Feiern gehen

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J0J0

Mitglied
Auf dem Schild sitzt eine Krähe, unter ihr ein grünes H auf gelbem Kreis. Straßenlaternen scheinen, aber ihre Federn schlucken das Licht.
Darunter die Frau.
Ein Schritt, ein ausgestreckter Arm und ich könnte sie berühren. Bei dem Gedanken zittert mein Herzschlag. Über ihre Augen ragt eine Kapuze und weiße Haut spannt sich um das Kinn wie ein zu kurzes Bettlaken. Ich höre den Atem in ihrer Kehle und ein leises Zischen, als sie meinen Namen sagt.
Eis rieselt auf meinen Nacken.
Der Wind bläst Wellen in ihr Kleid. An den Rändern verschmilzt es mit der Nacht, als wäre sein Stoff daraus gemacht. Es verschluckt mich, ohne, dass ich will, wie das Bild von einem zerfetzten Gesicht nach einem Autounfall.
Jemand packt meine Schulter. Ich spüre wieder Kälte an der Nase und Schwindel im Kopf. Meine Zunge schmeckt nach faulem Zucker. Meine Freunde lachen, aber ich habe den Witz verpasst.
An meinen Händen klebt kalter Schweiß.
Zwei nimmt die Hand von meiner Schulter. Er ragt in die Höhe wie eine Stange Spargel. Seine Hände stecken in den Taschen seiner Jeans und sein Kopf zwischen den Schultern. Eine Böe treibt ihm die braunen Haare auseinander. Es ist kalt für September.
‚Alles gut?‘ Er grinst, als sähe er mich schon an den Bordstein kotzen.
Die Krähe fliegt weg und ich nicke.
Drei stößt Acht mit dem Ellbogen an und sie lachen. Sie kauern neben uns auf der Wartebank. In Wahrheit heißen sie anders, aber was geht dich das an?
Nicht, dass die Frau mithört.
Acht ist dick und klein. Seine Augen glänzen wie zwei Tropfen von purem Kaffee. Drei ist größer und kantiger. Auf seinen schwarzen Locken sitzt ein dunkelblauer Hut. Es hat schon schlimmere Zeiten gegeben, was seinen Stil angeht.
Der Bus rollt an und sein Motor stinkt und stottert wie ein Herzschlag.
Zwei entwertet unsere Tickets, während Drei, Acht und ich uns nach hinten schubsen. Mit einem Ruck fährt er los. Ich falle auf meinen Sitz und lache, als Zwei auf uns zu schwankt.
Wenn ich mich allein betrinke, lache ich nie.
‚Ich will schlafen‘, sage ich, als der Bus nach drei Stationen hält. Nicht ins Kalte und Dunkle, wo die Frau wartet wie eine Muräne auf der Jagd. Was ist sie, ein Traum?
‚Ich will nicht.‘
Zwei zeigt mir den Vogel und zieht mich hoch. Vor der Tür kippt meine Sicht und er fängt mich auf.
Gänsehaut überzieht meinen Nacken und den Rücken hinab.
Durch die Fenster der Bars flimmert buntes Licht auf den Gehweg. Menschen drängen uns entgegen, selbst um diese Uhrzeit. Sie schubsen mich im Vorbeigehen, aber wenigstens vertreibt die kühle Luft den Schwindel. Es riecht nach Abgasen und Zigaretten. Ich will eine rauchen, aber ich habe aufgehört.
Vielleicht fange ich heute wieder an.
Acht und Drei gehen voraus, auf der Suche nach einer Absteige. Sie lachen und schubsen sich gegenseitig. Ich starre bloß auf Dreis weißes Hemd, während der Weg zu einem Meer aus Lichtern schrumpft.
Ich will wirklich rauchen.
Zwei legt mir einen Arm um die Schultern und bringt meine Welt ins Schwanken. Danach stützen wir uns aneinander, aber zusammen haben wir noch weniger Gleichgewicht als allein.
Bis wir Acht und Drei wieder eingeholt haben, stehen sie vor einer Tür aus dunklem Holz mit hellen Kratzern. An der Klinke hängt ein laminiertes Blatt:
KELLERBAR IM 2 UG
‚Kellerbar.‘ Zwei grinst und Drei geht als erster rein. Rost bleibt an meinen Fingern kleben, als ich die Tür hinter mir zuziehe. Im Treppenhaus hängen Neonröhren und die Wände sind weiß getüncht.
