Flaute

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george

Mitglied
Flaute

Vorfrühling, nur wenig Sonne,
viel Schatten,
Flaute.

Die Egomanen-Stürme
im Winter geblieben.
Chaotische Winde des Herbstes gezähmt
oder im Duden verblasen.

Schlachtschiffe der letzten Kriege
liegen auf tiefem Grund,
voll munitioniert gesunken in Eitelkeit.
Langsam wachsen erste Korallen.

Im grünen Wasser schließlich
klar schimmernd Strukturen.
Die lyrischen Boote
schaukeln nur leicht.

Und Wortefischer mit Zeit
zum Flicken und Nähen
von Segeln.



2.4.2004
 

Venus

Mitglied
Jürgen, das ist meisterhaft!

Beinahe unheimlich, der mahnende Zeigefinger und der dennoch weise schüttelnde Kopf –

Das grüne Wasser (Grundfarbe der LL ? wenn man so will?) zeigt jedenfalls Struktur! Hier ist schon Hoffnung, wenn auch geduldige...
(?!?!)

„und Wortefischer mit Zeit
zum Flicken und Nähen
von Segeln“

ein traumhaft schöner Gedankensatz!
Ich verbeuge mich –
Und segel mit dem Wind
dagegen...

Recht herzlich,
Gabi
 

george

Mitglied
Liebe Venus,

mit roten Wangen lese ich dein Lob über meine Beobachtung der grünen Wasseroberfläche mit nur leichtem Wellengang. Die kämpfenden Fregatten sind versunken. Ja, die Farbe grün ist bewusst gewählt. Die Antwort auf deine Fragezeichen ist "ja". Wo mag bloß die Flaute sein...

Herzliche Grüße
Jürgen
 

Jongleur

Mitglied
Hallo George,
Frühling und Wetter, Meeresfahrt bzw. Liegen in der Flaute - mit diesen Metaphern lässt sich persönliches Erleben so schön umschiffen, dass es für den Leser angenehm zu lesen, dem Nichteingeweihten aber die zugrundeliegenden, verschlüsselten Beobachtungen, Ereignisse, Gefühle nicht preis gibt.
Wobei ja das Ende - und auch der benannte Duden - immerhin das Thema andeutet.
Den letzten Zeilen, schön formuliert, mag man dann gern beipflichten :) und sich am gelungenen Bild freuen (auch wenn man vielleicht ein Prädikat vermisst ... oder sollten die Wortefischer mit den Booten schaukeln?)
Ach ja, nicke ich, wär' schön, genügend Zeit nicht nur zum (ver)Dichten, sondern auch zum Bearbeiten zu haben. Flickarbeit, Fleißarbeit.
Auch der Einstieg gefällt mir. Wie ich mir's aber näher betrachte, frage ich mich, wo "viel Schatten" sich mit "wenig Sonne" wirft ;)
Flaute - eine Windstille, wo man zum Vorwärtskommen eigentlich einen Wind in die Segel brauchte?
Aber wer will denn immer nur zielstrebig im Wind liegen? Workaholics?
Ich für mein Teil, obwohl kein Seemann und höchstens mit Ebbe im Portemonnaie dabei, könnte mich mit Flauten gut anfreunden!
Jongleur
 

george

Mitglied
Ja, ja, das Prädikat, lieber Jongleur...

Es ist beim Unterschied zwischen "zum" und "beim" Flicken der Segel als Partizip zwischen den Booten in der Leerzeile versunken. Diese Gefahren lauern auf dem offenen Meer; Partizipien sollten Schwimmwesten tragen. Danke für diesen Hinweis!

Mit dem Hiweis auf Sonne und Schatten hast du physikalisch Recht. Es kommt allerdings auf den Standort des Beobachters an. Steht er im Schatten? Oder betrachtet er das Gesamtbild von außen? Und wenn ja, welches?

Vom Inhalt her gesehen, finde ich Flauten zumindest zeitweise hervorragend. Der Wind der monatelang immer aus der gleichen Richtung weht, scheint mir für einen Segler doch langweilig zu sein. Ich gebe allerdings zu, dass im starken Wind große Fregatten schneller vorwärts kommen.

Gruß
Jürgen
 

LuMen

Mitglied
frei gesetzt

Hallo george,

beeindruckend ausdrucksstarke Metaphern in freiem Rhythmus gesetzt! Mir gefällt´s so!

Gruß
LuMen
 

Vera-Lena

Mitglied
Lieber Jürgen,

da hat sich ja einiges Gute getan den Winter über. Nun die schwierigen Dinge versenkt sind, kann man wohl auf schöne lyrische Schiffchen mit bunten Segeln hoffen.

Manchmal zieht ein einziges Bild die anderen fast automatisch nach sich und das Endprodukt ist im Glücksfall ein geschlossenes Ganzes.

Gefällt auch mir gut Dein nachdenklicher Text.
Liebe Grüße Vera-Lena
 

george

Mitglied
Ja, liebe Vera-Lena, gebenüber den Herbst- und Winterstürmen ist der Frühling in der grünen Wasser-Landschaft eher ruhig. Die Wasser-Oberfläche ist relativ glatt, wenige Stürme, noch sind die Schiffe nicht aufgetakelt. Oft jedoch ist so eine Flaute nichts anderes als die Ruhe vor dem Sturm.

Herzliche Grüße
Jürgen
 



 
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