Ferien auf Syltkrokan

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fion

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Gestatten, mein Name ist Wilhelm. Ich bin Anfang Sechzig. Ich habe mir ein Ferienhaus gemietet, direkt am Strand im Süden von Sylt. Zwar ist der Himmel auch heute Morgen verhangen, doch als die Ebbe einsetzt, breche ich auf zu einer Wattwanderung.

Ich gehe nicht dem Wasser hinterher, sondern parallel zum Land. In dem frischen zu Strand gewordenen Meeresgrund sackt man schell bis zu den Waden ein. Das Einzige was dagegen hilft ist nicht stehen zu bleiben.
Das Wasser zieht weg von Sylt. Steuerbord zeigt sich immer mehr Sand und eine Gruppe Robben, die sich anscheinend Trockenfallen lassen.
Auf gleicher Höhe mit den Tieren, ziehe ich wegen der Muschelbank meine Clogs an. Auf dem Untergrund hier sackt man zwar nicht ein, aber die scharfen Kanten der Muscheln sind nichts für nackte Füße.
Auch die Bank die dort steht geht nicht unter. Sie ist ein gemütlicher Zweisitzer, ganz aus Muscheln, mit einer komfortablen Rückenlehne und Sitzpolstern aus Blasentang. Ich schätze, während der Flut steht sie drei Meter unter Wasser. Ich mache es mir darauf gemütlich und beobachte die Tiere aus sicherer Entfernung. Schließlich sind Robben Raubtiere mit entsprechendem Gebiss.
Sie scheinen zu spielen. Immer wieder werfen sie sich etwas zu. Der Gegenstand hat Ähnlichkeit mit einer Keule. Sie balancieren es auf ihren Nasen. So werfen sie es auch zum Nächten. Manchmal schnappt einer mit dem Maul danach, dann höre ich ein Klirren. Ist es aus Glas?
Ich bin weit genug von ihnen entfernt, so dass die sich Tiere nicht von mir gestört fühlen dürften, obwohl … ab und an schaut einer zu mir hinüber.
Wenn ihr Spielzeug auf dem Boden liegt herrscht dichtes Gedränge. Gerade noch ist zu erkennen, wie sie mit ihren Flossen daran arbeiten. Bald darauf ist die gläserne Keule wieder in der Luft und hüpft von Nase zu Nase.
So machen sie eine Zeit lang weiter.
Auf einmal stecken sie ihre Köpfe zusammen, ganz so wie bei einem Gespräch. Gelegentlich hebt sich ein Kopf aus der Gruppe und schaut zu mir rüber.
Habe ich sie doch in ihrem Spiel gestört?
Verdammt ...und dann robben sie alle auf mich zu.
Ich sehe, dass einer den Gegenstand im Maul trägt.
Ich bin mir nicht sicher was ich tun soll, sicherheitshalber setze ich mich auf die Rückenlehne. Falls sie mir zu nahe kommen, will ich so schnell über die Bank und zur Insel laufen. Hoffe dann schneller zu sein als sie.
Fünf Meter vor mir halten sie an.
Jetzt kann ich ihr Spielzeug deutlich erkennen. Es ist eine Flasche!
Der, der sie quer im Maul trägt, loopt diese elegant in die Höhe, fängt sie mit der Nase auf, balanciert sie mit dieser besonderen Hals-Technik aus. Dann gibt er ihr einen Schubs, ...und die Flasche landet aufrecht stehend genau zwischen uns.
Durch das Spielen ist das Glas blank poliert und ich erkenne einen Zettel darin.

Ich sitze auf der Lehne und starre die Robben an, dann die Flasche, und wieder die Robben.
Was soll ich tun? Nur nicht bewegen, rate ich mir! Mein Atem pumpt hingebungsvoll Sauerstoff in meine Lungen, für die eventuelle Flucht.
„Nu krich dich ein, Alter! Has` ein Korkenzieher bei? Jetz komm ma da runter, un mach dich nützlich!“
Ja gibt es denn so etwas? Der mit dem gesprenkelten Fell rüpelt mich an? Ich bin nicht erstaunt das sie sprechen, sonder empört darüber wie sie es tun und sage: „Nicht in dem Ton, Freundchen!“ Atme noch hastiger, weil ich mir augenblicklich sicher bin, dass diese Antwort ganz unklug von mir gewählt ist.
„Jo, nu mog ma die Backen dicht, un hör auf zu sabbeln“, sagt die Robbe Namens -Unten Helles Fell Oben Grau- darauf zu mir.
Ich setze mich wieder eine Etage tiefer, muss mich dringend anlehnen. Atme tief ein um mich zu beruhigen, nutzt nur nicht.
-Ziemlich Dunkles Fell Oben Und Unten- trippelt mit ihrer Flosse auf den Sand, genau so wie es Menschen tun wenn sie ungeduldig sind. „Nu?“
...Was wollten sie noch mal von mir?
Ohne meinen ängstlichen Blick von ihnen abzuwenden, greife ich in meine Umhängtasche, klopfe auch Jacke und Hose ab, suche nach dem Geforderten. Erfolglos kann ich nur vermelden: „Nein, habe leider keinen Korkenzieher dabei.“
Was wird mich jetzt erwarten? Schließlich sind es Raubtiere. Ihre Zähne sehe ich nah und deutlich vor mir. Ich hätte einfach netter zu ihm sein müssen. Und was spricht denn dagegen, sich am Morgen einen Korkenzieher in die Tasche zu stecken? Kann mir nur schwer vorstellen, dass sie zwei so grobe Schnitzer verzeihen. Diese Gedanken rattern durch meinen Kopf. Mir ist ganz dringlich nach...
Die Flosse, die bis jetzt noch trippelte, klatscht mit einem Mal flach auf den Boden. „Wat denn?“
... „Köm!“ ,antworte ich der ganzen Welt.
Ja! Nach dieser Äußerung von mir, geht die Sonne in den Gesichtern der Robben auf und es kommt Bewegung in die Gruppe.
„Jau, so mog wi dat!“ –Gesprenkelt- schnappt sich die Buddel.
Eine, im höchsten Maße agile und froh gestimmte, Woge aus Robben kommt auf mich zu. Flossen und Nasen schubsen mich von der Bank.
So schnell wird die Welt wieder zu einem schönen Ort. „Mir nach“, rufe ich und führe die Robben zu meinem Ferienhaus.