Die Tür zur Bar ist aus Stahl.
Dahinter sehe ich einen Moment lang nichts. Es stinkt es nach altem Schweiß und feuchtem Stoff. Irgendwo spielt leise Musik. Etwas Licht kommt von weißen Lampen in schwarzen Schirmen. Zwei und ich sehen uns an.
Er streicht sich mit der Hand über den Mund.
‚Hab nichts dagegen, wenn wir wieder hochgehen‘ sage ich zu ihm. Ein paar Leute sitzen herum. Mit der Bar und den Tischen bleibt vom Raum nur ein schmaler Durchgang, der zu einem Torbogen führt. Hinter der Bar in einer Ecke, halb verschluckt vom Schatten, steht die Frau. Ich reibe mir den Nacken und ziehe Zwei zurück, da sitzt Drei schon vor einer Barkeeperin. Er lächelt sie an, aber ihr Gesicht bleibt starr. Mit der Haltung könnte sie bei der Bundeswehr antreten. Dabei ist sie sogar kleiner als Acht und die Haare fallen ihr hübsch ums Gesicht.
Ich fände sie süß, stünde die Frau nicht hinter ihr.
‚Vier Bier‘, sagt Drei. Während sie alles herrichtet, ist es an der Bar still. Acht, Zwei und ich tauschen Blicke, meiner huscht kurz zu der Frau.
Um sie herum bauschen sich die Schatten auf wie Wolken.
Die anderen Leute flüstern. Ich versuche, sie genauer zu erkennen, aber das Licht ist zu schlecht. Das Glas knallt vor mir aufs Holz. Ich zucke zurück und das Mädchen lächelt als hätte sie mich gerade beleidigt. Drei schüttet sie sogar auf die Finger, aber ich sehe es nur aus dem Augenwinkel. In meinem Glas schwimmt kirschfarbener Wein und sieht sehr teuer aus.
‚Ähm.‘ Zwei lacht. ‚Das haben wir nicht bestellt.‘
Das Mädchen streckt den Arm aus, mit der Handfläche nach oben. Acht schüttelt den Kopf und beugt sich vor. ‚Das haben wir nicht bestellt!‘
Sie verengt die Augen.
Nachgeben wird sie nicht und ich will weg von der Frau in der Ecke. Ich lege das Geld neben ihre Hand. Sie schürzt die Lippen, aber nimmt es und schiebt es in eine Schublade unter der Bar. Es gibt kein Wechselgeld, also muss der Wein wirklich teuer sein. Das Mädchen starrt wieder an uns vorbei, wartet auf den nächsten Befehl. Fehlt nur noch, dass sie salutiert.
‚Holen wir uns ‘nen Tisch‘, sage ich zu den anderen.
Zwei schaut darauf das Mädchen böse an, Acht schaut mich böse an und Drei drängt sich an mir vorbei durch den Torbogen.
Ich packe meinen Wein von der einen Hand in die andere, weil meine Fingerkuppen vor Kälte brennen und daran kleben. Hat sie das Zeug aus dem Gefrierschrank geholt?
Im hinteren Raum sitzen die Leute an jedem Tisch, aber es herrscht die gleiche Ruhe wie vorn.
Ich frage mich, ob wir den Leichenwagen vor der Tür übersehen haben. Die Lampen scheinen schwach und grau. Ich erkenne nicht mal die Farbe der Sessel. Schatten liegen über allem, selbst den Menschen. Ihr Murmeln klingt leise, wie ferner Regen.
Drei fragt zwei Frauen, ob wir uns dazusetzten dürfen.
Sie tragen Schwarz und halten denselben Wein, der mir die Finger verbrennt. Ihre Blicke kreuzen sich, dann nickt die eine. Die andere kämmt sich durch die dunklen Haare, etwas röter als die ihrer Freundin. Drei, Zwei und Acht schieben die Sessel zurück. Nur ich hole meinen vom Nachbartisch und die anderen rücken zusammen. Erleichtert stelle ich mein Glas ab und reibe meine Finger an den Armlehnen des Sessels.
Seine Polster sind kratzig und dunkelrot.
Die Frauen kichern. Über mich? Ich schiebe die Hände in die Jackentaschen und schaue durch den Raum.
Viele sitzen allein.
‚Und … seid ihr öfter da?‘, fragt Zwei.
