Fehlgeläutert (gelöscht)

A

Arthrys

Gast
Hallo Hans,

da ich der Erste bin, der auf deinen Text antwortet, erst einmal herzlich willkommen.
Korrekturvorschlag:
Das erste Fehlläuten erschreckt nur für Momente. Ich bin mir sicher, es ist nur ein Fehlläuten. Ein doppeltes Fehlläuten vielleicht.(,) ein dreifaches, vierfaches Fehlläuten.(?) Doch jedes Fehlläuten steigert die Autorität seines Nachfolgers, des fünften, sechsten und siebten Fehlläutens.
Was, wenn das Fehlläuten gar kein Fehlläuten ist? Was, wenn die Glockenschläge acht, neun und zehn nicht fehlen, sondern warnen. Ein Fehlläuten, das nicht fehlt, warnt,(.) Ignoriere ich das Fehlläuten, [red]das[/red] (welches) gar kein Fehlläuten ist, fehle ich.
Die Glockenschläge elf, zwölf und dreizehn können nicht fehlen, Nummer vierzehn, fünfzehn und sechzehn noch weniger. Das siebzehnte Fehlläuten, von dem ich sicher bin, dass es kein Fehlläuten mehr sein kann, ist von [red]diktatorischer [/red](didaktischer) Autorität. Es schreit mir ins Gesicht:
„Du fehlst! Du fehlst!“
Ja, ich fehle.(!) Fehle darin zu glauben, dass jede Nacht Alarmglocken läuten und nicht ein einziges Mal fehlen. Das achtzehnte Fehlläuten lacht mich aus. Es lacht mit Verachtung. Es lacht wie ein glücklicher Folterknecht. Ich bin ein fehlender Narr. Ich schreie, schreie an gegen mein Fehlen und (gegen)*die Alarmglocken, die nicht fehlen können, weil sie sonst neunzehn Mal in Folge gefehlt hätten, und erst recht nicht [red]20[/red] (zwanzig) Mal fehlen können, weil Alarmglocken nicht zwanzig Mal in Folge fehlen dürfen. Alarmglocken haben eine unfehlbare Autorität spätestens nach dem sechsten Fehlläuten. Das weiß ich. Ich höre sie jede Nacht fehlläuten. Jede Nacht höre ich das Läuten der Alarmglocken, und fehle darin zu glauben, dass sie fehlt.
Das einundzwanzigste Läuten höre ich noch. Ich höre es leise, versöhnend. Der glückliche Folterknecht hat sein Werk vollbracht. Ich verschlucke mein [red]weinen [/red](Weinen) in einem Schwall von Lachen. Der Folterknecht lacht nicht mehr. Das Läuten fehlt. Der Knecht geht. Er nimmt seine Spritzen, er schaut sich noch um, er schließt die Tür von außen zu und fehlt.

*in diesem Fall darf's ruhig zweimal "gegen" sein, klingt besser und verdeutlicht, denke ich.
Macht verd. nachdenklich, dein Text, aber gut umgesetzt, finde ich.
Gruß
Arthrys
 
B

Beba

Gast
Hallo,

puh, dein Text will verarbeitet werden. ;-)

Sehr flüssig geschrieben, liest sich sehr gut. Der Stil gefällt mir ausgezeichnet.

Gefällt mir gut, wenn ich auch noch nicht fertig bin damit. ;-)

Ciao,
Beba
 

HansSchnier

Mitglied
Danke für Eure Antworten. Einige Änderungsvorschläge habe ich übernommen - und es freut mich natürlich, wenn der Text gefällt.

Grüße

HansSchnier
 

HansSchnier

Mitglied
Ich habe absichtlich auf Absätze verzichtet, um der Gedanknewelt des Ich-"Erzählers" eine möglichst große Geschlossenheit zu verleihen und den Leserhythmus nicht zu unterbrechen.
Bei der Kürze des Textes halte ich die Absatzlosigkeit für noch erträglich.
 
