Feenzauber

Asfalon

Mitglied
Vor ewig langer Zeit einmal, da lebte eine junge Feenkönigin mit ihrem treuen Volk auf der kleinen Insel inmitten des Nachtmeeres. Ihr Name war Day‘rû und sie war von ganz besonderer Schönheit, wie man sie selbst unter den Feen nur sehr selten vorfand, denn sie hatte pechschwarzes Haar und ihre Augen waren von solch einem intensiven Blau, dass selbst das sie umgebende Meer mit seinem klaren Wasser dagegen trüb und matt schien. Day‘rû wurde von ihrem Volk verehrt und ihre Untertanen folgten ihr gern, denn sie war eine milde Herrscherin und übte Gerechtigkeit, wo sie nur konnte. Ihr Volk wusste dies sehr zu schätzen und so verlieh man ihr eines Tages den Beinamen ‚liasthar‘, was in der Sprache der Feen soviel wie ‚die Reine‘ bedeutet.
Schon von Anbeginn an verband etwas ganz Besonderes das Volk der Day‘rû mit dem blauen Meer und so erbauten sie eine mächtige Stadt am Ufer der Insel. Sie errichteten Pfahlbauten und waren somit in der Lage, einen Teil der Stadt über dem Meer zu bauen. Immer weiter wuchs die Stadt heran und Day‘rûs Volk erschuf Gebäude voll Glanz und Pracht, Schönheit und Magie. Als die Stadt der Feen endlich fertiggestellt war, da funkelte sie im späten Licht der Abendsonne in tausend Farben, denn in jedem Gebäude war Glas in den verschiedensten Farben verarbeitet worden; und so kam es, dass die Kuppeln und Türme der Stadt blau wie das Meer strahlten. Day‘rû zu Ehren hatten ihre Unter-tanen ihr einen Palast errichtet, welcher von der Schönheit der Feen künden sollte. Seine Wände bestanden vollständig aus Glas in allen nur erdenklichen Farbnuancen und im unregelmäßigen Licht, welches von den Wellen des Wassers reflektiert wurde, schien es dem Betrachter so, als wechsle der Palast ohne Unterlass seine Farbe. Day‘rû selbst war stolz auf ihr Volk und die Leistungen, die es erbracht hatte, und man taufte die Stadt auf den Namen ‚alisande‘deâsar‘ – Wellenzauber.
Dennoch war Day‘rû nicht glücklich, denn so sehr ihr Volk sie auch liebte, so konnte es doch zu keinem Zeitpunkt ihre Eltern ersetzen; diese waren, kurz nachdem ihre Tochter den Wolkenthron bestiegen hatte, von einer schweren Krank-heit befallen worden und waren schließlich kurz vor dem 18. Geburtstag der jungen Königin verstorben. Day‘rû dachte jeden Tag an ihre geliebten Eltern und sie war sich sicher, dass sie sehr stolz auf sie gewesen wären, hätten sie ihre Tochter so gesehen. Jeden Abend verließ sie allein die stolze Stadt und begab sich zu einem einsamen Ort auf der Insel, wo sie ungestört war und abseits des täglichen Treibens in der Stadt Zeit zum Nachdenken fand. Dort setzte sie sich an die felsige Steilküste und ließ ihren traurigen Blick über das weit unter ihr liegende Meer streifen, wie das dunkle Wasser tief unten gegen die Felswand schlug und schneeweiße Kronen von Gischt die Wellen zierten. Hoch über ihr wurde der tiefblaue Nachthimmel von winzigen Sternen erleuchtet, die ihr strahlendes Licht auf die stille Insel der Feen hinabsandten. An diesem entlegenen Ort hing sie ihren Erinnerungen an die frühen Jahre ihrer Kindheit nach und mehr als einmal träumte sie davon, wie ihre Eltern zurückkehrten und Day‘rû sie nur ein einziges Mal noch in ihre Arme schließen könne. Doch tief in ihrem Inneren wusste sie, dass sich dieser Traum niemals würde erfüllen lassen, denn ihre Eltern waren tot und nichts auf der Welt vermochte, sie erneut ins Leben zu rufen. Und so saß sie an jedem Abend einsam am Ufer der Insel und blickte mit stillen Tränen in den Augen hinauf in den hoch über ihr hängenden Sternen-himmel.
Doch eines Abends, als sie wie jeden Tag zuvor an ihren Lieblingsplatz kam, da war etwas anders, denn der Ort war von einem schwachen Leuchten erfüllt. Ein kleines Wesen saß dort, wo ansonsten die Königin auf den Ozean hinaus-blickte. Day‘rû jedoch traute sich nicht, sich dem Wesen zu nähern; zu zauberhaft war der Anblick dieses Ortes für sie und sie wagte nicht, die Magie dieses Augenblickes zu stören. Und wie sie für einige Minuten einfach nur dastand und diesen Moment der Ruhe genoss, da drehte sich das unbekannte Wesen nach ihr um und Day‘rû sah winzig kleine Tränen in seinen Augen funkeln.
„Königin“, sprach es mit sanfter Stimme zu ihr, „wieso seid Ihr so traurig, dass Ihr jeden Abend hier allein sitzt und auf das Meer hinunterblickt?“
„Ach, es sind meine Eltern, die ich so sehr vermisse“, erwiderte Day‘rû.
„Mein Volk verehrt mich und folgt mir, wohin ich es auf führen mag, doch ich habe niemanden, der mich wirklich liebt. Meine Eltern sind an einer schlimmen Krankheit gestorben; manchmal sehne ich mich nach ihrer Liebe und Fürsorge, wie ich sie die letzten Jahre hindurch immer vermisst habe.“ Eine Träne lief an ihrer Wange hinunter und fiel mit einem winzigen Schillern hinab ins Gras, wo sie verschwand.
Das Lichtwesen schaute die junge Königin aus seinen weisen Augen heraus mitfühlend an und es folgte eine lange Zeit des Schweigens, ehe das Wesen erneut zu Day‘rû sprach:
„Ich beobachte Euch bereits seit einiger Zeit und ich kann verstehen, dass Euch der Verlust sehr berührt. Glaubt mir; ich habe des Öfteren geweint, wenn ich Euch hier sitzen sah, wie Ihr mit traurigem Blick in die Ferne blicktet. Ich möchte Euch helfen, liebe Königin. Ich kann Euch zu Euren Eltern bringen, doch der Preis dafür ist nicht gering, denn Ihr müss-tet alles auf dieser Welt zurücklassen und könntet nie wieder zurückkehren zu Eurem Volk, den Feen. Überlegt es Euch gut, ob dieser Preis es Euch wert ist.“
„Der Preis ist wahrlich hoch, doch ich würde ihn ohne Bedenken zahlen, denn meinem Volke geht es sehr gut und ich weiß, dass sie weise und klug genug sind, auch einer neuen Königin zu vertrauen und ihr genauso folgen würden, wie sie mir folgten. Bitte, bringt mich zu meinen Eltern.“ Ein Lächeln schlich sich auf ihr Gesicht und das Lichtwesen blickte sie noch einen kurzen Augenblick noch an, ehe es zu Day‘rû hinüberschwebte, sie an der Hand nahm und mit ihr von der Klippe sprang, um dann in die tiefblauen Fluten des nächtlichen Meeres einzutauchen.