Wenig später im Garten vor dem Häuschen.
Die Robben liegen auf der Wiese, im Liegestuhl, einer hängt auf meiner Hollywoodschaukel ab.
Ich hole aus der Küche Gläser, eine Flasche Köm und einen Korkenzieher.
Kaum zwanzig Minuten später. Der Köm kreist, und irgendetwas in mir. Ich bin betüddelt.
Die Robben sind bester Laune. Ihre dunklen Kulleraugen n büsschen glasig, ansonsten nüchtern, ...liegt wohl an ihrem Speck.
Endlich soll ich die Flasche öffnen. Den Rest machen die Anderen.
Mit einer langen Kralle zieht -Hell Grau- den Zettel raus. -Ganz Dunkel Oben Und Unten- streicht den Brief glatt. -Zart Gesprenkelt- räuspert sich und ließt dann vor. Wir Anderen hören aufmerksam zu.

... Moin!
Ich heiße Thorge und bin in wenigen Tagen vier Jahre alt.
Zurzeit mache ich mit meinen Eltern Urlaub in Cuxhaven.
Wer diese Flaschenpost findet, meldet sich bitte bei mir! …

.„Oh wie süet!“ Und das aus dem Maul von –Gesprenkelt-. Raue Schale, Butterfisch weicher Kern.
Danach wird der Brief von Flosse zu Flosse und zu einem Paar Hände gereicht. Jeder gibt seinen Kommentar dazu.
„Un do hat Thorge unterschrieben.“
„Kiek mol, wie krakelig.“
„Jau, mit seinem Papa un Mama is er in Ferien.“
„Dat geit mir bannich ans Herz.“
„In meiner Jugend habe ich auch mal eine Flaschepost in den Rhein geworfen.“
„Jo? Hier hätten die Nixen aber weiter liefern könn!“
„Genau! Die haben den Jung doch gesehn. Mann, wär sin Freud grot wärn, ein Brief aus Skandinovien.“
„Ik denk, Neptun sollt mo mit den Nixen spreken.“
„No dann, nix wie hin tu Neptun!“
„Och, nich hudeln. Einen geit noch!“
Ich schenke noch eine Runde aus.
...Und vielleicht noch eine.

Gleich danach brechen sie auf.
Die Flut erwartet sie schon wieder ganz nah am Strand.
War wohl noch eine Runde mehr?
Die Kömflasche ist ja auch leer. Das bringt mich auf einen Gedanken.

Jetzt sitze ich auf der Hollywoodschaukel. Zwar sehe ich, dass mein Sitzmöbel sich nicht bewegt, dennoch empfinde ich ein stetes auf und ab. Vielleicht auch ein hin und her? Was sich nicht gerade förderlich auf meine Schrift auf dem Papier auswirkt. Dermaßen berauscht schreibe ich jetzt die Füllung für eine Flaschenpost. So ein Erlebnis muss aufgeschrieben werden! Nach der Fertigstellung lese ich meinen Text durch. Selbst für mich ist es nicht einfach meiner Handschrift Folge zu leisten. Der leichte Konsum alkoholhaltiger Getränke bewirkt, dass meine Handschrift der des kleinen Thorge ähnelt. Auch lässt er das Zusammenrollen und Hineinstecken in die Flasche zu einer verzwickten Angelegenheit werden. Ganz abgesehen von dem Verkorken.
Ich wanke zum Strand. Wegen des schlechten Wetters ist der frühe Abend schon n büsschen düster, oder das Schreiben dauerte länger als beabsichtigt. Im hohen Bogen schleudere ich die Flasche weit aufs Meer hinaus. Dabei rufe ich heiter und eventuell etwas zu laut dem Brief hinterher: „Jez gibs was sutun für euch!“
Und ich meine gesehen zu haben, dass kurz danach zwei blonde Köpfe aus dem Meer aufgetaucht sind!

