Guten Morgen,
also meiner Meinung nach ist es immer gut, seine Figuren genau zu kennen. Das lässt sie lebendiger erscheinen, glaubwürdiger und verhindert zudem auch, dass sich logische Fehler oder Ungereimtheiten einschleichen.
Ich denke schon, dass es gerade in Kurzgeschichten, wo ein Character auf wenigen Seiten geschildert werden muss, wichtig ist, eine komplette Biographie zu haben. Selbst in Fantasygeschichten reicht es meiner Ansicht nach nicht, einfach nur die Idee zu transportieren und sich bei der Charakterisierung auf vorhandene Klischees zu berufen. Schließlich ist in jeder Story der Handelnde zentraler Punkt der Geschichte. Der Leser möchte eintauchen, sich identifizieren können und nicht vorgekaute Stereotype, die nichtssagend durch die Gegend jagen. Der Konflikt - das Kernstück einer jeden Geschichte - wird vom Protagonisten getragen und von seinem Gegenspieler (das kann durchaus er selbst, Umfeldbedingungen oder eine Sache oder Idee sein) ausgelöst.
Kurzum:
Für mich ist der Charakter am wichtigsten, denn er trägt die Geschichte. Und von daher versuche ich, großen Wert auf seine Darstellung zu legen... (nicht, dass mir das jemals wirklich gelungen wäre...
)
Woran erinnern wir uns, wenn wir eine Geschichte gelesen haben? Also, oft genug kann ich mich nicht mehr an die genauen Gegebenheiten erinnern... aber meinen Helden, der mich begleitet und mir einen häufig sehr persönlichen Einblick in sein Leben erlaubt hat, den vergesse ich nicht so schnell.
Zur Beschreibung von Charakteren las ich im Gesing (oder war es Stein???), dass man diese am besten durch ihre Handlungen beschreibt...
Also nicht: "Sie hatte langes, braunes Haar."
Sondern lieber: "Lässig warf sie ihre langen, kastanienbraunen Haare zurück!"
Vielleicht nicht ganz so gelungen, dieses Beispiel, aber ich habe noch ein besseres... Renee hatte in ihrer Kurzgeschichte eine supergute Beschreibung ihres Stiefvaters gegeben...ich würde sie gerne ungefragt zitieren (und hoffe, Renee hat nichts dagegen):
Ursprünglich veröffentlicht von Renee Hawk
"...Als er vor knapp dreiundzwanzig Jahren in ihr Leben trat, empfand sie es als Glücksmoment. Heute dachte sie oft an ihn, und wie stolz sie war. Hatte er sie doch zu dem Menschen gemacht, der sie heute ist. Wesentliche Grundzüge hatte sie von ihm gelernt. Ehrlichkeit, Aufrichtigkeit, Mut, Toleranz und den Sinn für Gerechtigkeit.
„Hier hast du ein paar Mark. Morgen hat Mutti Geburtstag. Sie würde sich über ein Buch von Konsalik und einen Blumenstrauß freuen.“, hatte er gesagt und legte ihr einen Zwanzigmarkschein auf den Esstisch.
Sie war damals dreizehn Jahre alt und in einer ‚schwierigen Phase’, wie Mutter es nannte. Sie war damals schon depressiv..."
Diese Geste mit dem Zwanzigmarkschein, der Tipp für das Geschenk... mehr muss man von diesem Mann nicht wissen, um sich sofort ein Bild von ihm zu machen....
Das Beschreiben der äußeren Merkmale einer Figur machen diese nicht wirklich lebendig... sie können ein grobes Bild zeichnen, wie ein ungeschicktes Portrait. Es sind die individuellen Merkmale, die einen Charakter aufleben lassen, die Lachfältchen um den Mund oder die groben Arbeiterhände, bestimmte Bewegungen oder eben wie in Renees Fall eine Geste.
Einen nächtlichen Gruß,
willow