A

Arthrys

Gast
hm,

hallo Hans,

betrifft die Absätze:

Wenn du den Text für dich selbst geschrieben hast, mag das mit dem Lesefluss ohne Absätze in Ordnung sein.
Schreibst du aber für andere, sieht das etwas anders aus.
Absätze beinhalten i.d. Regel einen in sich geschlossenen Gedankengang (siehe mein 1. Korrekturvorschlag).
Fließen mehrere Gedankengänge innerhalb eines Absatzes, oder geschlossenen Textes ineinander, wird der Textinhalt jedoch schnell unverständlich, zwingt zu wiederholtem Lesen, und (keine Absätze) zum umständlichen Suchen.
Da unsere Konzentrations- und Aufnahmefähigkeit jedoch unterschiedlich begrenzt ist, wirkt dies für viele auf die Dauer ermüdend (der Text wird (wirkt) langweilig.
Das Erfolgserlebnis "ich habe verstanden" bleibt aus, ich lege das Buch zur Seite, ins Regal, oder schmeiße es gleich in den Papierkorb.
Absätze bieten also dem Leser die Möglichkeit zu reflektieren bzw. und/oder "schnell und gezielt im Text zurück zu schauen" (i.d. Regel nach neun bis 14 Zeilen). Dies gilt ebenso für die Länge der Sätze. Ebenfalls neun bis 14 Worte ("man" möge mich bitte korrigieren) sind für Ottonormalverbraucher hier der Satz.
Denn auch ein Gehirn muss irgendwann einmal Luft holen.
Ist halt alles meine Meinung, muss ja nicht deine sein:).
Schade um den schönen Text.
Es grüßt dich
Arthrys
 

HansSchnier

Mitglied
Hallo Arthrys,

nach deinem Beitrag bin ich zwiegespalten. Zwar bin ich weiterhin der festen Überzeugung, dass Absätze dem Text einen Großteil des Gehetzten, fast Panischen nehmen, aber das Leseverhalten in solch einem Forum ist zugegebenermaßen anders als bei einem gedruckten Text.
In letzterem hätte ich weiter auf die Absätze verzichtet, aber hier habe ich sie jetzt doch eingebaut und ein Stück Wirkung der Lesbarkeit geopfert.
Muss mich wohl erst an die Eigenheiten dieses Mediums gewöhnen.

Grüße

HansSchnier
 
A

Arthrys

Gast
hm,

Hallo Hans,
es geht nicht darum, dass du deinen Schreibstil den Lesegewohnheiten dieses Forums anpasst.
Jeder, der deinen Text in diesem Forum liest, hat eine eigene, ganz persönliche Sichtweise der Dinge, die das Schreiben betreffen, entwickelt; oder er ist dabei, diese zu entwickeln.

Erfahrungen anderer, Ratschläge bekommen, darum geht es. EIniges davon kannst du für dich verwenden, anderes vielleicht nicht. Was du daraus machst, ist deine ganz persönliche Sache.
Ich empfehle dir unter "Theoretisches" den Artikel "Was ist Textarbeit" von Bernd incl. der Antworten von Michael Schmidt und Ralph Ronneberger zu lesen.
Lieben Gruß
Arthrys
 

HansSchnier

Mitglied
Hallo Arthrys,

ich wollte keinesfalls den Eindruck erwecken, ich sei Beratungsresistent - ich glaube, meine Antwort kam ein wenig so herüber.
Ich danke Dir erstmal für die intensive Auseinandersetzung mit dem Text - besonders da es mein erster in diesem Forum ist.

Deiner Aussage, es ginge nicht darum, die eigenen Texte den Lesegewohnheiten anzupassen, muss ich allerdings widersprechen. Natürlich möchte ich hier gelesen, bewertet und kommentiert werden - alleine deshlab werde ich versuchen, den Lesegewohnheiten dieses Forums (in einem gewissen Maß) entgegenzukommen - auch wenn ich dabei den Eindruck habe, ein Stück Wirkung aufzugeben. Wenn niemand den Text liest, habe ich von meiner intendierten Wirkung nämlich herzlich wenig. Ich wäge sozusagen das Kosten-Nutzen-Verhältnis (schreckliche Wort-Kombination im Zusammenhang mit Literatur) ab - und da war deine anfängliche Einschätzung besser als meine.

