Feuer und Wasser

Prolog
Teran blickte wehmütig zu den Zwillingen, strich die Robe glatt und setzte sich aufseufzend in Bewegung, er wusste, dass sie nicht geeignet waren, aber ihm blieb keine Wahl. Beide waren eigentlich schon zu alt, um ausgebildet zu werden, sie hatten zwar Intelligenz und Anmut, alles was zukünftige Herrscher brauchten, aber ihre Seelen waren nicht im Gleichklang. Sie beherrschten die Gedankensprache nur dürftig und würden sich schwer tun sie zu vollständig erlernen. Wieder seufzte er auf, schloss kurz die Augen und räusperte sich, als er nur noch einen Schritt hinter ihnen stand. Er setzte ein Lächeln auf, doch seine Augen erreichte das Lächeln nicht. Die Zwillinge wandten sich um, schauten erfreut zu ihrem Mentor auf, fast gleichzeitig stellten sie die Frage: „Erzählt ihr uns Heute die Geschichte von Nyris und Logar?“ , Teran nickte lächelnd, lies sich vor den Beiden nieder und legte seine Hände auf die Knie. Prüfend blickte er beiden in die Augen und nickte abermals. „Heute sollt ihr sie erfahren, hört gut zu, denn sie ist der Beginn unserer Welt und auch der Sinn!“ Die Beiden machten es sich bequem und lauschten der Erzählung ihres Lehrers. Teran fuhr sich durch den Kinnbart, hoffte sie würden die Zusammenhänge verstehen und begann von der Entstehung der Welt zu erzählen....
„Zuerst war das Nichts, es erfüllte alles und doch war es leer, lange Zeit blieb dies auch so, bis es sich entschied dem ein Ende zu machen und aus sich selbst heraus Logar und Nyris zu erschaffen. Logar war der erstgeborene, er war stark und rein im Herzen, während Nyris, die nach ihm kam, zierlich gebaut war und Hass im Herzen trug. Das Nichts betrachtete seine Schöpfungen und zog sich zurück, übergab seinen Kindern seinen Leib, um sie mit ihren Gedanken Welten erschaffen und beleben zu lassen. Nyris hasste ihren Bruder, den Erstgeborenen und wünschte sich seinen Tod um alleine die Welten zu erschaffen, nach ihren Vorstellungen, während Logar seine Schwester über alles liebte und ihr alles verzieh. Logar erkannte wohl, dass Nyris ihm nicht wohlgesonnen war und schuf für sie einen glühenden Feuerball, den er für sie an den Himmel warf. Doch Nyris sah die helle Schönheit und schuf neidisch selbst einen Ball, doch ihr Hass konnte ihn nicht mit warmen Feuer beleben, sonder ließ ihn im kalten weiß leuchten.“
Teran unterbrach sich und sah die Zwillinge fragend an, diese blickten sich kurz in die Augen und wandten sich dann Teran zu: „Sonne und Mond!“ Der Priester lächelte „Gut! Dann hört weiter zu!“
„Der Erstgeborene betrachtete erfreut und auch zugleich belustigt das Werk seiner Schwester, trat auf sie zu und lobte sie, doch der Hass in ihren Augen erschreckte ihn maßlos. Wütend funkelte Nyris ihn an hob die Hände und schuf eine ewige Dunkelheit um sie herum, nur die zwei Bälle erleuchteten einen kleinen Bereich des Dunkels. Da hob Logar ebenfalls die Hände und befahl der Sonne und dem Mond eine Bahn in der ewigen Dunkelheit zu beschreiten, das es nie einen Fleck gäbe, der ewig in Finsternis sei. Nyris wild im Zorne gefangen wollte alles zerstören, sie riss mit ihren Krallen tiefe Löcher in die Dunkelheit, die noch schwärzer schienen. Doch Logar spannte ein Netzt um alles und hielt es fest beisammen.“
