Flaschenpost für E.

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Tula

Mitglied
Flaschenpost für E.

plötzlich tauchst du wieder auf
am Horizont, kostbare Reliquie des Zeitalters
der Entdeckungen, einst Flaggschiff der Armada
meiner Sehnsüchte, verschollen irgendwann
am Oberlauf des Orinoco

ich gehe die letzten dreißig Seiten im Logbuch
nochmals durch: Wind von vorn und Wind von hinten
ein paar Stürme, ein paar Flauten
eine Handvoll sorgfältig notierter Streifzüge
als Beute Edelsteine, die sich unter der Einwirkung von
Zeit nach und nach in Glasperlen verwandeln

das Lot der Erkenntnis:
wir haben an Tiefe gewonnen, während sich
die Ufer allmählich entfernen und der Verlust
an Fahrt als Einbildung erweist — wir rasen dahin
an der Geographie des Stroms ändert sich dabei nichts
er hat viele Arme
Erinnerung ist wohl der mächtigste von allen

ich registriere verzweifelt die Entfernung zwischen uns
und befrage die Nereiden:
wie kräftig ist das Blau des Himmels über dir?
doch sie schwimmen nur lächelnd weiter

bei Einbruch der Dunkelheit
schreibe ich die nächste Expedition heimlich vor:
wir liegen rücklings auf dem Achterdeck und
erfinden die Sternzeichen neu, ich deute dir
den Froschkönig und ernte
dein Lachen

wie lange ich bei dir bleiben will?
nur bis wir das Netz gefüllt

mit Quastenflossern
 

Franke

Foren-Redakteur
Teammitglied
Hallo Tula,

auch ich habe so eine E.
Ich warf auch eine Flaschenpost, aber sie erreichte nicht einmal das Meer. Ich war schon zu weit entfernt.

Liebe Grüße
Manfred
 

Tula

Mitglied
Moin Manfred
Ja, ich erinnere mich an einige deiner Gedichte diesbezüglich. Und ich hoffe, dass sich jeder hier den einen oder anderen Wunsch nach einer eigenen Flaschenpost bewahrt hat, egal wie unrealistisch und hoffnungslos.

LG
Tula
 



 
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