Ferdinand besucht Pascal in der Hölle

Bernd

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für MondNein

Ferdinand, von einem Wunsch beseelt,
nimmt sich Stock und Hut und geht drauf los,
hofft, dass er den Bösen nicht verfehlt,
und betritt der Erde Höllenschoß.

Ja, der Satan lässt ihn gerne ein,
fragt, wie er ihm eben helfen könne,
"Bring mich einfach zu Pascal hinein,
will ihn fragen, wie er wohl gewönne."

Satan führt ihn alsbald zu Pascal.
Jener jammert, der im Kessel sitzt
und in unserm ausgewählten Fall
heftig in der Höllenhitze schwitzt.

"Sage, was war falsch an deiner Wette?
Glaubtest du etwa nicht mehr an Gott?"
"Doch! - Doch besser wäre es, ich hätte
nicht, das schützte mich vor diesem Pott.

Unser Herr verachtet jenes Spiel,
das ich spielte, und er überließ
mich der Hölle, Satan kam zum Ziel,
und er drehte mich alsbald am Spieß,

kochte mich Äonen lang im Sud,
würzte mich mit Pfeffer, richtig scharf.
Hier herrscht wahrlich eine Höllenglut,
rührt und rührt die Suppe nach Bedarf."

Ferdinand bedankt sich alsobald
bei Pascal, doch auch beim Satan sehr.
Und er sagt: "Ich möchte auch hierher.
Wetten wir? Was gilt's? Mir ist so kalt!"


Aus dem Buch Ferdinand.
 

lapismont

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Also hat Gott Pascal wegen seiner Gedanken bestraft.
Seine Idee, bei Nichtglauben ohne Strafe davongekommen zu werden steht im Widerspruch zur Situation, da die Existenz seiner Strafe ja auch Gott beweist.

Hinzu kommt, dass Pascal bei seiner Wette bereits jede Menge Glaubensanteile vorraussetzte, etwa das Lohnenswerte der himmlischen Belohnung und, wie Ferdinand andeutet, auch das üble an der Hölle.

Außerdem ist Ferdinand gerade in der Hölle. Wozu bedarf es da noch der Wette? Entweder Gott existiert oder Ferdinand glaubt. Oder halt beides.
 

Bernd

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Keine der Fragen wird in dem Gedicht beantwortet.
Bei der Wette ging es ja nicht darum, ob Gott existiert, sondern ob es im Zweifel nützlich ist, an ihn zu glauben.
Diese Frage aber hat auch das Gedicht nicht beantwortet.
Es kann durchaus nützlicher sein, in der Hölle zu schmoren, als Nektar und Ambrosia zu trinken.

Welche Wette aber Ferdinand abschließen möchte, ist irrelevant, da Gott das Wetten an sich bestraft hat.
(Oder auch belohnt)
Der Inhalt der Wette spielte keine Rolle.
Mir fällt soeben auf, dass das auch bei Faust so ist.
Die eigentliche Wette ist die zwischen Gott und Satan.
 
G

Gelöschtes Mitglied 15780

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Bin köstlich amüsiert.

Was mich an Pascal immer gestört hat, war seine Gottesvorstellung, die belohnende und natürlich auch bestrafende Person, der alte Herrschergott. Seit etwa 45 Jahren bin ich ganz raus aus dieser Art von - wie nennt Houllebecq das, den ermordeten Filmer Van Gogh zitierend? - "Unterwerfung" unter einen verborgenen ("deus absconditus") omnipotenten Macht-Mann. So ein Wesen wäre nicht "das höchste Wesen, über dem kein höheres gedacht werden könnte" bzw. das "nicht wegdenkbare Wesen" (Anselm). Viel zu kontingent. Dazu paßt ja auch die Wette: Sie mag eine Win-win-Situation bieten, aber das gedoppelte Win entspricht zwei gleichmöglichen Denkbarkeiten: Er existiert und belohnt mich für meinen Glauben, oder er existiert nicht und ich gewinne die Wärme der Selbstäuschung. Aber das ist ein kontingenter (d.h. wegdenkbarer) Gott, nicht der "nicht wegdenkbare" des Anselm, des Boethius, des Proklos oder des platonischen Sonnengleichnisses (ja, darüber mag man sich streiten) - aber jedenfalls ist der Pascalsche daimonotatos (Super-Dämon) ein kontingenter absolutistischer König, ein vorrevolutionärer Spießer. Es gibt erhabenere Vorstellungen und Gedanken, liebevollere, schönere und weisere.

Andererseits liebe ich Pascals Aphorismus Nr. 72 über die "beiden Unendlichkeiten" in den Pensées. Den lese ich immer in meinen Philosophie-Kursen, wenn ich Kants Antinomien (1. und 2.) durchnehme. Das ist schon ein wunderbares Gedankenpaar.

