lietzensee
Mitglied
Felix
Es war der Geruch, der ihn am meisten beschäftigte. Natürlich war das absurd. Aber plötzlich konnte er das Aroma des Hauses wieder riechen. Unter dem Dach roch es nach Feuchtigkeit und selten geheizten Zimmern. Es roch nach Laken in alten Schränken, vergessenen Aussteuern vergessener Tanten und Resten von Bratwürsten, die längst verstorbene Haustiere in Ecken versteckt hatten. So roch das Haus. So hatte es immer gerochen, aber in diesem Moment schien es Felix, als nähme er den Geruch zum ersten Mal wahr.
Er hatte seine Tasche gepackt. Er hatte tief Luft geholt. Dann knarrten die Treppenstufen unter seinen Füßen. Erst auf dem unteren Absatz sah er im Dämmerlicht, dass der Sessel im Erdgeschoss leer war. Die Großmutter musste sich in ihr Zimmer geschleppt haben. Er lauschte. Sie diskutierte mit den Fliegen, die sich auf den Spiegel ihrer Frisierkommode setzen wollten. Am Treppenabsatz mischten sich Medizinfläschchen in den Geruch des Hauses.
Sein Lehrer hatte Felix oft gelobt und ihn einen guten Schüler genannt, einen unerwartet guten Schüler. Leise hatte er manchmal auch Fragen gestellt, wie es bei Felix zu Hause lief. Darauf hatte Felix nicht geantwortet. Was bei ihm zuhause lief, konnte er nicht in ein ein paar Worte fassen.
Vom Flur aus blickte er links in das Nähzimmer und war überrascht, als die Mutter ihm plötzlich rechts aus der Küche entgegentrat. Sie wischte die Hände an ihrem Rock ab und sagte nichts. Die Mutter roch nach Rouladen. Je länger sie schwieg, desto ungewisser wurde, was sie schließlich sprechen würde.
Die Kellertür quietschte und der Bruder trat in den Flur. Seine dicken Finger pendelten in der Luft. Sie waren der Schrecken von Felixs Kindertagen gewesen, als der Altersunterschied von vier Jahren den Unterschied zwischen Allmacht und Hilflosigkeit bedeutet hatte. Auch der Bruder blickte stumm. In der Schule hatte er die Fragen des Unterrichts nie beantwortet und dem Lehrer einmal einen Kinnhaken versetzt, weil ihm die Fragerei zu viel geworden war. Was er seit seinem Schulabgang unten im Keller trieb, wusste niemand. Der Bruder sprach nicht darüber.
Mutter und Bruder eilten an ihm vorbei und plötzlich hinkte die Großmutter hinter ihnen her. Zu dritt standen sie vor der Eingangstür. Es war schon eine komische Familie. Das hatte auch der Lehrer gesagt und Felix die Kaufmannslehre in der Kreisstadt besorgt. Felix wollte weg. Jetzt atmete er noch einmal tief das Aroma des Hauses ein. Er hob die Tasche auf den Rücken und ging auf die Tür zu.
Der Bruder roch nach feuchtem Holz. Seine schwere Hand legte sich auf Felixs Schulter. Einmal klopfte er, dann noch mal. Dann nickte er Felix zu. Die Großmutter lächelte über irgendwas und scheuchte eine Fliege von Felixs Scheitel. Seine Mutter aber leckte sich die Lippen. "Felix bedeutet der Glückliche", stieß sie hervor. Das war sein Abschied. Felix staunte. Sie hatte ihn ja ausgewählt. Aber er hätte nie gedacht, dass Mutter die Bedeutung seines Namens kannte. Mit einem Ruck öffnete er die Tür und frischer Wind vermischte sich mit der Luft des Hauses. Ihn beschlich ein merkwürdiges Gefühl. Er schnupperte und es war natürlich absurd. Felix sagte nichts. Aber schon jetzt ergriff ihn das Heimweh.
