Feuer einer Nacht

„Feuer einer Nacht“

von Christel Bode

Etwas gelangweilt stand ich in einer Zimmerecke und hielt mich am vollen Sektglas fest. Eine Bekannte hatte mir ihre Einladungskarte für die Vernissage „geopfert“. Sie war der Meinung ich müsste dringend etwas für mein Kunstverständnis tun. Nun, da ich sowieso nichts besseres zu tun hatte, nahm ich das Angebot an.
Die Ausstellung war gut besucht und in der stickigen Luft nahm die aufgeblähte Rede kein Ende. „... die Vereinfachung durch Abstraktion und die gelungene Farbkomposition...“, drangen Wortfetzen an mein Ohr. Puh, stöhnte ich leise und trippelte von einem Fuß auf den anderen. Hoffentlich ist er bald fertig, dachte ich. Wenn ich mir die Gemälde so betrachtete, naja! Mein Geschmack war es nicht gerade. Sie waren ausnahmslos mit dunklen Farben gemalt und wirkten auf mich düster und unheimlich. „...hiermit ist die Ausstellung eröffnet!“, hörte ich den Galeriebesitzer sagen.. Erleichtert atmete ich auf und warf einen Blick in die illustre Gesellschaft. Aus einem knallgelben Kleid mit grünen Tupfen ragte eine hochgesteckte Frisur. Die Stimme der etwas rundlichen Dame war so schrill wie das Rot ihrer Haare. „Oh, mein Lieber!“, säuselte sie während ihr Gesicht sich zu einem breiten Grinsen verzog. Besitzergreifend, streckte sie die schwammigen Arme und bahnte sich mit energischen Schritten einen Weg zu dem Künstler. Überschwenglich grapschte sie sich ihr Opfer und küsste ihn schmatzend auf beide Wangen. Als sie endlich, für eine Sekunde, die Sicht frei gab sah ich ihn . Genau in diesem Moment trafen sich unsere Blicke.

Ich weiß nicht wie lange ich so dastand und hypnotisiert in seine Richtung starrte. Längst war er von anderen Gästen umzingelt und angeregt in Gespräche verwickelt. Doch immer wieder suchten sich unsere Augen. Meine anfängliche Langeweile war einem inneren Vibrieren gewichen, das keineswegs in der Magengegend endete. Während er geduldig überflüssige Fragen beantwortete, hatte ich Zeit ihn mir genauer anzusehen. Mit seiner Größe überragte er alle und sein athletisch gebauter Körper war selbst ein Kunstwerk. Eisblaue Augen strahlten aus einem gebräunten Gesicht und wenn er lachte blitzten weiße Zähne. Seine gelockte Mähne fiel lässig auf die Schultern. Er hatte etwas katzenhaftes, - wild und unbezähmbar. Hitze kroch in mir hoch. Ich mußte dringend an die Luft.

Draußen atmete ich tief durch und öffnete einen weiteren Knopf meiner Bluse. Mit der Einladungskarte fächelte ich mir den angenehm kühlenden Wind zu. Ich begriff nicht, was mit mir los war. Nie zuvor war ich einem Mann mit solcher Ausstrahlung begegnet. Er weckte etwas in mir, das mir gefiel und mich gleichzeitig verunsicherte. Das beste wäre ich würde jetzt gehen ...

„Ach hier sind sie“!, rief eine wohlklingende Stimme hinter mir. „Ich habe sie schon überall gesucht“. Erschrocken drehte ich mich um und prallte mit ihm zusammen. „Hoppla“, lachte er. „Sie sind aber stürmisch“!„Äh, Entschuldigung“, stotterte ich verwirrt. „Aber, das macht doch nichts, im Gegenteil“! „Ich möchte sie schon den ganzen Abend kennenlernen. Leider habe ich erst jetzt Gelegenheit dazu“. Seine Hände berührten mich sanft am Arm. Kleine Stromstöße gingen durch meinen Körper. „Sie, sie möchten mich kennenlernen?, stammelte ich. „Warum?“ Wieder lachte er. „Weil sie mir irgendwie sympathisch sind. Zwischen all den Versnobten sind sie wohltuend normal.“ „Soso, ich wirke also normal“? Mein bisher ungläubiger Gesichtsausdruck wandelte sich. „Warum schauen sie denn auf einmal so traurig“. „Naja, normal, ist nicht gerade ein aufregendes Kompliment für eine Frau“. „Oh, jetzt habe ich mir wohl alle Chancen verdorben“? Scheinbar zerknirscht schaute er nach unten. Doch in seiner Stimme lag ein verschmitztes Lächeln. „Chancen?, erwiderte ich mit gespielter Gleichgültigkeit. „Wer sagt ihnen, das sie welche hatten?. „Ich hoffte es“, flüsterte er, „denn sie gefallen mir – sehr sogar!“. Sein heißer Atem streifte meinen Hals. Bevor ich antworten konnte küsste er mich. Zuerst zaghaft, dann immer stürmischer. Hungrig saugten sich unsere Lippen aneinander fest. Unfähig mich zu wehren, erwiderte ich seine fordernden Küsse...

