitglied
Hallo Elke,
ansich ein schönes Thema für ein Gedicht. Die einzelnen Bilder sind meiner Meinung nach einfach zu weit gestreut, was ihre Aussage und ihre Bildbotschaft betrifft. Vielleicht wäre hier eine Eingrenzung, auf das was dir wirklich wichtig erscheint eine Hilfe. Trotzdem gern gelesen, das
"wie der Glückliche
am Meer
in den Sand"
hat mich sofort in Pilsstimmung versetzt (lächel).
LG
Manfred
 

Balu

Mitglied
Hallo Elke

für mich entsteht beim text strophe für strophe eine entführung vom alltag in eine welt der besinnung , ja fast schon der sinnlichkeit

mit jedem fallen hats mir mehr gefallen
gruß
Knut
 

ENachtigall

Mitglied
Fallen

@ Perry
Die einzelnen Bilder sind meiner Meinung nach einfach zu weit gestreut, was ihre Aussage und ihre Bildbotschaft betrifft. Vielleicht wäre hier eine Eingrenzung, auf das was dir wirklich wichtig erscheint eine Hilfe.
Die Erklärung für die (scheinbar wahllose) Vielfalt der gewählten Bilder und "Fallstudien" steht eigentlich ganz zu Anfang im Gedicht.
fallen
will ich
können
Dahinter steht die Idee des spielerischen Umgangs mit der (eigenen) Schwere; das Erforschen der Wege hin zu mehr Leichtigkeit, das Austarieren des Gleichgewichts, in der Überzeugung, dass der Wille sich ein (fast) beliebiges Lernziel suchen, und der Übende sich dem annähern kann.

Bereits der Titel beeinhaltet eines der Bilder und ist somit eine versteckte Strophe. Ausschließlich fantastisch erlebbar sind die genannten Bewegungen - bis auf das Fallen in den Sand. Von der Dringlichkeit und Haarschärfe des Fall-Zeitpunktes in den ersten beiden Bildern/Strophen geht die Imagination von Unfassbarem (Schwerelosigkeit, Traumgewicht) bis zu wirklich virtuosen Fallkünsten (Ahornblüte, Wachbewußtsein, Schneeflocke).

Wichtig sind mir alle diese Bilder. Sie halten durch verbindende Übergänge zusammen. Ihre Bewegungen finde ich ich visuell wirksam (Filmablauf vor meinem inneren Auge).

Ich danke Dir, Manfred, sehr für die Auseinandersetzung mit dem Gedicht, und hoffe, Du kannst meine Entscheidung, nicht mehr zu verändern, nachvollziehen. Danke auch für meine Nebenbei-Erkenntnis, dass dieses die (logische) Fortsetzung eines Vorgängergedichtes ist.



@ Balu

... strophe für strophe eine entführung vom alltag in eine welt der besinnung ...
Danke, Knut, für die wunderbare Umschreibung dessen, was ich versucht habe, zu vermitteln.


@ streetlyrik

Schön, Deinen Eindruck zu dem Gedicht zu lesen.

Seid alle herzlich gegrüßt.

Elke
 
hallo elke,
die bilder sind wirklich vielfach, aber mir kommt deingedicht sehr klar strukturriert vor.
und sehr poetiisch, manchmal glaubte ich mich beim verstehen geirrt zu haben ich dachte nun solle es plötzlich schwere ausdrücken? aber der schluß bleibt der lieblichen leichtigkeit doch treu.
der Brautschleier
einer knochenschwarzen Nacht

wenn der Schneegemahl
sie bedeckt
Flocke für Flocke
schmunzel, als durch und durch romantische frau lasse ichmich gern auchmal auf solche bilder einstimmen.
lach und typisch "E.Nachtigall...style"
muß man erst mal auf solch einen titel kommen und einen kontext zum gesamtwerk herstellen.