"Nicht wegdenkbar" sind seit Kants "Kritik der reinen Vernunft" übrigens auch der Raum, die Zeit (als ewiges "Jetzt", aus dem man nicht herausfallen kann) und das "ich denke" (die "ursprüngliche Einheit der Apperzeption").
 

Bernd

Foren-Redakteur
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"Nicht wegdenkbar" sind seit Kants "Kritik der reinen Vernunft" übrigens auch der Raum, die Zeit (als ewiges "Jetzt", aus dem man nicht herausfallen kann) und das "ich denke" (die "ursprüngliche Einheit der Apperzeption").
Das ist in gewisser Weise wahr. "Ich denke" ist nicht wegdenkbar. Jedoch ist es überlagerbar und verschwimmt.
Hierfür ein Beweis ist der Zustand des "nichtmehrdenkens" (zum Beispiel im Halbschlaf oder bei Krankheiten, oder im Rausch.)
Es ist nicht wegdenkbar, aber wegtrinkbar.

Raum und Zeit sind nicht einzeln und nicht ohne Inhalt denkbar.
Das scheint selbst in mathematischen Räumen so zu sein.

Gott würfelt nicht.
Hawking erwiderte:
Doch, aber der Würfel fällt vom Tisch, sodass niemand das Resultat sehen kann.

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Gott ist dem Spiel also nicht völlig abhold.

Immer, wenn Gott Einfluss auf einen Menschen nimmt, gibt er ein Bild von sich.

Satan - ist Satan Teil von Gott oder Gegenteil?
Das spielt keine so große Rolle, wie man anzunehmen meint.

Die Hölle ist Teil des Himmels und der Himmel Teil der Hölle.

Wie man die Temperaturen aber bewerten kann? Sie haben wohl andere Bedeutung.

In der DDR wussten wir immerhin noch: Der Kessel wurde auf der Leipziger Messe verkauft.
 

lapismont

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Bei der Wette ging es ja nicht darum, ob Gott existiert, sondern ob es im Zweifel nützlich ist, an ihn zu glauben.
nur was macht er, wie in Deinen Gedicht, wenn es gar keinen Zweifel gibt?
Und darum geht es in Deinem Gedicht. Dass Ferdinand in der Hölle ist, beweist Gott.
 

Bernd

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Und der Irrtum ist, dass man von der Wette profitiert (im Sinne: Gott belohnt.) Das war ja die Voraussetzung.

Nach Wikipedia ging es so:

https://de.wikipedia.org/wiki/Pascalsche_Wette
Pascals Argument lautet, dass eine Analyse der Optionen hinsichtlich des Glaubens an Gott zu folgenden Resultaten führt:
Man glaubt an Gott, und Gott existiert – in diesem Fall wird man belohnt (Himmel – Man hat gewonnen).
Man glaubt an Gott, und Gott existiert nicht – in diesem Fall gewinnt man nichts (verliert aber auch nichts).
Man glaubt nicht an Gott, und Gott existiert nicht – in diesem Fall gewinnt man ebenfalls nichts (verliert aber auch nichts).
Man glaubt nicht an Gott, und Gott existiert – in diesem Fall wird man bestraft (Hölle – Man hat verloren).
Aus dieser Analyse der Möglichkeiten folgerte Pascal, dass es besser sei, bedingungslos an Gott zu glauben.
Nun habe ich in meinem Gedicht die Annahme ad absurdum geführt, dass es besser sei, bedingungslos an Gott zu glauben.

Das wird schon durch sich selbst negiert, durch diese Analyse stellt man ja bereits Bedingungen.

Wenn Gott existiert, kann er reagieren oder es lassen. Wenn er reagiert, kann er den Deliquenten in die Hölle schicken. Das wird er schon wegen der Schlussfolgerungen tun. Sobald man solche Überlegungen anstellt, kann man verloren haben, wenn Gott existiert, weil er einen dafür bestrafen kann, dass man ihn optional in Frage stellt und aus ihm Nutzen ziehen möchte.
 

Patrick Schuler

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Hallo Bernd
Da hast du ja einen sehr interessanten Text geschrieben, der mich wieder einmal dazu gebracht hat über Pascal nachzudenken.
Zur Pascalschen Wette lässt sich viel sagen, vor allem dass er die Möglichkeit eines unverstellbaren Gottes der aus allerlei gründen strafen oder belohnen kann vergessen hat.
Pascal ist eine unglaublich fesselnde Person, zum einen das Genie, zum anderen der dogmatische Gottesglauben bei dem man nie weiß ob man lachen oder weinen soll.
Auf jeden Fall ein sehr schöner Text!
Gruß Patrick
 

lapismont

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Nun habe ich in meinem Gedicht die Annahme ad absurdum geführt, dass es besser sei, bedingungslos an Gott zu glauben.