Wieder blickte Teran die Zwillinge vor sich an, während sie sich übten in Gedanken zu sprechen und sich berieten. „Die Sterne!“ brach es aufgeregt aus dem Mädchen hervor und der Junge senkte beschämt den Blick. Tadelnd hob der Priester seine Hand zu dem Mädchen, „Ihr sollt gemeinsam Handeln und denken! Ihr seid eins, ihr werdet als ein Ganzes herrschen! Ohne deinen Bruder bist du nichts und wenn er nicht mithalten kann, dann hilf ihm!“ Nun senkte sie verlegen den Blick, kaute verzag auf der Unterlippe „Ja Meister, ich werde es mir merken!“. Ihr Bruder legte ihr einen Arm um die Schulter und warf dem Priester scheu einen Blick zu „Erzählt ihr weiter?“
„Nyris sah sich betrogen, alles was sie schuf wurde von Logar verändert und so sann sie nach Rache. Sie lockte ihn zu sich, gab sie weich und anschmiegsam und er legte sich zu ihr. Er genoss ihre Nähe und wähnte sich unendlich glücklich, da sie ihm nahe war. Doch sie nahm das Netz schlang es um seinen Hals und erwürgte ihn damit, bis der letzte Funke seines Lebens aus ihm erlosch. Befreit lachte sie auf, schlug ihn in kleine Stücke und warf sie in alle Richtungen davon. Sie tanzte in unbändiger Freude, streifte lange Zeit einfach nur durch ihr gewonnenes Reich und war glücklich. Doch bald fühlte sie sich leer und einsam, sie hatte niemanden mehr, mit dem sie sich messen konnte und ihre Werke kamen ihr unvollständig vor. Schließlich bereute sie ihre Tat und wünschte sich Logar zurück, doch es gab keinen Weg zurück... Doch es erstaunte sie, das ihre Leere immer mehr zunahm und fühlte in ihr Innerstes. Sie erschrak fürchterlich, denn sie sah, dass neues Leben in ihr wuchs und sich von ihrem Körper ernährte, es fraß sie von innen auf. Doch dann lächelte sie, denn sie erkannte Logars Lebenswille darin und ihren Machthunger, so nährte sie ihr Kind mit ihrem eigenen Fleisch, bis nur noch ihre Hülle zurückblieb. Das Kind brach sich einen Weg durch die Hülle, geboren mit all dem Wissen um Vater und Mutter, mit beider Eigenschaften wollte es eine Welt erschaffen in der Vater und Mutter weiterleben sollten, denn es wusste, dass das Eine nicht ohne das Andere bestehen kann. So nahm es von allem das schon existierte ein wenig und formte eine neue Welt. Im Inneren heiß, abgekühlt von dem kalten Stein des Mondes, darüber Nyris Haut gelegt und darauf die einzelnen Teile Logars, so schuf es unsere Welt! Doch noch lebte nichts, es nahm den Feuerball und den Kalten Stein und lenkte sie um die neue Welt, doch noch immer zeigte sich kein Leben. Da hauchte es der Welt seinen Atem ein, bis auch sein letzter Lebensfunke fast verloschen war, teilte sich auf und fiel auf die neue Welt herab. Dort verwandelte sich sein Leib in die Tiere und Pflanzen, doch seine Augen, noch vom Geist belebt wurden die Menschen und sie leben als einzige mit dem Wissen um ihre Entstehung!“
Erschöpft vom langen erzählen streckte sich Teran, derweil die Zwillinge erstaunt, über die neue Erfahrung sich angeregt unterhielten, auch wenn kein Laut zu hören war. Der Priester stemmte sich mühsam hoch, die eine Hand auf einen Findling gestützt und räusperte sich. Zuerst reagierten die Zwei Kinder nicht, doch dann hoben sie gleichzeitig den Kopf und sahen ihn fragend an. Ihr kennt nun die Geschichte, ich hoffe ihr habt daraus gelernt und wendet das Gelernte an, nichts ist wichtiger als die Gegensätze, alles Leben beruht darauf, alles sein! Was wäre Feuer ohne Wasser, welche Bedeutung hätte es allein? Was wäre Liebe ohne Hass? Was Mann ohne Frau?“ er schaute beide ernst an, drehte sich dann um, auf dem Weg zurück zum Tempel...

(Übernommen aus der 'Alten Leselupe'.
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