Arno Abendschön
Mitglied
Das Geheimnis des Erfolgs liegt darin: Mehr scheinen als sein - und über kleine Peinlichkeiten lächelnd hinweggehen.
A. war eine Zeitlang mein Untermieter. Er sprach sich gern bei mir aus. Ich erfuhr so mehr über ihn als er über mich. Ich hörte aufmerksam zu, prägte mir viel ein, hielt manches schriftlich fest, als wäre ich ein Agent und hätte Berichte über ihn abzufassen. So war es aber nicht.
Manches kam mir auch hintenherum zu Ohren, wie zum Beispiel das Folgende. A. machte einmal privat eine Bekanntschaft. Sie wechselten nur wenige Sätze. A. sagte zu dem Fremden, er sei Bankangestellter. Bald darauf ging jeder seiner Wege. Was A. nicht wusste: Der andere war beruflich nach Berlin gekommen, er war Generalvertreter einer bayrischen Molkerei. In dieser Eigenschaft besuchte er am Tag darauf das große Kaufhaus und kontrollierte, ob ihr Joghurt angemessen präsentiert wurde. Auf einmal erblickte er hinter dem Fischverkaufsstand den angeblichen Bankangestellten A. Sie grüßten sich von weitem. A. lächelte ungezwungen, worin er, wie ich wusste, viel Übung besaß. Als sie später wieder einmal aufeinander trafen, lachten sie über den kleinen Vorfall. Der Molkereimann hat ihn mir dann berichtet.
A. setzte alles daran, vom Fisch wegzukommen. Wie er den Geruch an sich hasste … Er blieb in der Lebensmittelabteilung und hatte nun vor allem mit Honig und Konfitüren zu tun. Zu solchen Produkten passte seine Art zu lächeln auch besser.
Das Kaufhaus veranstaltete eine Ungarische Woche mit Honig zum Schleuderpreis. Die Aktion war fast zu Ende, als eine empörte ältere Kundin sich an A. wandte: Da habe sie doch gestern im Honig aus Ungarn eine tote Biene gefunden! – Tatsächlich? Sie war tot? fragte A., um Zeit zu gewinnen, und fuhr fort: Ach, Sie haben sie gefunden – nein, so ein Pech! - Pech wolle sie das nicht gerade nennen, meinte die Kundin, es sei nur einfach ekelhaft: tote Tiere im Honig. – Und dann band er ihr den Bären auf, es sei ein Preisausschreiben gewesen. Wer die Biene, die einzige in all den Gläsern, gefunden hätte, hätte den ersten Preis gewonnen, ein Jahr lang jede Woche ein Glas Honig. Nur leider sie die Meldefrist schon gestern abgelaufen. Aber es würden bald wieder neue Preisausschreiben veranstaltet. Schauen Sie doch wieder einmal vorbei … Die Kundin wurde auf sich selbst ärgerlich: Sie hätte eher kommen müssen. Sie ahnte nicht, dass ihr da alles andere als Honig ums Maul geschmiert wurde. A. lachte, als er mir davon erzählte.
Er zog fort und kam mir aus den Augen. Jahre später traf ich ihn zufällig in einer Bar. Nein, er sei schon lange nicht mehr beim Kaufhaus, er arbeite jetzt für einen Geheimdienst. Es klang, als wolle er mir etwas anvertrauen. Welcher Geheimdienstler plaudert das sonst so offen aus? Ich habe ihn danach – nein, ich habe ihn weder hinter einem Bankschalter noch als Kellner in einem Fischrestaurant entdeckt. Schon möglich, dass er tatsächlich ein Schlapphut geworden ist. Und in diesem Fall war die Versuchung, mir darzulegen, er sei mehr als er sonst scheine, wohl zu groß für ihn gewesen.
Man lügt nicht aus Spaß am Lügen, wenn man nicht gerade krank im Kopf ist. Man lügt unter anderem, um sich Geltung zu verschaffen. Und zu diesem Zweck gibt man auch einmal die Wahrheit preis, selbst wenn es unter anderen Gesichtspunkten ein Fehler ist. (Diskretion war noch nie meine Stärke.)