Es war der Geruch, der ihn am meisten beschäftigte. Natürlich war das absurd. Aber plötzlich konnte er das Aroma des Hauses wieder riechen. Unter dem Dach roch es nach Feuchtigkeit und selten geheizten Zimmern. Es roch nach Laken in alten Schränken, vergessenen Aussteuern vergessener Tanten und Resten von Bratwürsten, die längst verstorbene Haustiere in Ecken versteckt hatten. So roch das Haus. So hatte es immer gerochen, aber in diesem Moment schien es Felix, als nähme er den Geruch zum ersten Mal wahr.
Er hatte seine Tasche gepackt. Er hatte tief Luft geholt. Dann knarrten die Treppenstufen unter seinen Füßen. Erst auf dem unteren Absatz sah er im Dämmerlicht, dass der Sessel im Erdgeschoss leer war. Die Großmutter musste sich in ihr Zimmer geschleppt haben. Er lauschte. Sie diskutierte mit den Fliegen, die sich auf den Spiegel ihrer Frisierkommode setzen wollten. Am Treppenabsatz mischten sich Medizinfläschchen in den Geruch des Hauses.
Sein Lehrer hatte Felix oft gelobt und ihn einen guten Schüler genannt, einen unerwartet guten Schüler. Leise hatte er manchmal auch Fragen gestellt, wie es bei Felix zu Hause lief. Darauf hatte Felix nicht geantwortet. Was bei ihm zuhause lief, konnte er nicht in ein ein paar Worte fassen.
Vom Flur aus blickte er links in das Nähzimmer und war überrascht, als die Mutter ihm plötzlich rechts aus der Küche entgegentrat. Sie wischte die Hände an ihrem Rock ab und sagte nichts. Die Mutter roch nach Rouladen. Je länger sie schwieg, desto ungewisser wurde, was sie schließlich sprechen würde.
Die Kellertür quietschte und der Bruder trat in den Flur. Seine dicken Finger pendelten in der Luft. Sie waren der Schrecken von Felixs Kindertagen gewesen, als der Altersunterschied von vier Jahren den Unterschied zwischen Allmacht und Hilflosigkeit bedeutet hatte. Auch der Bruder blickte stumm. In der Schule hatte er die Fragen des Unterrichts nie beantwortet und dem Lehrer einmal einen Kinnhaken versetzt, weil ihm die Fragerei zu viel geworden war. Was er seit seinem Schulabgang unten im Keller trieb, wusste niemand. Der Bruder sprach nicht darüber.
Mutter und Bruder eilten an ihm vorbei und plötzlich hinkte die Großmutter hinter ihnen her. Zu dritt standen sie vor der Eingangstür. Es war schon eine komische Familie. Das hatte auch der Lehrer gesagt und Felix die Kaufmannslehre in der Kreisstadt besorgt. Felix wollte weg. Jetzt atmete er noch einmal tief das Aroma des Hauses ein. Er hob die Tasche auf den Rücken und ging auf die Tür zu.
Der Bruder roch nach feuchtem Holz. Seine schwere Hand legte sich auf Felixs Schulter. Einmal klopfte er, dann noch mal. Dann nickte er Felix zu. Die Großmutter lächelte über irgendwas und scheuchte eine Fliege von Felixs Scheitel. Seine Mutter aber leckte sich die Lippen. "Felix bedeutet der Glückliche", stieß sie hervor. Das war sein Abschied. Felix staunte. Sie hatte ihn ja ausgewählt. Aber er hätte nie gedacht, dass Mutter die Bedeutung seines Namens kannte. Mit einem Ruck öffnete er die Tür und frischer Wind vermischte sich mit der Luft des Hauses. Ihn beschlich ein merkwürdiges Gefühl. Er schnupperte und es war natürlich absurd. Felix sagte nichts. Aber schon jetzt ergriff ihn das Heimweh.