Feuerblume

5,00 Stern(e) 3 Bewertungen
Jemand hat das Buch zurückgebracht,
der es nicht ausgeliehen hat.
Und das erste Blatt,
es fehlt
,
notiert der Bibliothekar

Gedichte, denkt er, wunderbar,
Gedichte
und streicht behutsam die
Gewichte der gestrandeten Gedanken
von den handgeschriebenen Seiten.

Es gab Zeiten, denkt er, da gab es noch kein
Druckpapier. Und jedes handgeschriebene Buch
kam schwer von fremdem Lesen, so wie dieses hier,
vertausendfacht zurück.


Hierin: Gedichte, wie aus anderen Zeiten
und Dichter, die kein Mensch mehr kennt.
Seltsam, denkt er, liest und lacht:
Du kannst das Leben nicht begleiten.
Lesen heißt, bloß fremdes Leben zu durchleiden.
Dein Leben will doch Wirklichkeiten!
Und wieder einer, der sich an den eignen Eitelkeiten
größer macht, als er sich selber wähnt
.

Er summt und blättert durch die Themen,
durch die Jahre. Alles scheint hier tausendfach gesagt.
Als seien Worte nichts als eine Ware und
Liebe, Tod und Leben bloße Fracht derselben
Handelskarawane, die auch Geschäfte mit dem
Rest der Sehnsucht macht.

Das alles ist doch altbekannte Singerei!
Wem soll das heute denn noch reichen
, sagt er,
flüchtet durch die Seiten bis zu der einen Seite,
die blieb frei.
Darauf gelegt, als Lesezeichen, selber Werk,
oder als bloße Spielerei,
die Feuerblume,
die einst brannte.
 
Zuletzt bearbeitet:

Tula

Mitglied
Hallo Dio
Ich bewundere deine Ideen, schon rein inhaltlich, wie diese hier. Von der Feuerblume selbst angesehen, gefiel mir noch diese Stelle besonders:

Als seien Worte nichts als eine Ware und
Liebe, Tod und Leben bloße Fracht derselben
Handelskarawane, die auch Geschäfte mit dem
Rest der Sehnsucht macht.


LG
Tula
 
G

Gelöschtes Mitglied 27550

Gast
Lieber Dio....Dein Gedicht erinnert mich an frida schanz "feuerblume" und an Borges "Bibliothek von Babel"....hast Du klasse geschrieben...
gerne gelesen....
Liebe Grüße
Sue
 



 
Oben Unten