‚Ja, schon.‘ Die Rothaarige legt den Kopf schräg und ihr Pullover rutscht von der Schulter. ‚Euch hab ich noch nie gesehen.‘
‚Wir waren noch nie da‘, sagt Zwei.
‚Nein?‘
Ich räuspere mich. ‚Wir sind nicht von hier.‘
Mehr werde ich heut Abend wahrscheinlich nicht mehr sagen. Sie kichern.
Zwei lächelt etwas unsicher, hebt sein Glas und sagt: ‚Also dann.‘
Der Wein streift meine Lippen, kalt und nass, als Zwei tief aus der Brust heraus hustet. Ich zögere. Er schüttelt sich und verzieht das Gesicht. ‚Hängt sich rein wie … wie Schleim.‘
Drei verzieht das Gesicht und fährt sich mit dem Ärmel über den Mund. Acht hält inne, sein Glas auf halbem Weg zum Mund. Die Frauen kichern.
‚Trink weiter‘, sagt die Rothaarige. ‚Der erste Schluck schmeckt immer scheiße. Nach dem dritten oder so geht’s.‘
Darauf nimmt Acht drei schnelle Schlucke. Er erntet Gelächter und Drei klopft ihm auf die Schulter. Ich schnuppere an meinem Glas. Es schmeckt nach künstlicher Erdbeere, zu süß und zu sauer; unpassend bei dem dunklen Rotton. Zwei grinst mich schief an und trinkt noch einmal. Diesmal hustet er nicht. Mein Magen verkrampft sich. Ich schiebe das Glas weg und denke an das viele Geld.
Drei erzählt irgendwas, aber ich höre nicht zu.
Bald wird die Musik lauter und mit ihr die Leute. Am Ende des Raums taucht eine Frau auf und singt, wie aus dem Nichts. Das Haar fällt ihr um die Schultern, als hätte sie sich ein Bettlaken über den Kopf geworfen. Nur die Lippen sind geschminkt, rot wie die Glasur von Zuckeräpfeln. Jemand klatscht und hört gleich wieder auf.
Bass vibriert durch Boden und Wände.
Tiefe Akkorde, Beat im Takt mit meinem Puls.
Die Stimmung schlägt um, ich spüre es auf der Haut wie Wind. Dann springen die beiden Frauen auf, zusammen mit den anderen um uns herum. Zwei zieht mich nach oben. Die Frauen wiegen sich wie Schlangen, die Augen geschlossen.
Acht schaut sie an wie hypnotisiert.
Ich blicke mich um und wippe mit den Knien. Zwei und Drei sehen beim Tanzen lässig aus, was mir nie gelingt. Der Tisch wackelt und der Wein schwappt in den Gläsern. Drei zeigt auf Acht und grinst. Ich lache zurück, aber es fühlt sich an, als zöge mir jemand die Backen hoch. Niemand beachtet mich und doch spüre ich Blicke auf dem Rücken.
Leute drängen in den Raum, stoßen gegen mein Kreuz. Hitze macht meinen Atem schwer. Der Gestank fällt wieder auf, alter Schweiß und nasser Stoff. Leichte schnelle Akkorde am Klavier. Das Lied wäre schön, wenn ich es woanders hören würde.
Ich drehe mich um, jemand beobachtet mich.
Da schimmert ein Augenpaar, wie ein Lichtreflex, aber das Gesicht liegt im Schatten. Ein Schlagzeug mischt sich zum Klavier und die die Sängerin legt Gewicht in ihre Stimme.
Ich ziehe die Schultern hoch.
Die beiden Frauen kreischen und lachen.
‚Sie ist so gut‘, sagt die Rothaarige und drückt ihre Freundin an sich. Acht schließt die Augen und lächelt, als wäre er entrückt. Niemals würde er sich so verhalten, nicht, wenn wir daneben stehen.
Alle sind auf Drogen, denke ich.
Und wann hört der Typ auf, mich so blöd anzustarren? Ich drehe mich um, reibe mir den Nacken. Ich will raus.
Zwei hält mir mein Glas hin.
Er sagt, dass es stimmt. Nach drei Schlucken beamt einen das Zeug weg.
Vielleicht spült es das nervöse Kribbeln aus meinem Kopf, das würde nicht zum ersten Mal funktionieren.
Ich nehme den Wein und überlege kurz, mir die Nase zuzuhalten. Zweis Glas klirrt gegen meines. Der Wein schwappt über und ein eisiger roter Film legt sich auf meine Haut. Ich stelle mir vor, wie es in meiner Kehle klebt.
