Feigenlob

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otto otter

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FEIGENLOB


Kommt er nach Sizilien, ist der mitteleuropäische Pflaumenliebhaber gut beraten, sich alsbald den einheimischen Feigen zuzuwenden. Connoisseur, wird er dabei bald erfahren, dass diese den bisherigen Objekten seiner Begierde weit überlegen sind. In ihren lauschigen Verstecken einmal augespürt und des bergenden Blattwerks entkleidet, erglänzen die reifen Exemplare in einem pontifikalen Violett. Müden Wanderern sei allerdings empfohlen, nicht wahllos Bäume zu besteigen, sondern sich in beschaulicher Gelassenheit unter diese zu legen und das Weitere abzuwarten. Als ich nämlich, in Selinunte war’s, unter einem Fikus lag, geschah es, dass eine Feige, leicht geöffnet rosig klaffend auf mich fiel. Weitere folgten, und eine nach der anderen verleibte ich mir ein wie sie gerade kamen.

Es war ein langer Nachmittag, kein Wind ging. Die Sonne schwamm in einem fahlen Himmel über gelben Hügeln, die Feigengöttin schickte schwere Träume, aber weiche Stühle brachten der Morgen und die kommenden Tage. Ein wahre Wohltat für sitzende Berufe und weit überlegen sind sizilianische Feigen den hyperboreischen Pflaumen!

Noch unreife Feigen kommen in Palermo auf den Markt, sind geschmacklich etwas herber, treiben dafür aber mehr und finden besonders bei leidenden Mafiosi Anklang.
 



 
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