Gleich am nächsten Tag wählte das Volk der Feen eine neue Königin, denn der Beraterin Day‘rûs war ein kleines Licht-wesen im Traum erschienen und hatte ihr erzählt, was mit der Königin geschehen war. Und wenn wir seither des Abends hinunter ins Meer schauen, dann können wir mit etwas Glück drei leuchtende Lichtpunkte erspähen, die fröhlich in Richtung des Sonnenuntergangs durch das Wasser gleiten...
 

Andrea

Mitglied
Prinzipiell liest es sich recht flüssig, wenn man auch den Willen, "märchenhaft" zu schreiben schnell bemerkt.

Sprachlich solltest du vielleicht im ersten Teil (bis "Dennoch war Day‘rû nicht glücklich") darauf achten, nicht zu begründend zu schreiben; will heißen: du benutzt recht häufig "denn"- und "und so"-Konstruktionen. Setz das etwas behutsamer ein, sonst wirkt es rasch monoton, auch wenn du zwischen beiden Konstruktionen wechselst.

Inhaltlich mag es etwas bedenklich sein, daß eine mindestens 18jährige so rückwärtsgewandt lebt, daß sie sich immer noch nach dem Rockzipfel der Eltern sehnt - schließlich ist sie Königin, und wenn sie so erfolgreich und beliebt ist, wie du schreibst, muß sie doch noch über andere Qualitäten außer ihrer Schönheit verfügen..

Der größte Schwachpunkt ist übrigens der Übergang zum zweiten Teil "Dennoch war Day‘rû nicht glücklich" - der Wechsel im Thema scheint mir recht unmotiviert.
Vorschlag: Entweder kürzt du den ersten Teil, der ja eigentlich nur Vorspiel und Einführung ist, oder du baust den zweiten Teil zumindest am Übergang etwas weiter aus.

Insgesamt macht der Text einen soliden Eindruck und ist nett zu lesen, aber die unbedingte Lust auf mehr macht er (noch) nicht.
 

Aneirin

Mitglied
Hallo Asfalon,

es soll ein Märchen sein, da ist die Sprache wohl angemessen, auch wenn ich lieber Geschichten lese, die etwas weniger friedlich und lieblich daherkommen. Gerade zu Anfang war es mir mit der ganzen Pracht und Schönheit zuviel.

Die tiefe Trauer um die Eltern ist auch nur schwer nachzuvollziehen bei einer jungen Fee, noch dazu der Königin des Landes, die langsam selbständig werden sollte. Mache aus den Eltern den geliebten Feenmann und dann wird die Trauer wieder verständlicher. Der erwähnte 18. Geburtstag hat bei mir die Assoziation ausgelöst: aha jetzt ist sie erwachsen. Ich weiß nicht, ob das beabsichtigt war.

Die Geschichte kann ich so runterlesen, aber sie lässt kein tieferes Gefühl bei mir zurück, keiner entwickelt sich, keiner kämpft für irgendwas.

Viele liebe Grüße
aneirin
 



 
Oben Unten