A. war eine Zeitlang mein Untermieter. Er sprach sich gern bei mir aus. Ich erfuhr so mehr über ihn als er über mich. Ich hörte aufmerksam zu, prägte mir viel ein, hielt manches schriftlich fest, als wäre ich ein Agent und hätte Berichte über ihn abzufassen. So war es aber nicht.
Manches kam mir auch hintenherum zu Ohren, wie zum Beispiel das Folgende. A. machte einmal privat eine Bekanntschaft. Sie wechselten nur wenige Sätze. A. sagte zu dem Fremden, er sei Bankangestellter. Bald darauf ging jeder seiner Wege. Was A. nicht wusste: Der andere war beruflich nach Berlin gekommen, er war Generalvertreter einer bayrischen Molkerei. In dieser Eigenschaft besuchte er am Tag darauf das große Kaufhaus und kontrollierte, ob ihr Joghurt angemessen präsentiert wurde. Auf einmal erblickte er hinter dem Fischverkaufsstand den angeblichen Bankangestellten A. Sie grüßten sich von weitem. A. lächelte ungezwungen, worin er, wie ich wusste, viel Übung besaß. Als sie später wieder einmal aufeinander trafen, lachten sie über den kleinen Vorfall. Der Molkereimann hat ihn mir dann berichtet.
A. setzte alles daran, vom Fisch wegzukommen. Wie er den Geruch an sich hasste … Er blieb in der Lebensmittelabteilung und hatte nun vor allem mit Honig und Konfitüren zu tun. Zu solchen Produkten passte seine Art zu lächeln auch besser.
Das Kaufhaus veranstaltete eine Ungarische Woche mit Honig zum Schleuderpreis. Die Aktion war fast zu Ende, als eine empörte ältere Kundin sich an A. wandte: Da habe sie doch gestern im Honig aus Ungarn eine tote Biene gefunden! – Tatsächlich? Sie war tot? fragte A., um Zeit zu gewinnen, und fuhr fort: Ach, Sie haben sie gefunden – nein, so ein Pech! - Pech wolle sie das nicht gerade nennen, meinte die Kundin, es sei nur einfach ekelhaft: tote Tiere im Honig. – Und dann band er ihr den Bären auf, es sei ein Preisausschreiben gewesen. Wer die Biene, die einzige in all den Gläsern, gefunden hätte, hätte den ersten Preis gewonnen, ein Jahr lang jede Woche ein Glas Honig. Nur leider sie die Meldefrist schon gestern abgelaufen. Aber es würden bald wieder neue Preisausschreiben veranstaltet. Schauen Sie doch wieder einmal vorbei … Die Kundin wurde auf sich selbst ärgerlich: Sie hätte eher kommen müssen. Sie ahnte nicht, dass ihr da alles andere als Honig ums Maul geschmiert wurde. A. lachte, als er mir davon erzählte.
Er zog fort und kam mir aus den Augen. Jahre später traf ich ihn zufällig in einer Bar. Nein, er sei schon lange nicht mehr beim Kaufhaus, er arbeite jetzt für einen Geheimdienst. Es klang, als wolle er mir etwas anvertrauen. Welcher Geheimdienstler plaudert das sonst so offen aus? Ich habe ihn danach – nein, ich habe ihn weder hinter einem Bankschalter noch als Kellner in einem Fischrestaurant entdeckt. Schon möglich, dass er tatsächlich ein Schlapphut geworden ist. Und in diesem Fall war die Versuchung, mir darzulegen, er sei mehr als er sonst scheine, wohl zu groß für ihn gewesen.
Man lügt nicht aus Spaß am Lügen, wenn man nicht gerade krank im Kopf ist. Man lügt unter anderem, um sich Geltung zu verschaffen. Und zu diesem Zweck gibt man auch einmal die Wahrheit preis, selbst wenn es unter anderen Gesichtspunkten ein Fehler ist. (Diskretion war noch nie meine Stärke.)