Verschlafen blinzelte ich in die Sonne die auf mein Bett fiel. Er schlief noch und sein ruhiger Atem hob und senkte die behaarte Brust. Lange sah ich ihn an und sortierte meine Gedanken. Ich hatte mit einem wildfremden Mann eine leidenschaftliche Nacht verbracht. Ein Mann den ich vor ein paar Stunden noch nicht kannte. Wohlig räkelte er sich auf dem zerwühlten Laken und ich genoss den Anblick des Spiels seiner Muskeln. Erst jetzt entdeckte ich das markstückgroße Muttermal auf der Innenseite seines rechten Schenkels. Zart umkreiste ich mit den Fingerspitzen diesen unverwechselbaren Fleck. Plötzlich umschlangen mich seine starken Arme. „Guten morgen mein Schatz“, raunte er mir zu. „Guten Morgen“, hauchte ich, nach Luft ringend. Sein Griff war fest, so als wolle er mich nie mehr loslassen - und ich war auf dem besten Weg mich in ihn zu verlieben. Dabei wußte ich nichts von ihm, außer das er Marcel hieß und malte.

„Über was grübelst du?“, riss er mich aus meinen Gedanken. „Ich habe über dich nachgedacht. Ich weiß so gar nichts von dir.“ Er küsste mich auf die in Falten gelegte Stirn. „Ich weiß von dir auch nur das du Melanie heißt. „Komm, lass uns frühstücken, dann erzähle ich von mir“. Aromatisch zog Kaffeeduft durch die Wohnung. Nur mit Boxershorts bekleidet, saß er gut gelaunt am Tisch. „Also, ich zähle 45 Jahre, bin ein armer Künstler und – verheiratet.“ Vor Schreck verschluckte ich mich am heißen Kaffee und hustete bis ich rot anlief. Klirrend stelle ich die Tasse hin. „Verheiratet?!“, schrie ich fassungslos. „Und das sagst du so ruhig. Es ist wohl ganz normal für dich so einfach mal zwischendurch mit einer anderen...“ „Stop“, unterbrach er energisch meinen Redeschwall. „Du regst dich völlig unnötig auf. Ich bin verheiratet, ja – noch. Aber nur auf dem Papier. Vor einem Jahr bin ich zuhause ausgezogen und... „Ja, ja,“fiel ich ihm ins Wort. Der arme unverstandene Ehemann, der sich trösten läßt“. „Irrtum, meine Frau hat mich betrogen. Sie hatte das unsichere Leben an der Seite eines Künstlers satt. Zum Schluss ging ihr alles auf die Nerven und wir stritten nur noch. Irgendwann lernte sie diesen nadelgestreiften Hotelmanager kennen. Grundsolide, stinkreich und ohne Ölfarbe unter den Nägeln. Das war’s dann. Mit roter Farbe hat sie auf die Leinwand gekritzelt, das sie einen anderen liebt. Das Bild das ich einmal nur für sie gemalt habe, zerschnitt sie in kleine Teile. Ich glaube, damit verletzte sie mich mehr als mit ihrem Verhältnis. Da ihr die Wohnung gehört, bin ich ausgezogen. Seitdem lebe ich allein“, sagte er leise und etwas verbittert. Minutenlang herrschte Schweigen zwischen uns.

„Es tut mir leid, das ich so ausgerastet bin, ehrlich“ entschuldigte ich mich kleinlaut. Aber ich hatte Angst, das du mich nur benutzt hast“. Ich woll...“, „Pssst“, schnitt er mir das Wort ab und nahm zärtlich meine Hand. „Sag nichts mehr. Lass uns die Vergangenheit einfach vergessen. Damals dachte ich, das ich von allem was Rock trägt die Nase voll habe. Aber als ich dich gestern sah, fühlte ich wieder dieses kribbeln. Ich bin sehr froh darüber, schmunzelte er. Es zeigt mir, dass ich noch lebe.“ Sein Geständnis machte mich glücklich und mein Appetit kehrte zurück. Auf das knusprige Brötchen und - auf ihn...