Lieben gruß heike
 
S

Stoffel

Gast
Liebe Elke,

einen Entschluss *grübel* "fällt" man diesen nicht?

Mir persönlich ge-fallen die Vergleiche nicht so. Vielleicht weil sie mir alle zu unterschiedlich sind. Oder ich andere nehmen würde für diese Wünsche. Keine Ahnung.
Aber jeder hat sein eigenes Empfinden, so könnte ich nie sagen, der Text wäre nicht gut.

lG
Sanne
 
H

HFleiss

Gast
Mich stören an diesem Gedicht außerdem ernsthaft zwei Dinge: einmal die Zeilen mit dem Fußball (von dem dann u. U. der nächste Vers abhängig ist - Abseits), das ist Raputzerei aufs Aktuelle, und die letzten beiden Verse (Brautschleier, Schneegemahl), die ich für noch nicht mal gut gemachten Kitsch halte. Und als neugierige Leserin will ich partout wissen, warum will sie denn wie eine Feder schweben? Hat sie im Lotto gewonnen? Oder erhofft sie sich dieses Schweben von der Einnahme einer Droge? Mir fehlt also der Anlass für dieses Wohlfühlgefühl. Bei mir als Leserin erzeugst du dieses Wohlfühlgefühl jedenfalls mit diesem Gedicht nicht, keine Begeisterung fürs Schweben wie eine Feder und kein Verständnis dafür, dass dein Ich so außer sich geraten ist.

Gruß
Hanna
 

ENachtigall

Mitglied
@ Heike, Hanna und Stoffel

"Fallen" bedeutet mir darüber hinaus: Fehler machen dürfen, die Jahreszeit "Herbst (the fall im Englischen), sich anvertrauen, um nur einige Begriffe noch zu nennen.

Es ist ein Prozess, der nicht umsonst auf so unterschiedliche Weise Eingang in unsere Sprache gefunden hat und mich sicher nicht zu unrecht begeistert, was ich an den vorwiegend positiven Rückmeldungen auf dieses bescheidene Gedicht bestätigt sehe.

Hanna, das Bild aus dem Fußball habe ich trotz der mittlerweile überlebten Aktualität gewählt, weil die Spannung der mitfiebernden Massen - und das sage ich aus meiner Borussiastadterfahrung - mit dem Tor in eine Begeisterung fällt, die absolut mitreißend ist/sein kann.

Ich habe, angeregt durch Deinen Kommentar, zurückgedacht an den Tag der gewonnenen deutschen Meisterschaft, als ich mit der betagten, zierlichen Frau Bruksch im Taxi in den Freudentaumel der Fans mitten durch die Geburtsstätte des legendären Vereins - einen Kreisverkehr in unserer Nordstadt - geriet. Fans küßten die Windschutzscheibe und versteckten die Autos unter Fahnen. Frau Bruksch, von Hause aus so wenig Fußballfan wie ich, strahlte, als sie sagte, so etwas habe sie noch nie erlebt. Wir haben später noch oft darüber gesprochen.
Danke für das Hochholen dieser besonderen Erinnerung.
Ich erhebe nicht den Anspruch, dass dieses Gedicht herausragend gut ist. Mit dem Kitschvorwurf stehst Du, Hanna, ja nicht alleine da (siehe Kommentar JoteS).

Mir gefällt bei diesem letzten Bild allerdings das surrealistische Moment der Verfremdung: die schwarze Braut hat gleichzeitig etwas Witwenhaftes. Der Todesbezug wird durch das "knochenschwarz" noch verstärkt (entsteht durch luftdicht abgeschlossenen Verbrennungsprozess von Knochen).