‚Komm, weg damit.‘ Zwei trinkt.
Schrillendes Lachen, und immer mehr stimmen ein. Die Leute tanzen schneller, heftiger, stoßen in meine Seite. Ich stütze mich gegen die Tischkante. Immer noch mehr Menschen. Warum erst jetzt? Ist die Sängerin jemand besonderes?
Meine Brust schrumpft und das Herz schlägt dagegen, wie gegen eine verschlossene Tür.
‚Gehen wir heim‘, will ich sagen, aber ich schlucke das und die Angst hinunter, weil ich beides nicht brauchen kann.
‚Du denkst zu viel nach,‘ sagt Zwei immer wieder, und einmal hab ich gehört, wie Drei zu Acht ‚Häschen‘ geflüstert hat.
Trotzdem.
Merkt niemand was? Heiße, einengende Luft. Wir ersticken, wir verbrennen. Dieser Gestank. Zwei, Drei und Acht tauschen Blicke. Krank muss ich für sie aussehen, Kopf rot, Augen weit und ein Lächeln wie ein Zähnefletschen.
Aber spüren sie nichts?
Die Stimme der Sängerin trieft vor Gefühl, es klingt wie eine Parodie, und die Leute gehen darin auf. Jemand stößt gegen meinen Rücken. Ich werfe die Arme vor, gegen den Tisch, und der Schlag zieht vom Ballen bis ins Handgelenk.
Kaum Platz, um wieder aufzustehen.
Was, wenn Panik ausbricht? Käfigwände. Hier ist kein Platz, keine Luft. Als ich das Glas abstelle, rutscht es mir fast aus der Hand. Zwei grinst übers ganze Gesicht. Ich packe ihn an der Schulter und schreie ihm ins Ohr, dass ich aufs Klos gehe. Er nickt, aber wahrscheinlich hat er kein Wort verstanden. Beinah frage ich, ob er mitkommt, denn es fühlt sich an, als würde ich ihn zurücklassen.
Die Leute ragen über mir auf wie eine zappelnde Mauer. Kaum zu sagen, ob sie tanzen oder sich schlägern. Ich ziehe den Bauch ein und stemme mich zwischen ihnen hindurch. Schweiß auf meinem Rücken und Hitze an meinem Kopf.
Mir ist schlecht; der Gestank treibt mir die Galle hoch.
Schnauben und Ellbogen, während ich mich weiter schiebe. Wie viel Hass in ihren Blicken liegt. Als wäre ich nur da, um sie zu ärgern. Gehe ich zum Rand oder immer weiter in die Mitte? Wo bin ich? So tief im Meer, dass ich vergesse, wo oben ist. Ich friere und schwitze und würge und mir ist schwindelig.
Mein Herz pocht, pocht, pocht.
Jemand rammt mir den Ellenbogen in den Bauch. Ich krümme mich nach vorn. Er schubst mich noch einmal, diesmal gegen eine Wand.
Ich hole Luft, presse mich dagegen, ziehe mich hoch. Mit den Händen an der Mauer schiebe ich mich vorwärts und stöhne auf, als ich eine Türklinke ertaste. Mir ist egal, was dahinter ist, nur nicht noch mehr Menschen. Sie pressen mich gegen die Tür, dass es mich quetscht wie Teig unterm Nudelholz.
Meine Lippen sind taub.
Hinter der Tür liegt das Klo. Kalte, leere Luft schwingt mir entgegen. Das Licht blendet mich kurz, grell und gelb.
Mir ist schlecht.
Ich stolpere in eine Kabine und vergrabe den Kopf in den Armen, zusammengerollt wie ein Igel, nur ohne Stacheln auf dem Rücken. Natürlich nicht, ich bin ein Häschen.
Alles summt, mein Kopf, meine Ohren, mein Magen. Der Schwindel packt mich wie eine Wucht, ein Anfall, und trägt mich weg, trägt mich auf den Boden.
Ich presse meine Stirn gegen die Fließen und bleibe eine Weile so liegen.
In der Bar habe ich nicht bemerkt, wie betrunken ich noch bin. Vielleicht liegt alles daran. Was ist schon passiert? Nichts Schlimmes, nicht mal was Seltsames, wenn ich ehrlich bin. Zumindest nichts, worauf ich den Finger legen könnte.