Am Morgen danach, als die verstreut liegenden Gläser eingesammelt sind, ich die leere Flasche nicht finden konnte und endlich die Tabletten wirkten.
Oh nein, … ich habe doch hoffentlich nicht auch meine Adresse da aufgeschrieben?
Na wenn schon?
Wo auch immer der Brief Anlandet, wer ihn liest wird ob der Schrift hoffentlich denken: Was für eine Phantasie der Kleine hat ... sprechende Robben, Postnixen...
 

Val Sidal

Mitglied
fion,

einige Bemerkungen zur Umsetzung der Idee:

Habe nicht erkennen können, warum der erste Satz kommen muss:
Gestatten, mein Name ist Wilhelm.
Sowas wie "Nennt mich einfach Wilhelm.", das hätte natürlich was, als Anspielung auf Moby Dick - aber dann müsste vielleicht ein Roman folgen.

Oder einfach ohne:
Mein Ferienhaus liegt direkt am Strand im Süden von Sylt. Zwar ist der Himmel auch heute Morgen verhangen, doch als die Ebbe einsetzt, breche ich auf zu einer Wattwanderung.
wäre der Einstieg geschmeidiger.

Ich gehe nicht dem Wasser hinterher[strike][blue], sondern parallel zum Land[/strike][/blue]. In dem frischen zu Strand gewordenen Meeresgrund sackt man schell bis zu den Waden ein. Das Einzige was dagegen hilft ist nicht stehen zu bleiben.
Auch die Bank die dort steht geht nicht unter. ...
Hier verwandelt sich die "Muschelbank" zu einer "Bank aus Muscheln", d.i. hier findet der Übergang vom Realen in die Phantasie statt. Das sollte mit einem Absatz eingeleitet werden.
"Ich schätze" streichen - hier wird nicht mehr geschätzt.

"Schließlich sind Robben Raubtiere mit entsprechendem Gebiss."
Wir nähern uns mental den Wundertieren; zeig uns das Gebiss, denn es ist eben nicht "entsprechend".
Sie scheinen zu spielen.
Scheinen sie zu spielen, oder spielen sie?
Ich bin weit genug von ihnen entfernt, so dass die sich Tiere nicht von mir gestört fühlen dürften, obwohl … ab und an schaut einer zu mir hinüber.
Die Tiere fühlen sich ganz offensichtlich nicht gestört. Hier würde besser sowas passen, wie: "ich will sie nicht stören, doch..."
So machen sie eine Zeit lang weiter.
Ein Verlegenheitssatz - hier könntest du die Fantasy-Atmosphäre weiter aufladen und das Vergehen der Zeit erleben lassen.
Auf einmal stecken sie ihre Köpfe zusammen, ganz so wie bei einem Gespräch.
Kommischerweise hatte ich ein anderes Bild im Kopf: nicht "wie bei einem Gespräch", sondern eher wie eine verschworene Gemeinschaft, ein Basketball-Team oder so...
Was soll ich tun? Nur nicht bewegen[strike][blue], rate ich mir[/blue][/strike]! Mein Atem pumpt hingebungsvoll Sauerstoff in meine Lungen, für die eventuelle Flucht.
"rate ich mir" stört - würde streichen.
„Nu krich dich ein, Alter! Has` ein Korkenzieher bei? Jetz komm ma da runter, un mach dich nützlich!“
Ja gibt es denn so etwas? Der mit dem gesprenkelten Fell rüpelt mich an? Ich bin nicht erstaunt das sie sprechen, sonder empört darüber wie sie es tun und sage: „Nicht in dem Ton, Freundchen!“ Atme noch hastiger, weil ich mir augenblicklich sicher bin, dass diese Antwort ganz unklug von mir gewählt ist.
„Jo, nu mog ma die Backen dicht, un hör auf zu sabbeln“, sagt die Robbe Namens -Unten Helles Fell Oben Grau- darauf zu mir.
Um die Begegnung noch direkter zu vemitteln, würde ich umstellen, etwa so:
[blue]
Der mit dem gesprenkelten Fell rüpelt mich an: „Nu krich dich ein, Alter! Has` ein Korkenzieher bei? Jetz komm ma da runter, un mach dich nützlich!“
Ich bin nicht erstaunt das sie sprechen, sonder empört darüber wie sie es tun und sage: „Nicht in dem Ton, Freundchen!“ Atme noch hastiger, weil ich mir augenblicklich sicher bin, dass diese Antwort ganz unklug von mir gewählt ist.
[/blue]
„Jo, nu mog ma die Backen dicht, un hör auf zu sabbeln“, sagt die Robbe Namens -Unten Helles Fell Oben Grau- darauf zu mir."
Nicht nur einfach: "sagt die Robbe..." - lass mich sie hören, sehen…

So...
In diesem Stil würde ich die Textarbeit fortsetzen, falls du Interesse hast.
Lass es mich bitte wissen.
 



 
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