Flow- (eine Rose ist)

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sufnus

Mitglied
Flow- (eine Rose ist)

Am Strand von Atlantis
verschollene Wellen
ertrunkene Uhren
verflüssigte Zeit

Graf Putin wo sind deine Zähne
oh zweimal Magdeburg
summen die Drohnen

Ich sehe eine Frau die
sich einen Namen macht
sie trägt den großen
Selenskyj-Orden am Band

Am Strand von Atlantis
erfüllt sich das Meer
mit Menschenrauschen

Wir sind schon so lange urban
mein Herz ist die Linie 4
nächster Halt Douaumont

Hier steht: Eine Rose für R.
in der Grand Central Station
haben wir uns aus den Augen verloren

Meine Hand ist verdorrt
in der Grand Central Station
ja die Flüsse aus Babylon
deine Stimme ist immer Palmyra
 

sufnus

Mitglied
Hey SilberneDelfine!
Freut ich sehr, dass Du eine gewisse Interessanz herausgelesen hast! Danke dafür! :)
Es ist natürlich schon ein Liebesgedicht (glaub ich zumindest mal).
Auf alle Fälle ist es aber ein Experiment. Ich habe mich gefragt, wie man ein Liebesgedicht schreiben könnte, wenn man zugleich von Zukunftssorgen erfüllt ist, die nun mal so gar nichts mit dem Thema Liebe zu tun haben.
Mir scheint, dass das lyrische Ich, zwischen Herz und Nachrichtenlage zerrissen, in gewisser Weise in eine Art dissoziative Identitätsstörung geraten ist.
Wäre zumindest meine vorläufige (!) Lesart.
LG!
S.
 

Agnete

Mitglied
Puh Suf,

das ist eines der Gedichte, die man mehrfach lesen muss, deren Bilder man entschlüsseln muss, auseinandernehmen und wieder zusammensetzen wie ein Puzzle. Ich versuche es:
Ich lese hier keine Liebesbeziehung zu einer Frau, sondern die Rose, die man Verehrten schenkt, bezieht sich hier für mich auf den Wert alter Kulturen, wertvollen Gemeinschaften, die zerstört wurden.
Atlantis ging unter,
Palmyra, Weltkulturerbe wurde vom IS zerstört, Die Rückschau. Zwischen durch Bezugnahme auf Putin und die Mahnung auf Gegenwärtiges, das es uns allen ebenso ergehen könnte. Wir sitzen im Zug und der fährt....
Neuzeitlich ist auch der Hinweis auf den nächsten Halt Douaumont . Eine Stadt, die im 2. Weltkrieg vollkommen zerstört wurde.
Ich sehe in diesem Gedicht Rückschau und Mahnung zugleich, Achtung gegenüber dem anderen zu haben. Nicht wieder eine Katastrophe anzuzetteln...
Ein politisches Gedicht, das nicht politisch rüberkommt, eine Warnung, ohne kitschig zu sein. Respekt, muss ich sagen.
Und doch schwere Kost, Sufnus.
lG von Agnete
 

petrasmiles

Mitglied
Lieber Sufnus,

da hat Agnete schon alles Wesentliche gesagt, vor allem
Ein politisches Gedicht, das nicht politisch rüberkommt, eine Warnung, ohne kitschig zu sein. Respekt, muss ich sagen.
was ich ohne 'Putin' allerdings besser gefunden hätte, weil das Gedicht dadurch in diese Zeit festgetackert wird. Was ich nicht erkenne: wieso zweimal Magdeburg?

Liebe Grüße
Petra
 
Hallo Sufnus,

ursprünglich fühlte ich mich durch die Überschrift an die Hippies und die Flower-Power-Bewegung der 60er und 70er-Jahre erinnert.

Deine Erklärung, es sei ein Liebesgedicht, passt auch irgendwie dazu.

Aber Antlantis ging unter ....vor langer Zeit.

Ich habe mich gefragt, wie man ein Liebesgedicht schreiben könnte, wenn man zugleich von Zukunftssorgen erfüllt ist, die nun mal so gar nichts mit dem Thema Liebe zu tun haben.
Mir scheint, dass das lyrische Ich, zwischen Herz und Nachrichtenlage zerrissen, in gewisser Weise in eine Art dissoziative Identitätsstörung geraten ist.
Was nun wichtiger ist? Liebe oder Nachrichten?

Eigentlich habe ich gar keine Lust, das Gedicht zu zerreden, erst recht nicht, es als politisches Gedicht oder als Mahnung anzusehen. Das LI beschreibt nur. wie alles auf es wirkt, mit einer Spur Sarkasmus. Oder Zynismus.

Deine Erklärung sagt mir zu.


LG SilberneDelfine
 
Zuletzt bearbeitet:

sufnus

Mitglied
Hey Ihr Lieben!

Vielen Dank für das vielstimmige und mehrdimensionale Echo! Da freue ich mich!
Vielleicht noch eine Erklärung zu dem insgesamt ja recht "sprunghaften" Habitus der Zeilen: Die Ausgangsfragestellung habe ich nach Delfines Rückfrage ja schon angerissen: Wie könnte ein Text im Spannungsfeld von Romantik und Nachrichtenlage aussehen?

Die Ausführung ist dann aber mit ausgeschaltetem Großhirn erfolgt, in einer Art Écriture Automatique - sprich: Autor versetzt sich in Schreibtrance und lässt dann freie Assoziationen aufs Papier (respektive den Monitor) tropfen. :)
Das erklärt die nicht unbedingt besonders "ökonomische" Gewichtung von Tagesbezüglichkeiten und historischem Basso Continuo. Und es erklärt auch, warum die Bezüge und Bilder nicht rechtwinklig-sauber "verbaut" worden sind, sondern durchaus auch etwas a-logisch und inhaltlich prekär rüberkommen.

Die Erwähnung von "Magdeburg", da hat Petra ja zurecht nachgefragt, wäre hierfür ein exzellentes Beispiel. Als Metapher für eine untergegangene Stadt (die Magdeburger Bluthochzeit von 1631) fügt sich Magdeburg noch einigermaßen logisch ein, aber das "zweimal" ist nicht wirklich schlüssig begründbar - das hat die "automatische Schreibe" auf dem Gewissen. Es könnte sich um eine Art Steigerung handeln (doppelt so schlimm wie die Zerstörung von Magedburg) oder auf zwei Personen verweisen, die ihr "inneres Magdeburg" erleben oder auf die spätere, nochmalige Zerstörung von Magdeburg im zweiten Weltkrieg (wobei das mich am wenigsten überzeugt, weil es andere Städte gibt, die ähnlich stark, oder prozentual sogar stärker, betroffen waren).

LG!

S.
 



 
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