Die Frau natürlich ausgenommen.
Dieser Abend sollte Spaß machen. Zwei und ich sehen uns immer seltener. Mit ihm habe ich mein erstes ganzes Bier getrunken, auf der Treppe vor dem Haus seiner Eltern. Wir waren vierzehn oder fünfzehn. Er hat damals schon die Tage gezählt, bis er weg konnte.
‚Eigentlich war es gar nicht so schlimm‘, sagt er jetzt, wo er ausgezogen ist, obwohl wir beide die Wahrheit kennen. Wir haben jede Woche darüber geredet, auf der Treppe, während auf dem Feld gegenüber die Grillen zirpten. Seine Freunde durften nie ins Haus, als wären wir dreckige Hunde.
Wenn ich die Treppe heute sehe, oder wenn ich die Grillen zirpen höre, kommt wieder das alte Gefühl hoch. Es ist ein Heimkehrgefühl, auch, wenn das Haus für Zwei keine Heimat war.
Ich sollte wieder rein und ihn suchen.
Ich stehe vor dem Spiegel. Mein Gesicht ist aufgequollen und rot gefleckt, die Augen viel zu groß, viel zu glasig. Ich stütze mich an das Waschbecken, schließe die Lider und zähle meinen Atem. Es surrt hinter meinen Schläfen.
Ich hasse Menschen.
Ich drücke eine Hand gegen meine Stirn. Sie ist heiß, als hätte ich Fieber, aber ich fühle ich mich gesund, nur etwas betrunken. Oder? Wie fühlt sich Fieber gleich wieder an? Ich muss an die wirklich frische Luft. Von da rufe ich Zwei oder Drei oder Acht an. Irgendeiner geht bestimmt ran. Ich sage, ich bin zum Rauchen raus und nicht mehr reingekommen. Häschen rennen weg, wenn es brenzlig wird. Ich wette, sie spüren Gefahr.
Ich stehe vor der Tür und wappne mich.
Meine Hand liegt am Knauf, glatt und rund unter meinen Fingern. Ich höre keine Musik mehr. Dabei hat sie vorhin den Boden zum Vibrieren gebracht. Wie ein Vollidiot presse ich mein Ohr gegen die Wand.
Ich höre es.
Ich stolpere zurück, als hätte die Klinke meine Hand verbrannt, drehe mich um. Keine Fenster im Raum, keine zweite Tür. Ich schüttele den Kopf, reibe mein Gesicht. Es kann nicht sein. Ich bin betrunken, ich bin ein Häschen. Es kann nicht sein. Aber ich höre ich es. Ich weiß nicht was; bin mir nicht sicher, wirklich nicht. Ich öffne die Tür, nur einen winzigen Spalt breit. Ein Lichtfaden fällt in das Schwarz dahinter. Mehr sehe ich nicht.
Muskeln, Atem, Herzschlag stehen still.
Der Gestank verstopft die Luft, Kupfergeschmack drängt auf meine Zunge. Ich höre es immer noch, aber es scheint weiter weg. Gewisper läuft die Wände entlang, als flüsterten die Schatten. Es ist ihr Kleid, das am Boden streift, schwärzer als die Nacht. Sie hört mich, sieht mich, sieht das Licht aus dem Spalt wie eine Leuchtspur zu mir. Eisregen im Nacken, Flüstern an der Wand, Kupfer am Gaumen. Die Dunkelheit atmet und in ihr tänzeln schwarze Schwaden wie aufgestellte Kobras.
Ich wünschte, ich wäre unsichtbar. Weder Häschen noch Fuchs, einfach unsichtbar. Ich wünsche mir einen Haufen Leute, der mich verschluckt. Aber in der Bar steht nur die Frau mitten in einem Schwarz, das atmet und zuckt. Es leckt durch den Türspalt, als taste es mit seiner Zunge. Ich will die Tür zuschlagen, aber bleibe still.
Hinter ihr ist Zwei und bei ihm sind die anderen. Mein Herzschlag flattert, so sehr will ich ihn alleine lassen und rennen.
Ich verstehen nicht, was hier passiert, was hier ist. Ich will bis zum Morgen warten, weil am Morgen immer alles besser wird.
Nur, dass es am Morgen keinen Zwei mehr gibt, weil sie nichts von ihm übrig lassen wird. Nicht, wenn ich ihn da drinnen lasse. Also schiebe ich mich durch den Spalt.
 



 
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