Feuer

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Luis Vänster

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Der Himmel glühte rot und orange, dort wo kurz zuvor noch die blendende Sonne über den rauschenden Wellen gestanden hatte.
Das Wasser schwappte säuselnd an den Sandstrand, der von Muscheln verschiedenster Größe bedeckt wurde. Das Windspiel klimperte im aufkommenden Wind, der Schirm flatterte.
Ich zog meine Strickjacke enger um die Schultern, strich mir die Haare aus dem Gesicht. Ich sah wieder an den Horizont, auf die bunten, kitschigen aber echten Farben. Sobald die Sonne weg war, lag alles im Schatten und es wurde kalt.
Ich zog die Beine an die Brust, vergrub die nackten Zehen in den Ritzen des dunkelroten Sofas. Ich hatte es aus der alten Wohnung meines Onkels mitgenommen und auf die Veranda des Strandhäuschens gestellt. Das Leder war von der Sonne noch aufgewärmt und die Lehne schmiegte sich schützend an meinen Rücken. Ich wusste, ich sollte aufstehen und ins Bett gehen um am nächsten Tag nicht ganz so verschlafen zu sein. Ich wusste, ich sollte mich wenigstens anders hinlegen, denn meine Füße waren schon eingeschlafen und kribbelten.
Aber ich war zu träge. Ich wollte mich nicht bewegen. Wollte nur das Meer beobachten. Im Stillen liegen. Die Wange an das klebrige Leder legen. Ruhig die salzige Luft einatmen. Dem Tag beim Verschwinden, der Nacht beim Eintreffen zusehen. Ich schloss die Augen und sog die Luft ein.
Ich hielt inne, öffnete die Augen, setzte mich ruckartig auf und sah mich um. Es roch nach Feuer. Ich stand nun doch auf, trat an das Geländer der Terrasse und blickte den dämmrigen Strand hinunter und hinauf. Ein paar hundert Meter aufwärts, dort wo das steife, mintgrüne Gras in wellige Dünen überging, brannte tatsächlich ein Feuer. Ich kniff die Augen zusammen um besser sehen zu können, erkannte aber trotzdem nichts.
Wer machte so spät abends noch ein Lagerfeuer am Strand? Die Jugendlichen trafen sich immer strandabwärts in der Bucht bei der Surfschule und nicht hier oben, wo nur einzelne Häuser und Hütten standen. Barfuß lief ich über die ausgebleichten, sandigen Holzdielen, die schiefe Treppe hinunter. Ich blieb kurz stehen, krallte die Zehen in den kühlen Sand. Der Wind strich mir um die nackten Beine, wedelte mir die Haare aus dem Gesicht. Ich stapfte los, die Arme schützend vor der Brust verschränkt. Als ich näher kam, erkannte ich eine Gestalt, die neben dem Feuer kauerte und etwas hineinwarf. Selbst als ich direkt neben ihr stand und auf sie hinunterblickte, sah sie nicht auf. Um das Lagerfeuer lag fein säuberlich ein Steinkreis. Die Person griff immer wieder neben sich und legte etwas in die Flammen, die orange in den dunklen Himmel züngelten.
„Hallo“, grüßte ich, setzte mich neben die Gestalt in den noch oberflächlich warmen Sand. Die Person drehte den Kopf in meine Richtung und sah mich stumm an. Ich blickte misstrauisch zurück. Es war ein Mann, vielleicht drei oder vier Jahre älter als ich, genau konnte ich es nicht sagen. Er hatte dichte, schwarze Haare, die Flammen spiegelten sich in seinen dunklen Augen.
„Warum sitzt du hier ganz alleine am Lagerfeuer?“, hakte ich nach.
Er legte den Kopf schief, strich sich mit einer Hand übers Gesicht. Ich erschrak. Blutige Striemen zogen sich über die Finger, seinen Handrücken und den Arm hinauf.
„Ist das verboten?“, meinte er mürrisch. Ich schüttelte den Kopf.
„Nein. Natürlich nicht. Ich hab mich nur gewundert.“
„Du bist zu neugierig.“, bemerkte er gelassen, warf wieder etwas in die Flammen. Ich sah ihn überrascht an, runzelte die Stirn.
„Sag schon, warum das Feuer?“
Er blickte auf das Meer, zog die Füße an und schlang die Arme darum. Seufzend legte er den Kopf auf die Knie. Nach einem weiteren Seufzen, griff er erneut neben sich und legte das, was er immer in das Feuer geworfen hatte, nun zwischen uns beide. Irritiert sah ich darauf und starrte ihn dann fragend an.
„Das verbrennst du? Warum?“
Er packte das ganze Bündel und ließ es wieder fallen. Er drehte die Handflächen nach oben. Blut lief über seine Handgelenke, tropfte in den Sand.
„Was machst du da?“, fragte ich erschrocken.
Er sah mich ruhig an und sagte dann: „Denk dir, was du willst. An die Wahrheit werden deine Gedanken wahrscheinlich nicht herankommen, aber das ist egal. Ich werde es dir nicht verraten. Es bleibt ein Geheimnis. Nenne es ein Symbol. Ein Zeichen von Gefahr. Gleichzeitig von Liebe. Von Leidenschaft und Wärme. Von Tod. Aber auch ein Symbol von Leben. Schau!“
Er hielt mir seine blutigen Hände hin. Ich sah ihn nur verwirrt an. Er grinste und nahm das gesamte Bündel, legte es in die Flammen.
Ein berauschender Duft wehte mit dem salzigen Meereswind über den Strand. Es roch süß, nach Qualm und Rauch.
Nach verbrannten roten Rosen.
 

Kenoda

Mitglied
Hallo! Ich grüße dich :)

Ich habe gesehen, dass deine kleine, aber feine Geschichte noch gar nicht kommentiert wurde. Gerne übernehme ich diesen Part! ;)
Deine Geschichte hat mir gut gefallen. Ich finde die Formulierungen sehr schön und besonders der Anfang hat mir gut gefallen, da man sich die Situation bestens vorstellen konnte, ohne dass die Beschreibung langatmig oder gar zu ausführlich erschien. Ich sah sie vor mir, auf der Veranda sitzed und aufs Meer schauend. Das einzige, was mich etwas gestört hat, war die Zeile:

Nach einem weiteren Seufzen, griff er erneut neben sich und legte das, was er immer in das Feuer geworfen hatte, nun zwischen uns beide. Irritiert sah ich darauf und starrte ihn dann fragend an.
Das Ende, muss ich dir leider ganz ehrlich sagen, habe ich nicht verstanden. Ich hatte mir das Ende zweimal durchgelesen, aber die Birne leuchtet immer noch nicht. Sicher hatte der Fremde auch ein Geheimnis daraus gemacht, warum er dort alleine am Lagerfeuer sitzt, aber ich kann nichtmal erahnen, was er dort tun könnte. Es wäre sehr schön, wenn du das Ende näher erläutern würdest. Vielleicht liegt es auch an mir. Da ich den Schluss nicht verstanden habe und ich auch finde, dass man das Ende hätte etwas ausführlicher schreiben können, gebe ich dir in der Bewertung gerne 3*. :)

Ganz liebe Grüße
Kenoda
 



 
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