An Drogenmissbrauch habe ich beim Schreiben des Gedichtes überhaupt nicht gedacht. Ich hoffe, es ruft nicht bei weiteren Leser(inne)n eine Art Verdacht auf Verherrlichung desselben hervor.


http://de.wikipedia.org/wiki/Erdschwerefeld
Zitat aus dem Artikel:
Das Erdschwerefeld hat seinen höchsten Wert an der Erdoberfläche. Im Inneren der Erde nimmt das Schwerefeld mit dem Abstand vom Erdmittelpunkt annähernd linear ab. Am Erdmittelpunkt selbst ist das Schwerefeld Null, es herrscht Schwerelosigkeit. Könnte man einen Tunnel durch die Erde hindurch bohren und Reibungsverluste ausschalten, würde ein in diesen Schacht hineinfallender Gegenstand im freien Fall in rund 42 Minuten bis zum anderen Ende hindurchfallen.
Ich freue mich über Eure zahlreichen Stellungnahmen.

Herzliche Grüße

Elke
 
H

HFleiss

Gast
Naja, wenn die Fußballhysterie dich so außer dich bringt, was soll man da noch raten? Da bleibt nur noch ein feines Lächeln.

Gruß
Hanna
 

Regenzauber

Mitglied
@Enachtigall

Zwei Überlegungen, die sich mir aufdrängten, als ich durch deinen Text wanderte:

– deine Zeilenumbrüche, die für mich nur eine optische Funktion ausüben, während ich immer noch der konservativen Interpretation anhänge, dass die Form der Aussage dienlich sein sollte, nicht aber zum Selbstzweck werden soll. Freilich verstehe ich den Titel nicht. Sollte jedoch auch die Leichtigkeit, die einer Feder anderswo meist zugesprochen wird, durch die Helligkeit der Form ausgedrückt werden, dann müssten auch die Bilder denselben Charakter tragen, was ich z.B. bei dem Tropfen nicht sehen kann. Ich hätte daher eine komprimiertere Form vorgezogen.

– die Frage nach dem „Warum“ stellte sich nach der Lektüre, die mich diese wiederholen ließ, ohne mir aber einen Hinweis zu liefern: wenn ich etwas wünsche, steckt doch ein Bedarf dahinter! Hier aber komme ich zu dem Schluss, dass dich das Spiel mit den verschiedenen Arten des Fallens verlockte, da ich zwischen dem Ausgleichstor, dem Fallen in den Sand und dem aus allen Wolken keine Gemeinsamkeit außer der sprachlichen Verbindung erkennen kann. Aber, freilich, auch das ist durchaus legitim, und, wie du an den Reaktionen erkennen kannst, weckt es Interesse.

Der Vollständigkeit halber wäre es zu überlegen, ob das so wichtige „Sich-fallen-lassen“ hier nicht ebenfalls seinen Platz finden sollte?
 

ENachtigall

Mitglied
Regenzauber,

Deine Kritik gibt mir zu denken und regt mich an, mit den Zeilenumbrüchen noch Alternativen zu probieren.

Zutrauen/Anvertrauen sind für mich (in diesem Gedicht) die wesentlichen Bestandteile der Fallstudien. Die Form sollte dazu dienlich sein, dass sich die Bilder den lesenden Betrachtern langsam zu Positiven entwickeln.

Das "sich fallenlassen" steckt doch im Detail schon mit drin - dachte ich zumindest.

Danke für die gute Auseinandersetzung.

Herzliche Grüße von Elke
 

ENachtigall

Mitglied
Feder auf dem Mond


fallen
will ich
können

wie ein Entschluss
in letzter Minute

das Ausgleichstor
in der Nachspielzeit

ein Traum
ins Abseits von Zeit und Raum

der Tropfen
auf den heißen Stein


fallen


wie der Glückliche
am Meer in den Sand

im Wind
die Flugsamen des Ahornbaums

der Bär
in die Geduld des verschlafenen Winters

aus allen Wolken
das Schweigen der Wortgewitter

der Brautschleier
einer knochenschwarzen Nacht

wenn der Schneegemahl
sie bedeckt
Flocke für Flocke



© Elke Nachtigall
 



 
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