Draußen dämmerte es schon. „Ich muß jetzt gehen“ ,bedauerte er und sprang in seine Jeans. Ich treffe mich noch mit einem wichtigen Kunden. Mit etwas Glück angle ich mir einen dicken Auftrag. Könnte nicht schaden, bei meinen Schulden. Drück mir die Daumen!“ „Schade, das du gehen mußt, sehen wir uns wieder?“. Sehnsüchtig schmiegte ich mich an ihn. „Natürlich, du fehlst mir jetzt schon! Außerdem liebe und begehre ich dich! Das sind zwei wichtige Gründe dich wiederzusehen“ Zärtlich küsste er meine Nasenspitze. Wenn du mir deine Telefonnummer gibst, rufe ich dich vorher an“. „Ja klar.“ Rasch schrieb ich die Zahlen auf einen Zettel. „Tschüss, es war aufregend schön mit dir“, rief er durch den Flur. Dann fiel die Tür ins Schloss. Traurig ging ich an das Fenster und sah ihm nach bis er zwischen den vorbeifahrenden Autos verschwunden war...

Nervös und gehetzt lief ich durch die Wohnung und sah immer wieder auf das gemachte unbenutzte Bett. Alles war so leer ohne ihn. Vier Tage waren vergangen, in denen ich nichts mehr von ihm gehört hatte. Vier endlose Tage, in denen ich abwechselnd wütend, depremiert und voller Sorgen war. Dummerweise hatte ich mir seine Telefonnummer nicht geben lassen und so konnte ich nur warten und hoffen. Einmal klingelte mitten in der Nacht das Telefon. Doch als ich mich meldete, wurde aufgelegt. Sollte er mich so belogen haben? Ich konnte und wollte es nicht glauben. Noch immer spürte ich seine zärtlichen Hände auf meiner nackten Haut Das Feuer dieser einen Nacht brannte noch immr in mir. Verzweifelt rollte ich mich auf der Couch zusammen. Quälende Gedanken ließen mich frösteln. Teilnahmslos griff ich die Tageszeitung und blätterte lustlos darin herum...

„Nein, nein, bitte nicht“, schrie ich laut. Entsetzt starrte ich auf die Überschrift die langsam vor meinen Augen verschwamm...
Rätsel um Toten
Gestern wurde in der Nähe eines Waldstücks eine unbekannte männliche Leiche entdeckt. Der etwa 45 Jahre alte Mann starb an einer Schussverletzung. Die Polizei geht von einem Verbrechen aus.
Besonderes Merkmal: - Markstückgroßes Muttermal auf der Innenseite des rechten Schenkels...


- ENDE -
 
L

loona

Gast
HiHo

Hi Christel...

Du erzählst eine Menge hier. Trotzdem ist es irgendwann zwischendrin trivial. Es könnte aus einer beliebigen Fernsehserie im Vorabendprogramm laufen: schöner Künstler, One-Night-Stand - verheiratet...

Die Pointe kommt dann zu abrupt, trifft nicht, weil ich beide Personen nicht kennenlernen konnte, trotz der beachtlichen Länge des Texts.

Das ist nur mein persönliches Empfinden.

Vielleicht hast Du Lust und Energie, an dem Text weiterzuarbeiten?

Es grüßt

loona
 

Ralph Ronneberger

Foren-Redakteur
Teammitglied
Hallo Christel,
ich glaube, loona hat es auf den Punkt gebracht. Auch mir ist das Meiste zu trivial, was nicht heißen soll, daß ich generell gegen Triviales bin. Ein wenig davon eingestreut, bringt unter Umständen etwas mehr Farbe in eine Geschichte. Doch hier kommt es zu geballt daher. Bis zu dem Satz: "Genau in diesem Moment trafen sich unsere Blicke" - ist die Geschichte noch vielversprechend. Doch dann rutscht sie leider ab.
"Sein athletisch gebauter Körper war selbst ein Kunstwerk", "seine gelockte Mähne fiel lässig auf seine Schultern", "eisblaue Augen", "blitzend weiße Zähne", "gebräuntes Gesicht", "wohlklingende Stimme" - Du läßt aber auch nichts aus, um dir einen der vielen und sich so häufig gleichenden Helden aus irgendwelchen Werbespots heraus zu greifen.
Schon bei der allerersten Begegnung hat der Junge einen unwiderstehlich "heißen Atem" und schwups schon "saugen seine bereits hungrigen Lippen" sich an den ihren fest. Da stellt sich mir die Frage: "Sind Frauen wirklich so (pardon) beschränkt, um sich von einem solchen Klischee-Mann blitzartig vereinnahmen zu lassen? Meine Erfahrungen sind da ein wenig anders.
Zum Schluß noch etwas. Beim Lesen habe ich den Eindruck gewonnen, daß Du das Handwerk des Schreibens recht ordentlich beherrscht. Da hast Du manchen hier auf der Lupe einiges voraus. Mensch Christel, mach mehr daraus! Dein gutes Handwerk ist doch schon die halbe Miete! Ich drück dir die Daumen.

Gruß Ralph
 



 
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