Grüße

Hans Schnier
 
P

Pete

Gast
Ähem, bei aller Liebe zu Absätzen und dergleichen: Ich hab da mal eine ganz andere Frage: Kann mir jemand erklären, worum es im obersten Text geht?

Ich stelle mich nicht dumm, möchte aber gerne wissen, was der Text beschreibt. Ist es eine Turmuhr, die um neun Uhr abends schlägt?

Oder ist das so ein gemeiner und hinterhältiger Text, der einfache Menschen wie mich total ratlos und entmutigt zurücklässt?

Grüßle
 

HansSchnier

Mitglied
Hallo Pete,

es fällt mir wahnsinnig schwer, auf deinen Kommentar zu antworten.
Ich habe kurz überlegt, dir meinen Text aus meiner Sicht zu interpretieren, habe diesen Plan aber sehr schnell verworfen, da ich mich dabei sehr komisch fühlte.
Würde ein anderer Forumsbesucher diese Ausgabe übernehmen, wäre das Ergebnis sehr viel produktiver.
Ein literarischer Text ist schließlich bereits eine Interpretation seines Autors, und zwar die Interpretation eines bestimmten Momentes, Gefühles oder anderen Werkes (Liste ließe sich noch beliebig fortsetzen). Und meine eigene Interpretation zu interpretieren, halte ich für problematisch.

Vielleicht hilft es dir aber, wenn ich ein paar Worte zur Entstehung des Textes sage.
Der Text ist das Ergebnis der Lektüre von Kafkas Erzählung "Ein Landarzt". Der letzte Satz lautet dort: "Einmal dem Fehlläuten der Nachtglocke gefolgt - es ist niemals gutzumachen".
Aus dem bedrückenden Gefühl heraus, das der Text in mir ausgelöst hat, hat der Satz eine gewisse Eigendynamik entwickelt, die schließtlich zu dem Text Fehlgeläutert geführt hat.
Es wäre also falsch, an den Text wie an eine Erzählung heranzugehen und ein striktes Handlungsschema suchen zu wollen. Da dieser Text mit Sprache spielt, eher andeutet als ausspricht und das Gefühl evozieren soll, das ich beim Lesen von "Der Landarzt" hatte, wäre eine Herangehensweise, wie sie in der Regel bei Lyrik Anwendung findet, in meinen Augen angebrachter.

Vielleicht konnte ich dir ja ein wenig helfen, und die Gefahr nachhaltiger Entmutigung bannen.
Ich würde mich natürlich freuen, die Interpretationen anderer Forumsbesucher zu lesen, die auch mir ein neues Verständnis des Textes ermöglichen.

Grüße

HansSchnier
 

flammarion

Foren-Redakteur
Teammitglied
also

ich halte das werk für höheren blödsinn, absolut geistreich und interessant. habe es nicht umsonst mit 8 bewertet.
lg
 

HansSchnier

Mitglied
Hallo Flammarion,

auch wenn ich persönlich den Blödsinn nur für einen Aspekt des Textes halte, freue ich mich über das Lob der Einschätzung.

Grüße

HansSchnier
 
S

Stoffel

Gast
Hallo,

hui..mir rast mein Herz. *lach*

Also, um eine Turmuhr gehts ja nicht. Liest man doch raus.
Finde, es bringt rüber, was von Dir gewollt.

Ich muss auch mal was aufschreiben, wenn ich im Wartesaal meiner Zahnärztin sitze.

lG
Sanne
 

HansSchnier

Mitglied
Hallo Stoffel,

danke für Deinen Kommentar. Aber ich verstehe den Schlussatz nicht ganz. Was hat das mit dem Zahnarzt-Wartesaal auf sich?

Grüße

HansSchnier
 



 
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