Das wird schon durch sich selbst negiert, durch diese Analyse stellt man ja bereits Bedingungen.
Nur dass in Deinen Gedicht der Beweis bereits getroffen wurde, dass Gott existiert. Die Grundlage der wette entfällt.
Pascal wollte ja anderen sagen: Hey, glaubt besser an Gott, die Alternativen sind mindestens nicht besser.

Da Ferdinand in der Hölle ist, bringt wetten nix mehr. Er weiß, dass Gott existiert und sein Glaube manifest.

Letztlich glaubt jeder, der sich auf die Wette einlässt, da er die Rahmenbedingungen bereits akzeptiert.
 

lapismont

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Okay, für mich ist das identisch. Dann glaubt er eben nur an den bösen Teil. Ändert das etwas an der Unsinnigkeit der Wette für ihn?
Nein.
Er kommt dahin zurück, wo er hin will.

Außerdem gibt Pascal ja direkt an, von Gott bestraft zu werden und es ist meiner Meinung nach klar, dass Ferdinand mit Gott wetten will. Ihn spricht er direkt an.

Weiß nicht, mir kommt das immer noch krude vor.
 

Bernd

Foren-Redakteur
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Natürlich sind Wetten unsinnig.
Dafür wurde Pascal in dem Gedicht ja bestraft.

Die Frage nach dem Glauben selbst spielt hier aber keine Rolle.

Sie können glauben, oder sie tun es nicht.

Die Hölle ist wie Platons Höhle.
 

lapismont

Foren-Redakteur
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Sorry Bernd,

Du thematisierst in Deinem Text Pascals Wette. Dafür steckst Du ihn in die Hölle zu Satan und lässt ihn von Ferdinand dort besuchen.

Wo bitte hat das nichts mit Glauben zu tun?

Hölle und Satan sind abrahamitsch, Pascal war eingefleischter Christ.

Ohne christlichen Glauben gibts auch keine Wette.
Oder ging Pascal etwa davon aus, dass auch die Reinkarnation als Silberfisch auf die Gewinnseite gehört?
 

Bernd

Foren-Redakteur
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Pascal glaubt an Gott.
Pascal hat hier eine Wette formuliert, bei der die Existenz Gottes keine Rolle spielt.
Das ist das eigentliche Wesen seiner Wette.
Er stellt die Hypothese auf, dass es sich lohnt, an Gott zu glauben.
In seinem eigenen Sinne wird er dann enttäuscht, denn obwohl er an Gott glaubt, wird er nicht belohnt.

Ferdinand ist Atheist, glaubt nicht an Gott.

Als er das Ergebnis der Wette sieht, sieht er, dass die Wette nichts bringt, sondern grundlegende Fehler enthält.

Ob er an Gott glaubt oder nicht, er wiederholt die Wette.
Was den Satan betrifft: Man kann auch hier nicht sicher sein.
Ist der, der sich als Satan ausgibt, Gott? Der Pascal belehren will?
Oder ein trickreicher Schauspieler?
Sicher sein kann man nicht.
Und so kann er die Wette, wider besseres Wissen, wiederholen.

Und da ist dann auch noch Gettier. Er zeigte, das Wissen mehr ist, als wahre und gerechtfertigte Meinung. Man kann nie sicher sein. https://de.wikipedia.org/wiki/Gettier-Problem

Ferdinand kann die Meinung haben, dass Gott existiert, die Meinung kann gerechtfertigt sein und Gott kann existieren, trotzdem weiß Ferdinand es nicht wirklich. Der Teufel baut immer ein Schlupfloch ein.

Ferdinand spottet jedenfalls im letzten Vers, dem (zumindest scheinbaren) Satan eine Wette anbietend.

PS: Zur Illustration:
Ich biete eine Wette an, dass die Erde keine Kugel ist.
Ich biete auch eine Wette an, das Butterbrot vielleicht am Anfang, später aber nie wieder mit der Butterseite nach unten fällt, wenn man den Versuch genügend oft wiederholt.
 

Bernd

Foren-Redakteur
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PS:
Hallo, Lapismont, mit einem hast Du natürlich recht, logisch handelt Ferdinand hier nicht.
 
G

Gelöschtes Mitglied 15780

Gast
feu feu feu

"Feuer Feuer Feuer!
Gott Abrahams und Isaaks und Israels -
Nicht Gott der Philosophen-Professoren!"

Das war ihm teuer
Seelensteuer ...

"Was meinst du da? Erzähls, erzähls!
Hat er die Wette um sein Heil verloren
und landete im Feuer Feuer Feuer?
Mir glühn vor Neugier schon die Ohren."

Er trug den Spruch auf seiner Brust
Ich glaub - in seine Jacke eingenäht
Bekenntnis Credo Schmerzenslust
sein Masochismus-Submissions-Pamphlet

Er war schon ziemlich abgedreht
 



 
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